Mit Kapital an die Weltspitze

Weltmarktführer
02.05.2021

Hidden Champions investieren überdurchschnittlich viel in Innovation und Expansionsschritte. Doch woher nehmen die Top-Betriebe des Landes das Geld dafür? Auch wenn es Gemeinsamkeiten gibt: Die konkreten Finanzierungsmodelle sind so unterschiedlich wie die Unternehmen selbst.
Hannes Hecher, CEO Schiebel
Norbert Haslacher, Frequentis

Es gibt viele Wege, wie Unternehmen an die Weltspitze gelangen. Und es gibt scheinbar ebenso viele Wege, Innovationen und Expansionsschritte, die den Weltmarktführern und Hidden Champions ihren Platz an der Sonne sichern, zu finanzieren: Eigenkapital, Bankkredit, öffentliche Förderungen oder gar ein Börsengang? Auch Venture Capital und Business-Angels können – vor allem in der Aufbauzeit – eine entscheidende Rolle spielen. Später kann auch die Mitarbeiterbeteiligung eine gute Methode sein, um nicht nur Geld ins Unternehmen zu bringen, sondern auch für angenehme Nebeneffekte zu sorgen, wie die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen. Das ist vor allem für Hidden Champions ein Vorteil, die oft händeringend nach hochqualifiziertem Personal suchen.

Wie vermutlich alle Weltmarktführer und Hidden Champions steckt auch Schiebel, Weltmarktführer für Minensuchgeräte und unbemannte Hubschrauber, sehr viel Geld aus dem laufenden Geschäft gleich wieder in Forschung und Entwicklung, um technologisch führend zu bleiben. Beim Familienunternehmen aus Wien, das heuer sein 70-jähriges Jubiläum feiert, sind es rund 20 Prozent des Umsatzes, die in Research und Development der Produkte fließen. CEO Hannes Hecher betont, dass die Begeisterung für technologische Herausforderungen und der Pioniergeist, die das Unternehmen vorantreiben, ungebrochen seien.

Meist stellt sich aber ohnehin nicht die Frage nach einem Entweder-oder, denn weltweit führende Unternehmen setzen in der Regel auf einen Finanzierungsmix. So auch bei Rosenbauer, einem der größten Feuerwehrausstatter der Welt, der in 120 Ländern vertreten ist. Allein schon aus diesem Grund legt das Familienunternehmen mit Sitz im oberösterreichischen Leonding großen Wert auf finanzielle Stabilität. Sebastian Wolf, Chief Financial Officer von Rosenbauer, sagt: „Wir sind bei unseren Finanzierungsformen sehr diversifiziert und somit nicht von einem einzigen Finanzierungsinstrument abhängig.“

KURZFRISTIG KAPITALBEDARF DECKEN

Durch externe Investitionen besteht die Gefahr, dass die Anteile zu stark verwässert werden., Hannes Hecher, CEO Schiebel

Die konkreten Zahlen: Das seit 1994 börsennotierte Unternehmen hat eine Eigenkapitalquote von 31,6 Prozent, der Rest ist fremdfinanziert. Für zusätzliche Liquidität sorgt ein Schuldscheindarlehen, das Rosenbauer vor zwei Jahren am Kapitalmarkt platziert hat – mit Laufzeiten von drei, fünf und sieben Jahren. Über einen Bankenclub, also eine Kooperation mehrerer Hausbanken des Feuerwehrausstatters, steht darüber hinaus ein Finanzrahmen von 150 Millionen Euro zur Verfügung. „Besonders die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, kurzfristigen Kapitalbedarf decken zu können. Dadurch haben wir Sicherheit bei unserer Liquidität“, so Wolf. Genutzt wird der Großteil des Geldes als Working Capital, „also für unser Tagesgeschäft, die Produktion der Feuerwehr-Fahrzeuge“, erklärt der Finanzverantwortliche. Aber natürlich auch für Innovationen.

Derzeit entwickelt das Unternehmen zum Beispiel ein elektrisch betriebenes Feuerwehr-Fahrzeug. Bis 2030 sollen weltweit mehr als 3.200 Fahrzeuge vergleichbarer Technologie im Einsatz sein. Der Start der Serienfertigung ist für Anfang 2022 in Leonding geplant. Die Geldmittel dafür kommen teilweise von einer Finanzierung der Österreichischen Kontrollbank (OeKB). Die OeKB-Finanzierung hat die Rosenbauer-Tochter E-Technology Development GmbH (RED), die Innovationsgesellschaft des Rosenbauer-Konzerns, aufgenommen. Sie diente der Entwicklung von zwei Prototypen und in weiterer Folge der Realisierung von vier Vorserienfahrzeugen.

LIQUIDITÄT STEIGERN

Durch die Risikoübernahme des Bundes sinken bei der OeKB-Finanzierung die Kreditkosten. Abgewickelt wird die Finanzierung über die Hausbank. „Geld für Forschungen lukrieren wir auch über Forschungsprämien, wie zum Beispiel von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft. Aber das zählt natürlich nicht zur Finanzierung im klassischen Sinn“, meint Wolf. Insgesamt investiert Rosenbauer pro Jahr zwischen 15 und 20 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Und trotz dieses breiten Finanzportfolios prüft das Unternehmen gerade weitere Möglichkeiten, konkret jene des Factorings. Durch den Verkauf offener Forderungen an Dritte wird damit die Liquidität unmittelbar gesteigert.

WELTWEIT ETABLIERTES PRODUKT

Besonders bekannt ist das Unternehmen für seinen Camcopter S-100, einen gut drei Meter langen und 110 Kilo schweren unbemannten Hubschrauber für den militärischen und zivilen Einsatz. Der Camcopter S-100 hat sich weltweit etabliert: Zu den Abnehmern gehören etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien und China. Auch die OSZE wählte das Produkt etwa für die Beobachtermission in der Ukraine. Schiebel hat als kleines Familienunternehmen begonnen und sich seither zum Weltmarktführer hochgearbeitet.

Besonders die vergangenen 15 Jahre waren von Innovation und Expansion geprägt. In dieser Zeit wurden die Gewinne laut CEO Hecher „kaum ausgeschüttet und das Geld fast ausschließlich in die Weiterentwicklung des Unternehmens reinvestiert“. Für die Entwicklung der eigenen Geschäftsidee sei es stets von zentraler Bedeutung gewesen, die Fremdinvestitionen so klein wie möglich zu halten und die Eigenmittel zu stärken: „Durch externe Investitionen besteht die Gefahr, dass die Anteile zu stark verwässert werden.“ Es sei wichtig, einen Mix aus Finanzierungsquellen aufzubauen, wobei Eigenmittel den Kern darstellen: „Bankfinanzierungen sowie Risikofinanzierungen durch externe Investoren, stets mit der Möglichkeit, diese – wenn gewünscht – wieder abzuschichten, können diese ergänzen.“

ALTERNATIVEN NICHT NOTWENDIG

Die Kombination von Eigen- und Fremdmitteln, unter anderem in Form von Bank- und Forschungskrediten, habe sich bei Schiebel bewährt. Hecher: „Diese Kombination basiert auf einer langfristigen Planung und funktioniert seit jeher sehr gut. Es ist für uns deshalb nicht notwendig, weitere Alternativen in Anspruch zu nehmen.“ Allerdings werde die Wirksamkeit der Finanzierungsformen immer wieder überprüft und bei Bedarf adaptiert. Neben den bereits erwähnten Finanzierungsformen gibt es bei Schiebel auch ausgewählte stille Beteiligungen im kleineren Ausmaß.

Bei Expansionsschritten, wie zum Beispiel bei Werksexpansionen, wurden zusätzlich Sonderfinanzierungen in Anspruch genommen. Dies erfolgte zum Teil mit staatlichen Garantien wie dem Austria Wirtschaftsservice (aws). Situationsabhängig wurde hier auch auf Förderungen sowie Forschungs- und Kooperationsprojekte wie zum Beispiel von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FGG) oder aus diversen EU-Programmen sowie auf klassische steuerliche Forschungsprämien zurückgegriffen.

MITARBEITER WERDEN AKTIONÄRE

Bei Frequentis, Weltmarktführer bei Kommunikationssystemen für die Flugsicherung, setzt man zur Finanzierung neuerdings auf ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, welches 2020 umgesetzt wurde. Rund 1.300 Mitarbeiter in Österreich und Deutschland hatten die Chance, die Frequentis-Aktie mit einem Preisabschlag von 20 Prozent zu erwerben. Frequentis- CEO Norbert Haslacher erzählt: „Die Beteiligung war beträchtlich: Rund 35 Prozent der Mitarbeiter sind neue Aktionäre.“ Das hat – abzüglich des Mitarbeiterrabatts – eine Million Euro Emissionserlös eingebracht. Der Börsengang des Unternehmens selbst ist noch gar nicht so lange her. Im Jahr 2019 hat die Eigentümerfamilie Bardach die Emission von Aktien als optimalen Weg gesehen, die Transformation vom inhaber- zum managementgeführten Unternehmen umzusetzen. „Dahinter steht ein starkes Commitment der Eigentümerfamilie zur Fortsetzung der nachhaltigen geschäftlichen Entwicklung“, erklärt Haslacher.

Rund 35 Prozent der Mitarbeiter sind neue Aktionäre. Norbert Haslacher, Frequentis

MANAGEMENT-BUY-OUT ALS STARTSCHUSS

Die Familie Bardach hat 1986 den damaligen Kleinbetrieb übernommen und daraus ein weltweit tätiges Hightech-Unternehmen geformt. Ein Management-Buy-out war der Startschuss dafür. Haslacher: „Der jetzige Mehrheitsaktionär Hannes Bardach hat im Jahr 1983 die Geschäftsführung von Frequentis übernommen, mit klarem Sanierungsauftrag. Im Jahr 1986 wurde ihm dann von den damaligen Eigentümern die Möglichkeit angeboten, auch die Anteile von Frequentis zu übernehmen.“ In den vergangenen drei Jahren hat das Unternehmen im Durchschnitt mehr als sechs Prozent des Umsatzes für eigenfinanzierte Forschung und Entwicklung ausgegeben. Ein Ergebnis dieser Forschung ist der Remote Digital Tower, mit dem die Flugsicherung für kleinere Flughäfen dezentral erfolgen kann. Dieses Projekt wurde nicht von Frequentis selbst, sondern von der 2018 gegründeten Frequentis DFS Aerosense durchgeführt. Dieses Unternehmen hat im Rahmen eines Joint Ventures mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) die neue Form der Flugsicherung entwickelt – und sich somit auch eine zusätzliche Finanzierung des Kooperationspartners gesichert. Die aktuellen Akquisitionen, also die Übernahme von 51 Prozent am Softwareentwickler ATRiCS in Deutschland sowie die 15-Prozent-Beteiligung am spanischen Technologie-Unternehmen Nemergent Solutions, hat Frequentis aus eigenen Mitteln finanziert.

ZWEI MILLIONEN FÜR EINE APP

Junge Unternehmen starten in der Regel nicht als Weltmarktführer, außer es gibt weltweit noch keine vergleichbaren Produkte am Markt. Das Wiener Start-up inoqo rund um CEO und Gründer Markus Linder hat jedenfalls eine App entwickelt, die das Zeug zu einem weltweiten Renner hat und die im Herbst gelauncht wird. Dafür sicherte sich das Start-up eine Finanzierung von zwei Millionen Euro. Die App, die das 30-köpfige Team von inoqo entwickelt hat, ermöglicht es Benutzern, kostenlos und passiv ihre Lebensmitteleinkäufe zu tracken. Und das funktioniert so: User scannen ihren Kassenzettel mit der inoqo-App und erhalten in Folge eine Analyse zu den verursachten CO2-Emissionen der gekauften Produkte und die jeweiligen Auswirkungen auf Umwelt, Tierwohl und das eigene Wohlbefinden. Ziel ist, das eigene Einkaufsverhalten zum Positiven zu verändern. Markus Linder, inoqo-CEO, sagt: „Als Hochtechnologie- Start-up, das auf totale Innovation setzt, gehen wir auch ein hohes Risiko ein. Anlagefinanzierungen oder Bankkredite, wie sie meist klassische Unternehmen nutzen, kommen daher weniger für uns infrage.“ Für ihn standen deshalb vor allem zwei Finanzierungsmöglichkeiten offen: öffentliche Förderungen und eine Kooperation mit Business-Angels. „Business-Angels bringen nicht nur Kapital, sondern auch Erfahrung und Know-how mit“, so Linder. Kontakt zu passenden Business-Angels zu finden war für den Gründer nicht schwierig. Denn er ist in der Start-up-Szene kein Unbekannter. 2006 hat er bereits höchst erfolgreich den digitalen Sales-Assistent Zoovu gegründet. Zudem ist er sogar selbst als Business-Angel aktiv. Start-ups, die noch nicht über solche Netzwerke verfügen, können über die Austrian Angel Investors Association (AAIA) Investoren finden. „Dort können junge Unternehmer pitchen und sich präsentieren“, erzählt Linder.

VON FÖRDERUNGEN BIS VENTURE CAPITAL

Seine eigenen Investoren sind durchaus hochkarätig. Zu ihnen zählen unter anderem die Runtastic-Co-Founder Alfred Luger und Christian Kaar, Biogena-Gründer Albert Schmidbauer und auch Martin Grüll, ehemaliger CFO von Raiffeisen International. Außerdem nutzt Linder mit inoqo Förderungen des Austria Wirtschaftsservice (aws), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Wirtschaftsagentur Wien. Und wofür wird das neue Kapital konkret eingesetzt? Es dient dazu, das Team auszubauen und die App zur Marktreife zu bringen. Diese ist im Moment in einer Closed-Beta-Version nur für ausgewählte Nutzer verfügbar. „Wir befinden uns noch in einer frühen Unternehmensphase und wollen unser Produkt bis zum Launch im Herbst gemeinsam mit den Usern weiterentwickeln“, sagt der CEO. Und obwohl die App noch nicht auf dem Markt ist, kennt Linder bereits die nächsten Schritte: „Nach dem Launch in Österreich folgt die Internationalisierung. Dafür setzen wir dann auf Venture Capital mit mehreren Millionen Euro.“ Groß zu denken und eine gesunde Portion Selbstbewusstsein schaden sicher nicht auf dem Weg an die Weltspitze – und schon gar nicht beim Aufstellen von Finanzierungen, die diesen erst ermöglichen.

Zum Interview mit dem Hidden Champions Experten Georg Jungwirth, Professor an der Grazer Fachhochschule der Wirtschaft Campus 02

Autor/in: TEXT ALEXANDRA ROTTER UND MARKUS MITTERMÜLLER

FINANZIERUNGSFORMEN – EIN ÜBERBLICK

EIGENKAPITAL ist eine Investition innerhalb einer Unternehmung durch eigene Mittel, ohne dabei auf Kredite zurückzugreifen. Vorteile dabei sind die größere Unabhängigkeit und die verringerte Gefahr von Insolvenz oder Überschuldung.

BANKKREDIT In Österreich ist der Bankkredit die am weitesten verbreitete Finanzierungsform. Sicherheiten oder eine persönliche Haftungsübernahme sind die Voraussetzung für eine Kreditvergabe.

ÖFFENTLICHE FÖRDERUNGEN Förderungen werden vom Bund, den Ländern, den Gemeinden, der EU oder den Wirtschaftskammern vergeben. Die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (aws) unterstützt Unternehmen zum Beispiel durch die Vergabe von zinsgünstigen Krediten, Zuschüssen und Garantien.

BÖRSENGANG Will ein Unternehmen an die Börse, muss es die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) haben. Meist beauftragt das Unternehmen verschiedene Banken (Konsortium), die den Börsengang durchführen. Der Börsengang bringt liquide Mittel, ist aber meist aufwendig und mit erheblichen Kosten verbunden.

VENTURE CAPITAL Dies ist eine Form des außerbörslichen Beteiligungskapitals, das eine Beteiligungsgesellschaft zur Beteiligung an als besonders riskant geltenden Unternehmungen bereitstellt: also für Unternehmensideen, die noch in ihren Anfängen sind, aber hohes Wachstumspotenzial haben. BUSINESS-ANGELS Sie unterstützen junge Unternehmen nicht nur mit Eigenkapital, sondern auch mit Management- Erfahrung und Business-Kontakten. MITARBEITERBETEILIGUNG Mitarbeiter können am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens oder direkt am Unternehmenskapital beteiligt werden. Dadurch werden sie auch enger ans Unternehmen gebunden.