CSR: Am Ende der Selbstgefälligkeit

02.05.2017

Während in Europa lamentiert wird, setzen die Asiaten in puncto Nachhaltigkeit neue Standards. Woran das liegt? Ein Kommentar des CSR-Experten Prof. Dr. René Schmidpeter über unser trügerisches Selbstbild.

Die höchsten nachhaltigen Wolkenkratzer, tausende Elektromobile, grüne Start-ups, das weltgrößte Solarprogramm und Regierungspläne, die Nachhaltigkeit als oberste Priorität setzen. Was so klingt wie die europäische Idee einer ökologieorientierten Marktwirtschaft wird derzeit Wirklichkeit – jedoch nicht in Europa, sondern in Asien. Im Windschatten der globalen Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung und unternehmerische Verantwortung haben Regierungen und Unternehmen in Südostasien, China und Indien erkannt, dass Nachhaltigkeit der neue Motor ihrer zukünftigen volkswirtschaftlichen Entwicklung ist. Nachhaltigkeit erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und schafft neue Absatzmärkte. Getrieben von großen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen in den eigenen Ländern, aber auch mit dem Ziel, Vorreiter in innovativen Technologiefeldern zu werden, setzen die Asiaten auf ein Nachhaltigkeitsverständnis, das proaktiv in die Zukunft weist.

PRAGMATISMUS ANSTATT DISKUSSIONEN

Anders als in Europa, wo vehement diskutiert wird, ob Ethik und wirtschaftlicher Erfolg im Widerspruch stehen, haben die Asiaten ganz pragmatisch damit begonnen, das Gegenteil zu beweisen. Der Shanghai Tower ist etwa nicht nur das zweithöchste Gebäude der Welt, er besticht auch durch höchste ökologische Standards. In diesem Wolkenkratzer befinden sich Parks, künstliches Licht wird durch die Vollverglasung weitestgehend vermieden, und Windgeneratoren liefern Strom für die Beleuchtung. Auch in anderen chinesischen Städten wird vermehrt auf nachhaltige Hochhäuser gesetzt. In Shenzhen soll gar eine ganze Stadt umweltfreundlich errichtet werden. Hier gibt es Investoren, die in grüne Start-ups investieren und akademische Einrichtungen, die mit anderen Hochschulen auf der ganzen Welt im regen Austausch über die neuesten Trends zur globalen nachhaltigen Entwicklung stehen. Gleichzeitig wird in China Mobilität neu gedacht – indem voll auf Elektrofahrzeuge, moderne öffentliche Infrastruktur und effiziente Vernetzung der Verkehrssysteme gesetzt wird. So wurden in der Industriestadt Tianjin allein in einem Jahr 500 neue Elektrobusse in Betrieb genommen. Insgesamt sind damit allein in dieser Stadt bereits über 3000 „saubere“ Busse im Einsatz. Auch die über 8000 Taxis fahren hier elektrisch. China hängt Europa damit mittlerweile in zentralen Fragen der zukunftsorientierten Mobilität ab. Dabei profitieren chinesische Hersteller von umfangreichen staatlichen Förderprogrammen, Elektroauto-Quoten und einer Kommunalpolitik, die zunehmend auf Elektromobilität setzt. Im Kampf gegen Smog und den Klimawandel wird auch die Sonnenstromerzeugung permanent erhöht. In den letzten Jahren ist China zum größten Solarmarkt der Welt aufgestiegen und hat auch hier den vermeintlichen Vorreiter Deutschland überholt. China setzt alles daran, die Klimaziele zu erreichen, zu denen sich die Regierung in Paris verpflichtet hat. In den nächsten fünf Jahren möchte China die Solarkapazitäten daher nochmals verdreifachen. Westliche Staaten denken dagegen oft darüber nach, wie sie aus den internationalen Klimaverpflichtungen aussteigen und ihre alten Industrien schützen können. Ganz anders in den asiatischen Ländern. Hier hat das Pendant zur Europäischen Union, der Verband südostasiatischer Nationen – ASEAN, CSR und die Sustainable Development Goals zur wirtschaftlichen Priorität erklärt. Sieht man all diese Entwicklungen, so möchte man fast glauben, das Konzept einer „nachhaltigen Marktwirtschaft“ wird derzeit neu erfunden – einzig die vermeintlichen Erfinder selbst diskutieren in Europa weiter darüber, ob Nachhaltigkeit und Wirtschaft nicht doch im Widerspruch zueinander stehen. Und fallen immer weiter zurück, wenn es darum geht, die Innovationsthemen der Zukunft zu besetzen!

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