Werben um Asylwerbende

Redaktion Die Wirtschaft
12.10.2015

Asylwerbende sollten besser in den Arbeitsmarkt integriert werden, lautet eine immer lauter werdende Forderung. Viele Unternehmen möchten hier aktiv sein – doch die Beschäftigungsmöglichkeiten in Österreich sind eingeschränkt.  

Text: Sonja Tautermann

„Heute werden sie eingestellt“ – die Mundwinkel des 34-jährigen Unternehmers wandern bei diesem Satz nach oben. Bereits mehr als 35 Jobs hat er in den letzten vier Jahren mit seinem Co-Founder geschaffen, ab heute werden es noch drei weitere sein: für Menschen mit positivem Asylbescheid. Warum er keine Asylwerbenden beschäftigt? „Du darfst sie nehmen, aber nicht bezahlen. Das wollten wir nicht! Deshalb haben wir Leute mit positivem Asylbescheid gesucht.“ Seine Augen tanzen, als er fortfährt: „Bloß spenden kann jeder. Wir wollten eine Perspektive geben. Wir schaffen Arbeitsplätze, weil wir es wollen.“ Wohl nicht zufällig findet unser Treffen im Lokal „Heuer“ am Wiener Karlsplatz statt. „Hier gibt es um 3,50 Euro ein Menü für Flüchtlinge.“ Ein Blick auf die Speisekarte zeigt: Für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund werden gemeinsam mit dem Diakonie-Flüchtlingsdienst 300 kostenlose Menüs pro Monat zur Verfügung gestellt. Wer weitere Flüchtlinge einladen möchte, kauft ein Refugee-Menü.
 
Aufgewachsen in Traiskirchen
Der engagierte Unternehmer heißt Ali Mahlodji und ist selbst ehemaliger Flüchtling. Heute beschäftigter er mit seinem Start-up Whatchado knapp 40 Mitarbeiter aus 15 Nationen und konterkariert damit das Klischee vom „Flüchtling, der uns die Arbeitsplätze wegnimmt“. Mahlodji flüchtete mit zwei Jahren gemeinsam mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder aus dem Iran nach Österreich. Sein Vater und seine Mutter hatten gegen das Regime demonstriert und standen deshalb auf der „Todesliste“. „Wer auf dieser Liste stand, wusste, was folgte: Verhaftung, Folter, Hängen.“ Aufgewachsen ist der Whatchado-Founder in Traiskirchen. „Keiner tut das, weil es ihm Spaß macht. In ein fremdes Land zu gehen, wo man die Sprache nicht kann, ein Fremder ist, keine Freunde und Familie hat. Flüchtlinge wollen überleben, auf sicherem Boden sein. Da ist es ihnen auch egal, ob sie im Feldbett oder am Boden schlafen.“ Eine große Herausforderung von Asylwerbenden: „Die Wartezeit – nichts machen, nichts arbeiten zu können, kein Geld verdienen und langzeitarbeitslos zu sein, bis entschieden wird, ob Österreich einem Asyl gibt.“ Sein mittlerweile verstorbener Vater habe die Flucht psychisch nicht verkraftet, erzählt Ali Mahlodji. Beide Elternteile waren zwar Akademiker – doch anerkannt wurde das in Österreich erst unzählige Jahre später. Seine Mutter ließ sich davon nicht beirren und ging „Bodenputzen“, denn „jede Arbeit ist besser als keine Arbeit“. Sie kam ursprünglich aus dem Managementbereich und sagte: „Wenn die Ausbildung in Österreich nicht anerkannt wird: egal, ich mache eine neue Ausbildung.“ Da zeige sich dann auch, aus welchem Holz man geschnitzt sei, so der Gründer.
 
Wirtschaft für Öffnung des Arbeitsmarkts
Aber nicht nur das Start-up handelt, auch große Konzerne wie Porr oder Rewe wollen Ausbildungsplätze für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Im KMU-Bereich tut sich ebenso etwas, Fachkräfte sind besonders gefragt. „Gerade wenn man auf Industrie und Tourismus schaut, sehe ich genügend offene Arbeitsstellen für Asylsuchende mit guter Ausbildung“, so Ingeborg Freudenthaler, die Sprecherin der „Tiroler Adlerrunde“ – einer Vereinigung von hochrangigen Betrieben aus Westösterreich. Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes und Ausbildungsplätzen für Asylsuchende sieht die Adlerrunde zudem Möglichkeiten, die Kosten der öffentlichen Hand für die Flüchtlingsbetreuung reduzieren. So weit so vernünftig. Doch rechtlich ist das gar nicht so einfach. Normal anstellen dürfen Unternehmen nur Personen mit positivem Asylbescheid. Wann dieser im Schnitt ausgestellt wird, kann man aufgrund einer mangelhaften Datenlage gar nicht sagen. „Ich kenne beispielsweise Fälle von Syrern, wo innerhalb von Wochen ein Bescheid da war. Andere Syrer warten schon ein Jahr auf eine Entscheidung“, sagt Anny Knapp von der Asylkoordination. Das stehe aber im Widerspruch zum von der EU geforderten effektiven Arbeitsmarktzugang nach spätestens neun Monaten. Etwas besser sieht es für Jugendliche bis 25 Jahre aus. Hier gilt eine Sonderregelung für Berufe mit Lehrlingsmangel, in denen Asylwerber eine Ausbildung machen dürfen. Der Nachteil: „Der Betrieb bekommt nicht alle Förderungen, die er sonst für Lehrlinge bekommen würde. Die gelten nur für Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und diesen Gleichgestellten, eine Klausel für Personen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht fehlt.“
Zwar dürfen Personen mit zugelassenem Asylverfahren nach drei Monaten arbeiten. Allerdings nur in saisonalen Betrieben, wie im Fremdenverkehr oder in der Landwirtschaft, maximal auf sechs Monate befristet, einmal verlängerbar. „Davor gibt es aber ein Ersatzkraftverfahren, ob nicht eine in Österreich arbeitslos gemeldete Person oder eine gleichgestellte Person den Job machen würde.“ Laut aktueller WIFO-Studie gab es zwischen 2006 und 2014 gerade einmal 5.340 Kontingentbewilligungen, aufgeteilt auf 2.840 Personen. Durchschnittliche Beschäftigungsdauer: knapp vier Monate. „Es wird also geschaut, dass der Bezug von Arbeitslosengeld nicht zustande gebracht wird“, so Knapp.

Geringe Auswirkungen auf Arbeitslosenrate
Wie sich ein geöffneter Arbeitsmarkt in Österreich ohne Einschränkungen auf saisonale Beschäftigung auswirken würde, hat die WIFO-Studie untersucht. Ein liberaler Zugang nach sechs bis neun Monaten würde die Arbeitslosenzahlen über vier Jahre gerechnet um 0,1 bis 0,2 % erhöhen. Drei Monate nach Zulassung würden sich die Arbeitslosenzahlen kurzfristig um bis zu 0,23 %, langfristig um 0,21 % erhöhen. Heimische Angestellte hätten hingegen um 0,04 % bis 0,08 % niedrigere Löhne zu erwarten. Die Auswirkungen dürften also „eher gering sein“, so die Autoren. Es läge in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger Für und Wider einer Öffnung des Arbeitsmarktes sachlich abzuwägen.

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