Eine unerklärbare Erfolgsgeschichte
Neben Red Bull und Manner ist der Kornspitz eine der erfolgreichsten österreichischen Lebensmittelmarken. Dennoch kennt die Geschichte dahinter kaum jemand. Ein Besuch beim heimlichen Weltmarktführer Backaldrin.


Text: Daniel Nutz
Asten, rund zehn Kilometer südöstlich von Linz. Gerade 6.000 Leute wohnen hier. Täglich spült die Westautobahn tausende Fahrzeuge Richtung Linz und wieder aus der Landeshauptstadt heraus. Einigen dürfte die direkt neben der A1 gelegene Glasarchitektur auffallen. „backaldrin“ weisen die großen Farbletter am Gebäude aus. „Kornspitzstraße 1″ lautet die Anschrift des in mehr als 100 Ländern aktiven Herstellers von Backgrundstoffen. Ein Wink mit dem Zaunpfahl für alle, die es nicht wissen: Vor gut 30 Jahren wurde in diesen Hallen das dunkle „Weizenkleingebäck“ erfunden, das seit kurzem auch in Angola gebacken wird. Es ist das 71. Kornspitz-Exportland. Kaum ein anderes heimisches Produkt erfährt beim Konsumenten weltweit eine ähnliche Bekanntheit wie der Kornspitz. Die Geschichte von Backaldrin ist eigentlich eine wie von Red Bull oder Swarovski. Dennoch kennen sie nur wenige.
Frühe Expansion
Von Anbeginn an war Peter Augendopler mit dabei. Der heutige Eigentümer sitzt in weißem Bäckersgewand im Firmensitz und erinnert sich. Als sein Vater vor 50 Jahren das Unternehmen gründete, habe seine Familie nicht mehr als eine Menge Mut gehabt. Mit einer Hypothek aufs Familienheim finanzierte man die Gründung, erzählt Augendopler. Wegen der Befürchtung, deutsche Bäckereizulieferer würden im Zuge des damals zu erwartenden Zusammenschmelzens von EFTA und EWG den heimischen Markt aufmischen, wagte man sich bereits in den späten 1960er-Jahren nach Deutschland. Proaktiv und mit dem Mut des Bedrängten eroberte Backaldrin dort kontinuierlich Marktanteile. Peter Augendopler war damals in seinen Zwanzigern. Jung und unerfahren. Aufgrund einer Erkrankung seines Vaters wurde er aber immer stärker in die Rolle des Geschäftsführers gedrängt. „Ich war Mitte zwanzig, sah aber aus wie 17, das hat manches erschwert“, blickt er zurück. Geholfen haben ihm letztlich die deutschen Geschäftstugenden, die er beim Beackern des dortigen Marktes verinnerlichte. „In Deutschland habe ich gelernt, schnell ans Ziel zu kommen. Und dass man es sich als Unternehmer in Verhandlungen durchaus leisten kann, die Wahrheit zu sagen“, meint er mit einem
Lächeln.
Gelernt hat Augendopler auch, dass Wachstum die Grundlage seines Geschäfts ist. „Eine Firma, die nicht wächst, stirbt irgendwann. Schließlich steigen die Kosten immer.“ Und wenn die Konjunktur gerade schlecht läuft, müsse man die Nachfrage eben selbst erzeugen. So war es auch im Jahr 1984, als man neue Produkte für den Trend der ballaststoffreichen Ernährung suchte. Eigentlich wollte man ein dunkles Brot auf den Markt bringen. Als Nebenprodukt kreierte Backaldrin auch ein Kleingebäck und servierte dieses im Rahmen einer Messe seinen Kunden. „Es kam so gut an, dass alle auf der Messe anwesenden Bäcker das Produkt bestellten“, erzählt Augendopler. Der Kornspitz war erfunden. Heute hat Backaldrin in diesem Segment ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Rund fünf Millionen Stück werden täglich weltweit verzehrt. Der Backgrundstoff kommt stets von Backaldrin.
Streit um die Namensrechte
Der Kornspitz ist seither dermaßen erfolgreich gewesen, dass mittlerweile sogar vor dem Obersten Gerichtshof um ihn gestritten wird. Die Konkurrenz will Backaldrin nämlich die Trademark „Kornspitz“ abspenstig machen und erlangte in den bisherigen Instanzen Erfolge. Ob der Markenname tatsächlich gelöscht werden muss, entscheidet demnächst das Höchstgericht. Augendopler sieht es gelassen: „Nach dem Urteil wird Klarheit herrschen. Die ganze Debatte hat die Verkaufszahlen in die Höhe getrieben.“ Egal ob sich das Gebäck nun Kornspitz, Kornweckerl oder Kornstange nennt – bei der Zulieferung des zugrunde liegenden Backgrundstoffs ist Backaldrin Weltmarktführer.
Letztendlich wird auch nicht der Streit um einen seit 30 Jahren bestehenden Markennamen das Schicksal von Backaldrin bestimmen. „Um erfolgreich zu bleiben, dürfen wir uns nicht auf Bestehendem ausruhen“, sagt Augendopler. Auf den Kunden einzugehen sei das Erfolgsrezept. Klingt vielleicht banal. Doch ein Blick in die hauseigenen Entwicklungsbäckereien zeigt, mit wie viel Nachdruck es verfolgt wird. Hier finden Experimente wie in einem Labor statt. Was herauskommen wird, weiß man vorher oft nicht. Mit einem Mix aus jahrzehntealten Branchenwissen und einer gewissen Neugier probiert man einfach aus, ob man Wünsche und Ideen der Kunden umsetzen kann. Besonders schwierige Fälle spornen an. So wie der Auftrag von „Eat the Ball“. Die Aufgabe war, ein Weißgebäck in Form von Sportbällen zu backen. Nach einigen Fehltritten schaffte man es tatsächlich und stieß bei der Erfindung zufällig auf eine Nebeninnovation: dass sich die Gebäckstücke immer wieder einfrieren lassen. Auch an anderen kniffligen Projekten wird gearbeitet und auf Hochtouren innoviert. Und manchmal gehört Troubleshooting zum Geschäft. Wenn zum Beispiel ein Schädling die Weizenpflanze in Russland befällt, muss schnell reagiert werden, um die Rezeptur anzupassen und die Qualität zu sichern. Anpassung ist auch das Rezept für jeden neuen Markt, den Backaldrin betritt. Da geht es um die Gegebenheiten vor Ort, die Esskultur, aber auch um verfügbare Getreidesorten. Für jeden Markt müssen die Produkte individuell angepasst werden. So kommt es, dass das Gesamtsortiment von Backaldrin derzeit rund 600 Produkte umfasst.
Vertrauen in den Erfolg
Vom Zentrum Asten sieht man seine Niederlassungen in den restlichen Teilen der Welt natürlich nur aus der Ferne. Für Augendopler aber kein Problem. Die Expansionen, die Backaldrin in mehr als 100 Ländern führte, waren letztlich nur durch den Einsatz der Mitarbeiter und Manager vor Ort möglich. „Ich habe kein Problem, jemandem mein Vertrauen zu schenken“, sagt Augendopler. „Was soll ich mir den Kopf über Länder und Märkte zerbrechen, von denen ich viel weniger verstehe als die Leute, die dort leben?“ Man könnte sagen, dass flache Hierarchien und die Übergabe von Verantwortung auf seine Mitarbeiter Augendoplers Erfolgsgeheimnis sind. „Ich mache einfach das, was ich für richtig halte, was zu meiner Lebensauffassung passt“, sagt der bald 70-jährige Firmeneigentümer. Könnte sein Führungsstil als Art Blaupause für andere Unternehmen herhalten? „Ich glaube nicht, dass man das eins zu eins kopieren kann. Es passt einfach zu uns“, sagt Augendopler und zuckt mit den Schultern. „Manchmal schäme ich mich fast, wie einfach es bei uns geht. Ich kann unseren Erfolg gar nicht erklären. Es geht einfach dahin!“