Weltweit größte „grüne“ Wasserstoffpilotanlage erfolgreich in Betrieb gegangen

Wasserstoff
12.11.2019

 
Die derzeit weltgrößte Pilotanlage zur CO2-freien Herstellung von Wasserstoff hat am voestalpine-Standort in Linz erfolgreich ihren Betrieb aufgenommen und setzt damit einen internationalen Meilenstein in der Entwicklung neuer Optionen für die Energieversorgung. Mit dem EU-geförderten Projekt „H2FUTURE“ erforschen die Partner voestalpine, Verbund, Siemens, Austrian Power Grid, K1-MET und TNO die industrielle Produktion von grünem Wasserstoff, der langfristig fossile Energieträger in der Stahlproduktion ablösen soll.
Am Werksgelände der voestalpine in Linz hat die größte Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff ihren Betrieb aufgenommen.
Am Werksgelände der voestalpine in Linz hat die größte Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff ihren Betrieb aufgenommen.

Die globalen Klimaziele sehen eine fast vollständige Reduktion der CO2-Emissionen bis 2050 vor. Das stellt Industrieunternehmen und Energieversorger vor Herausforderungen und verlangt neue technologische Lösungen in beiden Branchen. CO2-freier Wasserstoff gilt in diesem Zusammenhang als vielversprechendste Zukunftsoption, um die Energiewende möglich zu machen. Nun hat am Werksgelände der voestalpine in Linz die größte und modernste Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff ihren Betrieb aufgenommen. Die neue Anlage verfügt über sechs Megawatt Anschlussleistung und gilt als die derzeit wirkungsvollste und modernste ihrer Art. Damit wird getestet, ob die eingesetzte Technologie für eine großindustrielle Produktion von grünem Wasserstoff geeignet ist. Außerdem wird mit dem EU-geförderten 18-Millionen-Euro-Projekt das Potenzial zum Bereitstellen von Netzdienstleistungen und dem möglichen Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz erforscht.

voestalpine gibt Weg einer dekarbonisierten Stahlproduktion vor

Als einer der Branchenvorreiter in puncto Umweltschutz verfolgt die voestalpine eine konsequente und langfristige Strategie zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion. „Wir haben uns klare Ziele zur weiteren Direktvermeidung von CO2-Emissionen in der Stahlherstellung für die kommenden Jahre gesetzt. Mit der Inbetriebnahme der weltgrößten Wasserstoff-Pilotanlage an unserem Standort Linz ist ein wesentlicher Schritt gelungen, um diese Technologietransformation voranzutreiben“, so Herbert Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der voestalpine AG. Vor dem Hintergrund der weltweiten Klimavorgaben prüft die voestalpine derzeit die Umsetzbarkeit einer Hybridtechnologie zwischen der bestehenden koks-/kohlebasierten Hochofenroute und mit grünem Strom betriebenen Elektrolichtbogenöfen unter teilweisem Einsatz von grünem Wasserstoff. Diese Option würde bei entsprechender Wirtschaftlichkeit nach heutigem Stand zwischen 2030 und 2035 die unternehmensspezifischen CO2-Emissionen um rund ein Drittel reduzieren. Langfristig strebt der Konzern an, den Einsatz von grünem Wasserstoff im Stahlerzeugungsprozess sukzessive zu erhöhen und so bis 2050 die CO2-Belastung um insgesamt mehr als 80 % senken zu können.
„Die wichtigste Voraussetzung für diese Szenarienplanung auf Basis von grünem Strom bzw. grünem Wasserstoff ist jedoch, dass erneuerbare Energie in ausreichender Menge und zu wirtschaftlich darstellbaren Preisen zur Verfügung steht. Nur so werden wir die zukünftigen Technologien auch tatsächlich wettbewerbsfähig betreiben können“, ergänzt Eibensteiner.

Siemens sieht Wasserstoff als essentiellen Baustein für eine klimaneutrale Industriegesellschaft

Die Dekarbonisierung des Wirtschafts- und Energiesystems ist die zentrale Herausforderung in der Zukunft. Daher braucht auch die Industrie neue Verfahren und neue innovative Technologien, wie die Erzeugung von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse aus erneuerbarer Energie, um die langfristigen Klimaziele zu erreichen. „In dieser Anlage wird mit Hilfe von erneuerbarer Energie Wasser in seineGrundkomponenten Wasserstoff und Sauerstoff gespaltet. Durch diesen Prozess schaffen wir ein enormes Potenzial zur Flexibilisierung und Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems“, erklärt Wolfgang Hesoun, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG Österreich. Darüber hinaus kann die Elektrolyse noch als netzdienliches Element genutzt werden, um bei Bedarf Überschussenergie aus dem Netz zu nehmen, was bei steigenden fluktuierenden erneuerbaren Energien ein wichtiger Faktor ist. „Siemens fokussiert sich seit jeher auf saubere Energie: von Erzeugung über Verteilung bis zur Anwendung. Effiziente Technologien sind ein wesentlicher Baustein, um den Klimawandel mit seinen dramatischen Folgen einzudämmen“, erklärt Hesoun.
Mit dem hochtechnologischen Kernstück der Anlage, dem Siemens Silyzer 300, werden mit einer Anschlussleistung von sechs Megawatt 1.200 Kubikmeter grüner Wasserstoff erzeugt. H2FUTURE ist ein wichtiger Meilenstein für den industriellen Einsatz von Elektrolyse – als Grundstein für zukünftige industrielle Anwendungen in der Stahlindustrie, in Raffinieren, in der Düngemittelherstellung sowie in weiteren Industrien mit hohem Wasserstoffbedarf. Damit ist die Basis für zukünftige Projekte im großindustriellen Umfeld gelegt. Hesoun weiter: „Wir freuen uns, diese neue Technologie im Rahmen des Projektes erstmals im Einsatz zu sehen. Dieses herausragende Projekt ist ein bedeutender Schritt in Richtung globaler Dekarbonisierung.“

Sektorkopplung durch Elektrifizierung

„Grün – also CO2-frei – ist Wasserstoff, wenn er aus Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Wir können damit temporär und volatil anfallenden Strom aus neuen erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne speichern und besser nutzbar machen“, so VERBUND CEO Wolfgang Anzengruber. Grüner Wasserstoff hat als Rohstoff, Energieträger und Speichermedium ein enormes Potenzial, um zur Dekarbonisierung von energie- und CO2-intensiven Prozessen beizutragen. Neben dem Industriesektor zeigen sich auch im Transportbereich, und hier insbesondere im Schwer- und Bahnverkehr, überaus interessante Anwendungsmöglichkeiten. Zudem können reaktionsschnelle Elektrolyseure zur Bereitstellung von Netzdienstleistungen herangezogen werden und Leistungen für die immer stärker belasteten Übertragungsnetze erbringen. H2FUTURE ist ein Paradebeispiel für die sektorübergreifende Zusammenarbeit, die Mehrwert schafft. „Der Einsatz von grünem Wasserstoff ist sowohl eine Win-Win-Situation für Energiewirtschaft und Industrie als auch ein perfektes Beispiel für die Sektorkopplung durch Elektrifizierung.“

„Das H2FUTURE Projekt ist eines der Leuchtturm-Projekte des FCH JU mit der Zielsetzung, Europäische Elektrolyse-Technologieanbieter bei der Entwicklung ihrer Produkte zu unterstützen und somit den qualitativen und kapazitätsmäßigen Anforderungen der Europäischen Industrie gerecht zu werden, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Grüner Wasserstoff, erzeugt in Elektrolyseanlagen aus Strom aus erneuerbaren Quellen, kann in unterschiedlichen Industriesektoren wie Stahlproduktion, Raffinerien, Methanol- und Ammoniakproduktion eingesetzt werden, um grüne Produkte zu erzeugen“, sagt Bart Biebuyck, Executive Director des Fuel Cell Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU). Das FCH JU stellt bis zu 12 Millionen EUR an F&E-Förderung für das Projekt zur Verfügung. Damit unterstützt die Europäische Kommission wesentlich die Umsetzung von klimaschutz-relevanten, innovativen Projekten und die Wettbewerbsfähigkeit Europäischer Player. Bart Biebuyck meint dazu abschließend: „Europa ist – dank der Unterstützung des FCH JU – Weltmarktführer in der Entwicklung und Produktion von Elektrolyseuren. Nichtsdestotrotz sind unsere globalen Mitbewerber nur wenige Jahre hinter uns. Die Inbetriebnahme des H2FUTURE Elektrolyseurs ist ein Beweis dafür, dass die Europäische Industrie gewillt ist, ihre Führungsrolle im Bereich Entwicklung und Kommerzialisierung von Elektrolyseuren beizubehalten, wie auch im Bereich der Dekarbonisierung des Industriesektors, bei gleichzeitiger Sicherung von Investitionen und Beschäftigung in Europa.“