Covid-19: Gemeinsam verändern wir die Zukunft!

Covid-19
23.03.2020

 
Die Globalisierung wie wir sie kennen kommt zum Erliegen. Es kommt nun darauf an, dass wir uns auf unsere Stärken sowie auf die Zeit danach besinnen, meint Prof. Dr. René Schmidpeter. Seine Prognose: Die Krise wird zeigen, dass unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem äußerst fragil ist und sich die Art, wie wir wirtschaften durch die Krise grundlegend verändern wird.
"Es ist die Zeit gekommen, die Zukunft gemeinsam zum Positiven zu verändern", meint der Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Betriebswirtschaftslehre René Schmidpeter.
"Es ist die Zeit gekommen, die Zukunft gemeinsam zum Positiven zu verändern", meint der Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Betriebswirtschaftslehre René Schmidpeter.

Die Wirtschaft aber auch unsere Gesellschaft ist seit vielen Jahren von Globalisierung geprägt. Haben wir uns zu schlecht auf so ein Szenario vorbereitet?

Erste Anzeichen sprechen dafür, dass der Corona-Virus in China durch Wanderarbeiter, über Niedriglohnkräfte in Norditalien und von dort über diverse Urlaubsorte - in denen noch in der Krise gefeiert wurde - über ganz Europa verteilt wurde. In allen Fällen stand oft das rein wirtschaftliche Interesse im Vordergrund, ohne die Wirkungen auf das Ganze im Blick zu haben. So wurde der kurzfristige Profit als das Maß aller Dinge angesehen, obwohl der Preis nun für alle - auch für die Unternehmen - bei weitem größer ist.

Dass Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen dort einkaufen, wo es günstig und effizient ist, kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Zudem hätte sich kein seriöser Wirtschaftswissenschaftler in den vergangenen Jahren für neuen Protektionismus oder nationalstaatliche Binnenmärkte ausgesprochen.

Wir sehen jetzt aber eindeutig, dass die rein auf Kostenreduktion fokussierten globalen Wertschöpfungsketten in Krisenzeiten schnell an ihre Grenzen stoßen. Durch rein auf Gewinnmaximierung ausgelegte Lieferketten haben wir uns in negative Abhängigkeiten begeben, deren Preis nicht ausreichend reflektiert wurde – und der jetzt offensichtlich wird. Die Anfälligkeit unseres Wirtschaftssystems wurde zudem dadurch verstärkt, dass die - seit der Finanzkrise eingeforderten - notwendigen Strukturanpassungen unserer Wirtschaft nicht erfolgt sind.

Woran denken Sie?

Durch die Niedrigzinspolitik wurde die Strukturanpassung erschwert und erhebliche Fehlanreize in der Mittelallokation der Unternehmen gesetzt. So wurden nicht existenzfähige Unternehmen und Geschäftsmodelle am Leben erhalten. Dadurch haben sich die Fragilität und Abhängigkeiten im Gesamtsystem weiter massiv erhöht. Zudem standen diese alte Strukturen und Unternehmen dem aufkommenden Purpose- und Impact-orientierten Wirtschaften im Wege. Diese Erkenntnisse zeigen: Die Transformation unserer Wirtschaft wird nun durch die aktuelle Krise zwar extrem beschleunigt, wäre aber ohnehin notwendig gewesen.

Sie glauben also, dass die Corona-Krise die Wirtschaft nachhaltiger machen wird?

Ich hoffe es! Denn es zeigt sich einmal mehr, dass das oft propagierte Gegensatz-Denken zwischen Profit und gesellschaftlichen Interessen und in diesem Fall geht es um den Schutz von Gesundheit und Leben, sowie die bedingungslose Förderung alter Strukturen, uns in diese schwierige Situation geführt haben. Daher gilt es mehr denn je, das klassische Gegensatz-Denken zwischen wirtschaftlichem Erfolg und nachhaltiger Entwicklung (SDGs) endgültig zu überwinden. Das hilft uns heute und rüstet uns für die Zukunft.

Wie stellen Sie sich diese Transformation vor?

Ich denke, dass sie im Mindset der Menschen beginnen wird. Nachhaltiges Management und verantwortungsvolles Unternehmertum wird mit dieser Krise wichtiger denn je. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass uns ausgerechnet die Corona-Krise dabei helfen muss, jene negativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen einzudämmen, die den Geist der Solidarität und Mitmenschlichkeit schon vor der Krise bedroht hatten. Denn die Krise fördert kleinräumige Strukturen, regionale Wirtschaftskreisläufe und sozialen Zusammenhalt, all das was vielerorts in Europa noch vorhanden ist, und von manchen belächelt wurde.

Welche Art von System wünschen Sie sich am Ende dieser Entwicklung?

Wir erleben derzeit alle gemeinsam die großen Veränderungen – einen Wandel, den wir positiv gestalten können. In der Geschichte hat sich gezeigt, dass man selbst in der Krise noch viel Spielraum hat, um positiv auf das Ergebnis zu wirken! Hier können wir anknüpfen und so unsere Stärken gemeinsam nutzen. Es ist nun an der Zeit, in nachhaltige Wirtschaftsstrukturen, verantwortungsvolles Entscheidungen, regionale Kreislaufwirtschaft und die gelebte Solidarität jedes Einzelnen zu investieren, dies wird am Ende auch wirtschaftlich und gesellschaftlich zum Erfolg führen. Denn neben der Corona-Krise, sind auch der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt große Herausforderungen für die Menschheit – die wir mit einem neuen Wirtschaftsdenken auch lösen werden.

Aktuell sind viele Unternehmen im Ausnahmezustand, sie versuchen die Belegschaft zu halten. Denken Sie, dass schon jetzt der Zeitpunkt da ist, um den Blick wieder nach außen zu richten?

Gerade jetzt gilt es alle Kräfte zusammen zu führen, um nachhaltige Wirtschaftsstrukturen aufzubauen und gemeinsam die positiven Impulse aus der Krise für die kommenden Transformationen zu nutzen. Aus der Krise werden viele positive Innovationen hervorgehen, und ein neues Managementparadigma des „Nachhaltigen Wirtschaftens“ entstehen. Wir können der Welt zeigen, dass am Ende das menschliche Maß und die gemeinsamen Werte zählen und dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlicher Zusammenhalt keinen Gegensatz darstellen! Lasst uns damit beginnen die Gegenwart von einer gemeinsamen positiven Zukunft aus zu denken. Es ist die Zeit gekommen, die Zukunft gemeinsam zum Positiven zu verändern, denn jeder Einzelne kann seine Stärken für den Wandel einsetzen und sich für eine positive Zukunft engagieren!