Fertig schon zu Beginn

Redaktion Die Wirtschaft
31.05.2006

Die Österreicher haben das Fertighaus wieder entdeckt – es hat mit Produkten „von der Stange“ längst nichts mehr zu tun. Von diesem Trend profitiert auch die Baubranche. Von Christian Vavra

Nach einer längeren Durststrecke haben die Anbieter von Fertigteilhäusern jüngst wieder hörbar aufgeatmet. Im Jahr 2005 konnten 5610 Fertighäuser verkauft werden – damit war etwa jedes dritte Ein- oder Zweifamilienhaus vorgefertigt. Zum Vergleich: In Deutschland waren nur rund 14 Prozent der neu errichteten Eigenheime dieser Art Fertigteilbauten.
Die Branche setzte in Österreich laut der Beratungsfirma InterConnection rund 671 Mio. Euro um – immerhin um 10 Prozent mehr als im Jahr davor. Wer darin Preissteigerungen vermutet, liegt nur teilweise richtig. Denn zum einen war auch im Vorjahr ein Trend zu teureren und höherwertigeren Modellen zu verzeichnen. Und Erich Weichselbaumer, Präsident des Österreichischen Fertighausverbandes, registrierte auch deutliche Kundenwünsche in Richtung höherer Fertigstellungsgrad (Schlüsselfertighäuser) sowie besserer Ausstattungsmerkmale. Der Verband hat 26 Mitglieder, die mit 63 Prozent fast zwei Drittel des Marktes repräsentieren.
Im Durchschnitt, so hat es InterConnection errechnet, lagen die Verkaufspreise 2005 bei 120.000 Euro pro Haus (ohne Keller bzw. Fundament). Dafür bekommen Kunden ein schlüsselfertiges Haus mit 130 Quadratmeter Wohnfläche. Für den Keller sind, je nach Ausstattung, bis zu 30.000 Euro zusätzlich zu veranschlagen.
Der Trend wird allen Prognosen zufolge weitergehen. Der Verband schätzt recht optimistisch, dass mittelfristig die Hälfte aller neuen Ein- bzw. Zweifamilienhäuser als Fertigteilbauten ausgeführt werden könnten. Der Hauptgrund für diesen Optimismus: Nach einigen Anstrengungen der Branche haben diese Häuser ihr früheres Image als „zugige Pappschachteln“ oder eher fade „Häuser von der Stange“ gründlich abgelegt. Die Einzelteile, also vor allem Wände und Decken, werden weiterhin industriell vorgefertigt, aber der Gestaltungsspielraum ist erheblich größer geworden.
So setzen nicht nur praktisch alle namhaften Hersteller, von Elk bis Griffnerhaus, inzwischen auf die Mitwirkung von Architekten bei der Planung. Ausgehend von einem bestimmten Grundriss sind darüber hinaus jetzt spezielle Wünsche der Kunden zum Beispiel bei der Raumaufteilung relativ leicht umsetzbar. Und auch der Grundriss selbst ist bei weitem nicht mehr so starr vorgegeben wie ehedem.

Individualität gewünscht
Während in früheren Jahren das Fertighaus oft fälschlich mit „Reihenhaus“, also mit uniformen, gleichförmigen Gebäuden assoziiert wurde, ist also heute durchaus eine gesunde Portion Individualität in der Gestaltung möglich. Eine eher zurückhaltende Optik scheint die meisten Kunden gar nicht zu stören, im Gegenteil: Schlichte Formen und eine reduzierte Ästhetik werden von den meisten Anbietern als neuer Trend beim Kunden vermeldet. Eher große Ausschmückungen wie Erker oder Türme werden immer weniger gefragt, Herr und Frau Österreicher legen dafür aber viel mehr Wert auf klare Linien.
Und was weiters auffällt: Immer mehr Käufer ordern ausdrücklich ein Pultdach, während früher das Satteldach Vorrang hatte. Das hat mit dem Platzbedarf zu tun: Beim Pultdach ergeben sich keine schiefen Wände, der verfügbare – und nutzbare – Raum unmittelbar unter dem Dach wird damit größer. Hand in Hand mit diesem Wunsch nach einer optimierten Raumausnutzung geht auch die Tatsache, dass die Keller vermehrt ausgebaut und als Zimmer/Raum genutzt werden.
Übrigens: Dass die „Häuslebauer“ selbst anpacken und allerlei Eigenleistungen selbst erbringen, wird zunehmend seltener, bei Fertighäusern sowieso, aber auch bei der Massivbauweise.
Deutlich in den Vordergrund gerückt ist aber das Interesse, bei den Energiekosten möglichst effizient zu sein. Die Nachfrage nach so genannten Passiv-Häusern ist im Steigen begriffen. Sie sind zwar teurer als das herkömmliche Fertigteilhaus, die Mehrkosten amortisieren sich aber durch die niedrigeren Energiekosten relativ rasch. Bei den Heizungssystemen greifen die Käufer verstärkt zu Wärmepumpen und Holzpellets-Heizungen: Rund die Hälfte der im Vorjahr verkauften Häuser war mit diesen Alternativ-Heizmethoden ausgestattet, Öl und Gas verlieren zunehmend an Bedeutung.
Ist das Fertighaus denn tatsächlich eine gute Alternative zum herkömmlichen „Stein-auf-Stein-setzen“? Sieglinde Naskau, im Fertighausverband für Public Relations verantwortlich, weiß wie aus der Pistole geschossen eine ganze Reihe von Vorteilen aufzuzählen:
Es würde fast ausschließlich heimisches Baumaterial verwendet.
Man habe stets mit einem einzigen Anbieter zu tun, man müsse also nicht verschiedenen Firmen etwa bei Beanstandungen hinterherlaufen.
Ohnehin seien Baumängel, sagt Naskau, bei Fertighäusern seltener als bei Massivbauweise. Das liege an der Fertigung der Einzelteile in wettergeschützten Hallen, aber auch daran, dass auf der Baustelle selbst wesentlich weniger Arbeitsschritte nötig seien. Dazu muss freilich fairerweise angemerkt werden: Bei Fertighäusern wird üblicherweise auf Putz und Mörtel verzichtet, bei der konventionellen Bauweise nicht.
Für das gesamte Gebäude gebe es eine Garantie, nicht bloß für einzelne Teile wie etwa die Fenster. Zusätzliche Sicherheit gebe zudem das „Gütezeichen Fertighaus“, das derzeit einzige Gütezeichen für Komplettbauwerke.

Vorteil Fixpreis und Bauzeit
Zwei echte Vorteile sind sicher nicht wegzudiskutieren. Erstens wird bei Vertragsabschluss ein Fixpreis vereinbart – und der „hält“ auch üblicherweise. Bei genauer Planung sind also kaum je unerwartete Mehrkosten zu fürchten. Und zum zweiten ist die Bauzeit unschlagbar. Für ein Einfamilienhaus sind läppische drei bis sechs Tage, bis das Haus wetterdicht auf dem Grundstück steht, die Regel. Im österreichweiten Durchschnitt vergehen vom Entschluss, ein Fertighaus zu ordern, bis zu Übersiedlung nur sechs Monate.
Noch markanter wird dieser enorme Zeitvorteil freilich bei Fertigteil-Gebäuden oder Objekten, die nicht als Ein- oder Zweifamilienhäuser ausgeführt sind – etwa bei Kommunalbauten. So wurde zum Beispiel im Jahr 2000 von der Firma Elk in Niederschrems eine Reihenhausanlage mit 13 Wohneinheiten errichtet. Baubeginn war im Juni, Fertigstellung im Oktober – des gleichen Jahres. Die Firma Brauchl Haus errichtete 1999 das Altenwohnheim in Feldbach innerhalb von fünf Monaten. Oder: Für ein viergeschossiges Bürogebäude konnte die Firma Griffner die Fertigstellung im Juli 2000 melden. Baubeginn war im Juni 2000.
Bei allem Schwelgen darf freilich eine Tatsache nicht unter den Teppich gekehrt werden. Einen echten finanziellen Vorteil – also eine günstigere Bilanz bei den Gesamtkosten – behaupten selbst die größten Verfechter der Fertig-Bauweise nicht. Schließlich lasse sich bei den jetzt viel stärker auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Lösungen auch kaum je ein wirklich exakter Vergleich ziehen, so Sieglinde Naskau. Einen markanten Preisvorteil könne man daher kaum festmachen. Der Zeitfaktor allein wirkt allerdings schon sehr bestrickend.
(6/06)

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