Energieeffizienz: Die billigste Kilowattstunde

… ist die nicht verbrauchte. Diese Botschaft hat viele Trommler, ist auch schon in einigen Unternehmen angekommen. Doch noch in bei weitem nicht genug, meint Reinhold Christian, Leiter der Umwelt Management Austria. Von Maike Seidenberger
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Martin Bartenstein hatte kein leichtes Marschgepäck, als er am 14. März zum EU-Energiesonderministerrat nach Brüssel aufbrach. Die heimischen Umweltorganisationen, vertreten durch Gerhard Heiligenbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, gaben ihm einen üppigen Wunschzettel mit. Fünf Punkte sollen eine zukunftsträchtige EU-Energiepolitik sicherstellen:
1) Ausschluss der Atomenergie als Zukunftsoption (als zu teuer und zu gefährlich für die Bevölkerung).
2) Nachhaltigkeit als Basis der EU-Energiepolitik, gesichert durch Verbrauchsminderungen, steigende Effizienz und Innovationsförderung – so sollen die CO²-Emissionen der EU verbindlich bis 2020 um 30 und bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden.
3) Klare und EU-weit einheitliche Effizienzstandards für Geräte, Autos und andere Gebrauchsgüter.
4) Stärkung erneuerbarer Energien auf einen Verbrauchsanteil von 25 Prozent bis 2020.
5) Verkehrspolitik soll in die Energiepolitik einbezogen werden – das Mobilitätsverhalten der EU-Bürger müsse sich drastisch ändern.
Abgesegnet haben die Energieminister ein Grünbuch, das unter anderem festschreibt, dass die Nationalstaaten weiterhin allein die Wahl ihrer Primärenergiestoffe bestimmen und ihren Energiemix ohne EU-Mitsprache festlegen. Natürlich gab es ein Bekenntnis zu erneuerbaren Energieträgern, Pläne für ein gemeinsames Krisenmanagement sollen ausgearbeitet werden. Die Minister verabschiedeten auch eine Energieeffizienz-Richtlinie, wonach der EU-Verbrauch in den kommenden neun Jahren um neun Prozent gesenkt werden soll.
Die Mühen der Ebene
Das ist Wasser auf die Mühlen von Reinhold Christian, Geschäftsführer der Umwelt Management Austria (UMA). Nur dass er lieber greifbare Erfolge im wirklichen Wirtschaftsleben sieht. Natürlich sagt auch er: „Wir brauchen eine Energiewende.“ Arbeitet aber auch an deren Umsetzung – etwa durch die Ausbildung vom Umweltfachleuten für heimische Unternehmen (siehe Kasten „MSc-Lehrgang Management & Umwelt“). Oder seit Ende des Vorjahrs für ein strategisches Energieeffizienzkonzept. Der Entwicklung des österreichischen Verbrauchs (siehe Tabelle „Verbrauchsänderungen“) in den letzten Jahren nach zu schließen, scheint die Mühe umsonst: Seit 1999 wächst der heimische Energiehunger jährlich im Schnitt um 2,3 Prozent – das entspricht 1.400 Gigawattstunden oder der Leistung eines Donaukraftwerks. Von Wende also keine Spur. „Der Energieverbrauch wächst in Österreich momentan schneller als die Wirtschaft – das gibt’s sonst in Europa nirgends.“
Bei der E-Wirtschaft kommt die Forderung nach Sparsamkeit nicht ganz so gut rüber – planen die Versorger doch bis 2015 neue Kraftwerke um 5,7 Milliarden Euro, darunter fünf neue Gasturbinen-Kraftwerke. Abgesehen vom Mehrverbrauch des fossilen Brennstoffs findet Christian daran nicht schlüssig: „Da weiß man nicht, wohin mit der Abwärme. Für die bräuchte man mehr Wasser zum Kühlen, als in der Mur ist.“
Verbraucher spielen noch nicht mit
Psychologisch kämpfe man auch Verbraucherseite oft noch gegen Windmühlen. Etwa gegen das scheinbar unausrottbare Vorurteil, dass Energiesparen unsexy und mit Komfortverzicht verbunden sei. Der Prozess sei aber immerhin bei Privathaushalten schon im Gange, tröstet sich Christian: „Vor 20 Jahren lag der durchschnittliche Verbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr noch bei 200 bis 300 Kilowattstunden, heute sind es im Schnitt 40 bis 60, bei Passivenergiehäusern 15 bis 20.“ Dumm nur, dass die Wohnfläche pro Einwohner auch steigt und damit der Verbrauch.
Kosten senken in der Industrie
Unternehmen lassen sich manchmal gern durch Kostenreduktionen bei sparsamerem Energie- und Materialeinsatz ködern. Es sind, meint Christian, nur bisher zu wenige, die ihre Potenziale schon realisieren. Vorreiter sind einmal mehr Firmen mit hohem Leidensdruck – energieintensive Erzeuger mit hohen Umweltauflagen. Der Kunststoffhersteller Borealis in Schwechat etwa entwickelte mit UMA-Unterstützung (die Umweltmanagerin absolvierte den Lehrgang „Management und Umwelt“) ein Konzept, wonach in einer Produktionsanlage der Energieeinsatz um 38 Prozent reduziert wurde. Ganz nebenbei reduzierte man zwischen 2000 und 2005 auch die Emissionen von flüchtigen Kohlenwasserstoffen um ein Drittel und die von CO² um ein Viertel (was auch die Emissionszertifikate-Bilanz verschönert).
(4/06)