Nachhaltigkeit
INTERVIEW STEPHAN STRZYZOWSKI
Sie engagieren sich, neben Ihrer unternehmerischen Tätigkeit, seit Kurzem als Präsident der Unternehmensplattform für CSR, respACT. Was ist Ihr Antrieb für diese Verpflichtung? Das Thema Nachhaltigkeit ist mir schon lange persönlich ein großes Anliegen. Darüber hinaus ist es als Unternehmensleiter wichtig, immer auf dem letzten Stand zu sein. Aus der Beschäftigung mit dem Thema hole ich mir viel Inspiration für die tägliche Arbeit. Auch der Austausch mit anderen Unternehmen zeigt mir neue Wege auf. Wo geht die Reise hin? Welche Benchmark möchte man erreichen?
Wie ist Ihr Bezug zu Nachhaltigkeit entstanden? Das Thema beschäftigt mich persönlich schon seit Jahrzehnten. Und als Unternehmensleiter bin ich zur Erkenntnis gelangt, dass man seinen Betrieb wesentlich vorausschauender und risikobewusster führen kann, wenn man auf Nachhaltigkeit setzt. Das beginnt bei der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, denen man einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz bieten muss, und führt bis tief in die Unternehmenskultur. Genauso wichtig ist es, Verantwortung gegenüber der Umwelt und den Anrainern zu übernehmen.
Warum scheuen viele Unternehmen noch diese Herangehensweise? Weil sie Angst vor hohen Kosten und dem Aufwand haben. Dabei lassen sich diese Faktoren sehr gut in Einklang bringen. Wenn man etwa mit Ressourcen und Abfall bewusster umgeht, lassen sich die Kosten sogar deutlich reduzieren.
Warum ist das Thema Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht so wichtig für die gesamte Wirtschaft? Ich glaube, dass Unternehmen Verantwortung für den Impact ihrer Tätigkeit tragen müssen. Der Hochbau, wo wir tätig sind, produziert weltweit 36 Prozent des Co₂-Ausstoßes. Der Verkehr liegt aktuell bei 40 Prozent. Bauen und Wohnen haben also beispielsweise einen enormen Energieverbrauch. Hier muss man ansetzen. Auch weil durch den Betrieb der Gebäude hohe Kosten für Wärme und Kühlung anfallen. Aktuell sind die Sanierungsraten viel zu niedrig, um die Klimaziele zu erreichen. Man müsste die Anstrengungen verdoppeln. Damit das klappen kann, braucht es einen wirtschaftlichen Impuls.
Es gibt Experten, die dazu raten, die enormen Mittel für Sanierungsmaßnahmen in Europa in Kompensationsprojekte im globalen Süden einzusetzen, wo mit derselben Summe mehr erreicht werden kann. Was halten Sie von dem Ansatz? Ich sehen den Freikauf über Kompensationsmaßnahmen kritisch. Unternehmer wie Konsumenten sollten die eigene Verantwortung wahrnehmen. Wir sollten uns für die Produkte interessieren, die wir kaufen. Und wir sollten uns um die Dinge kümmern, auf die wir Einfluss haben. Für mich als CEO bedeutet das etwa, zu sehen, wie ich meine Produkte in einen Kreislauf bekomme und wie ich kurze Transportdistanzen schaffe. Kompensationen halte ich dagegen nur für die zweitbeste Lösung.
Was wollen Sie als respACT-Präsident erreichen? Es gibt bereits viele engagierte Unternehmen und Beispiele, die beweisen, dass sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereinen lassen. Aber es gibt auch noch viele Betriebe, die sich nur damit befassen, wenn es gut geht: als Sahnehäubchen. Ich möchte die Unternehmen davon überzeugen, dass Nachhaltgeit kein abgenützter Begriff ist. Sondern dass sie große Möglichkeiten bieten kann, um sich langfristig positiv zu positionieren und aufzustellen. Ich suche nach neuen Kooperationen, Best-Practice-Beispielen, ich werde entsprechende Rahmenbedingungen einfordern und die Konsumenten aufklären.
Was braucht es, damit das Thema den Stellenwert bekommt, den es verdient? Die Freitagsdemos zeigen uns, dass die nächste Generation das Thema sehr ernst nimmt. Ich glaube, dass gerade in der Gesellschaft ein Stück Bewusstsein heranwächst. Die jungen Menschen wollen die Welt für die nächsten Generationen erhalten, und dafür braucht es konkrete Maßnahmen und ein Umdenken, wie wir wirtschaften und arbeiten.
„Ich glaube, dass Unternehmen Verantwortung für den Impact ihrer Tätigkeit tragen müssen.“
Was kann die Politik dazu beitragen? Auf der einen Seite sieht die Wirtschaft die Gefahr von Gold Plating. Natürlich wollen Unternehmen hier nicht noch höhere Standards als die Nachbarländer erfüllen müssen. Zudem brauchen wir eine Industrie in Europa, die unsere Produkte selber produzieren kann. Hier muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen für Sanierungsraten und Kreislaufwirtschaft setzen. Damit das klappt, darf sie die Wirtschaft nicht als Opposition sehen, sondern als Partner. Ich glaube nicht, dass es ein Gegeneinander sein muss. Wir sollten lieber gemeinsam mehr tun. Vor allem, weil es viele Maßnahmen gibt, die man kurzfristig und günstig umsetzen könnte. Wenn wir das tun, was jetzt Sinn macht, haben wir viel zu tun.
Die ganzen Fakten rund um den Klimawandel sind ja schon lange bekannt. Warum passiert, gemessen an dem, was uns erwartet, noch so wenig? Ich glaube, dass es keine einfachen Antworten gibt. Man muss ins Detail gehen und sich mit den unterschiedlichen Aspekten auseinandersetzen. Wenn man Regelungen schafft, unterstützt man schnell eine Gruppe, schadet aber vielleicht einer anderen. Deswegen engagiere ich mich auch bei respACT, weil da Unternehmen der Politik selbst Wege aufzeigen – und nicht umgekehrt. Ein wirkungsvoller Ansatz sind schon jetzt die SDGs, die von 193 Staaten unterschieben worden sind. Die Ziele sind konkret, man kann sie runterbrechen: für das Land, die Kommune, das Unternehmen.