Alle Aspekte sind wichtig
Welche Herausforderungen beschäftigen KMU gerade am meisten rund um das Thema Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist ein riesiges Thema. Es umfasst alle Aspekte für ein langfristig umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaften. Ist die Versorgung mit erneuerbarer Energie wichtiger als Nachhaltigkeitsschulungen für die Mitarbeitenden? Ist die Umstellung auf regionale Lieferanten und Bioprodukte das Gebot der Stunde? Oder sollen wir den Fuhrpark auf E-Autos umstellen und den Mitarbeitenden E-Bikes für den Arbeitsweg zur Verfügung stellen? Brauchen wir vielleicht flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle? Alle Aspekte sind letztendlich wichtig. Aber klar ist auch, kleine und mittlere Unternehmen können nicht alle Fragen gleichzeitig beantworten. Die Herausforderung ist also, den für ihr Geschäft relevanten Hebel zu finden und genau dort gezielt strategisch anzusetzen. Wir empfehlen dafür, am Kerngeschäft anzuknüpfen und jene Themen zu priorisieren, welche die größten Auswirkungen – gesellschaftlich, ökologisch und auch wirtschaftlich – auf das Umfeld des Betriebes haben.
Woher kommt der größte Druck, sich mit dem Thema zu befassen?
Der Druck ist insgesamt vielfältig. Natürlich zum einen seitens der EU bzw. der Mitgliedsstaaten und der verabschiedeten Ziele mit dazugehörigen Gesetzen und Verordnungen, die es zu erreichen gilt. Denken Sie etwa an die CO2-Bepreisung, oder die Kreislaufwirtschaftsstrategie. Aber auch immer mehr seitens der Kund:innen, die klare und unabhängige Nachhaltigkeitskennzeichnungen verlangen. Teilweise steckt da auch Wettbewerbsdruck dahinter. Es gibt immer mehr Unternehmen, die in allen Bereichen auf Nachhaltigkeit achten. Beispielsweise in Lieferketten. Da fällt ein Unternehmen, dass dies nicht in Vision, Mission und Strategie eingebunden hat, von vornherein als potenzieller Kooperationspartner raus. Nicht zuletzt wird der Druck spürbar, wenn es um die Suche nach Mitarbeitenden geht. Junge, qualifizierte Menschen wollen mitgestalten und suchen sich ihre Arbeitgeber immer mehr danach aus, ob ein Unternehmen Werte vertritt, die mit dem eigenen Weltbild zusammenpassen und auch wirklich im Arbeitsalltag gelebt werden.
Reicht es noch, einfach nachhaltig zu agieren, oder spielt die Dokumentation bereits eine genauso große Rolle?
Natürlich ist das primäre Ziel vor allem das nachhaltige Agieren im Kerngeschäft. Das ist das, was wirklich viel bewirkt. Aber wenn es nicht dokumentiert wird, dann verpassen KMU einfach eine Chance in der eigenen Darstellung. Was nicht bewusst dokumentiert und nach außen getragen wird, kann bei den Kund:innen nur zufällig sichtbar werden. Zusätzlich können auch noch Auszeichnungen angestrebt werden, dann ist hier auch eine gewisse Qualitätssicherung dahinter. Aber eigentlich sollte die Frage sein, ob auch dokumentiert wird und ob alle Chancen genutzt werden oder nicht. Natürlich steht es hier anders bezüglich derer, die nur dokumentieren und wenig tun. Da gehen wir dann in Richtung Greenwashing. Und das ist schlichtweg eine Täuschung von Kund:innen. Also: Tun = unbedingte Notwendigkeit. Dokumentieren = das Pünktchen auf dem I.
Welchem Missverständnis begegnen Sie in der Beratung von Unternehmen oft?
Es ist hier ähnlich wie im individuellen Bereich, wenn die Themen Klima, Nachhaltigkeit oder Beteiligung angesprochen werden. Also Themen, die Veränderung erfordern. Denn damit einher geht ja auch indirekt die Aussage, dass ich es bisher noch nicht optimal gemacht habe. Und natürlich bedeutet jede Veränderung auch, aus der eigenen Komfortzone hinauszugehen und ein Stück Sicherheit aufzugeben, für kurze Zeit das Risiko zu erhöhen, einfach weil man sich in unbekannten Gefilden bewegt. Die Reaktionen reichen von Begeisterung und Aktionismus bis hin zur Ohnmacht. Hier einige Beispiele.
1. „Aber bevor ich da was erreichen kann, muss doch erstmals…die Großindustrie, die Politik, andere Länder…“. Eine verständliche Reaktion auf die weltweite Lage. Aber eben keine lösungsfokussierte Herangehensweise. Denn sie verunmöglicht uns das Handeln und vor allem überträgt sie Verantwortung ein Stück weit an ein unbekanntes „Äußeres“ und raubt mir damit ein Stück meiner Kontrolle über mein Unternehmen.
2. „Für so einen großen Change haben wir keine Ressourcen“. Ebenfalls verständlich als Reaktion, allerdings oftmals nicht zutreffend. Viele Unternehmen haben schon einiges vorzuweisen, ohne dass es ihnen bewusst ist. Daher ist es in jedem Fall interessant, erstmal zu erheben, was es schon gibt. Das ist in den meisten Fällen gar nicht so wenig. Häufig kann auch auf Dingen aufgebaut werden, die im Rahmen anderer Schwerpunkte bereits umgesetzt und etabliert wurden. Beispielsweise Steuergruppen und Projektgruppen rund um das Thema betriebliche Gesundheitsförderung. Und meistens ist in den Unternehmen viel mehr Kompetenz und Motivation bei einzelnen Unternehmensmitgliedern vorhanden als bekannt ist. Zudem gilt bei jeder Veränderung: Schritt für Schritt. Es ist ein Entwicklungsprozess, der Zeit benötigt. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber jeder Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es geht ja nicht darum, sofort das gesamte Unternehmen zu ändern. Sondern es geht darum, den eigenen Weg zu finden, als Unternehmen mit dem Thema authentisch umzugehen. Sich Ziele zu setzen und voranzugehen, um diese zu erreichen.
3. „In unserer Branche geht das einfach nicht“. Auch das ist verständlich. Denn natürlich ist es das Endziel, das Kerngeschäft nachhaltig zu gestalten. Aber auf dem Weg dahin kann so vieles umgesetzt werden. Ein papierloses Office, regionale Produkte, erneuerbare Energien, nachhaltig produziertes Büromaterial, CO2-Ausgleich, mehr Steigen steigen. Im Detail steckt der Weg zum Erfolg. Und Wege entstehen bekanntlich im Gehen.
Ein häufiger Stolperstein?
Es werden oft nur die kurzfristigen Kosten für den Umstieg auf ökologisch und sozial verantwortungsvolle Betriebsabläufe gesehen, nicht aber die sich daraus ergebenden Chancen. Auch schreckt viele ab, dass es am Beginn ein aufwändiger Prozess ist. Dabei wird oft nicht erkannt, dass durch nachhaltige Initiativen auf lange Sicht viel Geld eingespart werden kann und angesichts des Zustands unseres Planeten nur so der langfristige Erfolg des Unternehmens gesichert werden kann. So gesehen wird Nachhaltigkeit nämlich zu einem Investitionsprogramm mit sozialer, ökologischer und ökonomischer Rendite. Und wir wissen mittlerweile aus zahlreichen Studien, dass Nichtstun im Klimaschutz am Ende noch um vieles teurer kommt.
Wann klappt das Engagement, wann verläuft es im Sand?
Am meisten Erfolgschancen hat das Engagement dort, wo die Geschäftsleitung sich das Thema zu eigen macht. Dann ist es am leichtesten, Raum zu schaffen für Neues und Ressourcen aufzustellen, damit es umgesetzt werden kann. Dafür braucht es wie in einem klassischen Projekt idealerweise eine entsprechende Struktur und Reflexionsräume sowie Austausch und Vernetzung. Dort, wo nur eine Person ohne Entscheidungskompetenz hinter dem Thema steht, wird es schwer, das Thema auf strategische Ebene zu bringen. Und das ist der Dreh- und Angelpunkt. Alles, was strategisch eingebunden ist, hat eine ungleich größere Chance, dass es langfristig im Unternehmen zu einer Selbstverständlichkeit wird. Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Menschen im Unternehmen in den Veränderungsprozess einbezogen werden. Es ist ein Missverständnis, dass die Unternehmensleitung alles vorgeben muss. Es ist schon wichtig, dass sich die Führung eindeutig positioniert und kommuniziert. Aber es geht nicht um reine Verordnung von oben, das wird nicht funktionieren. Ein aus der Mitte des Unternehmens getragener Prozess ist motivierend und entwickelt eine schöne Dynamik. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann etwas zum nachhaltigen Erfolg beitragen und fühlt sich so dem Unternehmen verbunden.