Wirtschaftliche Zombis erkennen

Insolvenz
09.03.2022

 
Aufgrund der Staatshilfen ist die Zahl von Betrieben, die nicht überlebensfähig sind, besonders hoch. Woran man solche Zombis erkennt, erklärt Acredia-Vorstand Michael Kolb.
Zombie

Die Insolvenzzahlen sind trotz Krise extrem niedrig. Woran liegt das und muss man sich auf ein dickes Ende gefasst machen?

Zum einen war Geld in den letzten Jahren sehr günstig. Zum anderen gab es umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen während der Pandemie. Sogenannte Zombie-Unternehmen, das sind die Unternehmen, die in einem normalen ökonomischen Umfeld eigentlich insolvent wären, konnten sich dadurch sehr gut über Wasser halten. Das Thema Zombie-Firmen ist deswegen so brisant, weil schwache Unternehmen ohne nachhaltiges Geschäftsmodell überleben. Das führt zu Überkapazitäten und Preisdruck, die Produktivität nimmt ab. Zombie-Firmen machen den gesunden Unternehmen das Leben schwer, weil sie Kapital an sich binden, das den gesunden fehlt und das bei ihnen besser investiert wäre. Zombies bremsen damit das gesamtwirtschaftliche Wachstum und laden die Kreditportfolios der Banken und Kreditversicherer mit explosiven Risiken auf. Nun fällt Ende März der Großteil der Staatshilfen weg, die Inflation steigt und Zinserhöhungen stehen im Raum. Dann könnte sich die Spreu vom Weizen trennen.

Welche Unternehmen bzw. Branchen sind besonders gefährdet, nach dem Auslaufen der staatlichen Unterstützungen wirtschaftlich abzustürzen?

Wir haben letztes Jahr gemeinsam mit Euler Hermes die Insolvenzgefahr von KMU in Deutschland, Großbritannien und Frankreich analysiert. Das Ergebnis war, dass in diesen drei Ländern zwischen 7 und 15 Prozent der KMU in den nächsten vier Jahren von einer Insolvenz bedroht sind. Dabei scheinen die Automobilindustrie, der Fahrzeugbau, der Dienstleistungssektor, der Einzelhandel, das Baugewerbe und der Energiesektor am stärksten betroffen zu sein. Das wird in Österreich ähnlich sein.

Michael Kolb
"Zombie-Unternehmen sind die Unternehmen, die in einem normalen ökonomischen Umfeld eigentlich insolvent wären", erklärt Michael Kolb, Vorstand von Acredia.

Welche Folgen hat das für die gesamte Wirtschaft? 

Die Zahl der Insolvenzen sollte sich wieder auf ein natürliches Niveau wie vor der Pandemie einpendeln. Damit wird der Markt von unrentablen und ineffizienten Unternehmen bereinigt. Gesunde Betriebe können sich dann besser und schneller entwickeln.

Woran erkennen Betriebe, dass sie selbst gefährdet sind? Woran erkennen sie, dass Lieferanten und Kunden Zombieunternehmen sind?

Zombie-Unternehmen sind Betriebe, die seit mindestens 10 Jahren bestehen und in 3 aufeinanderfolgenden Jahren, ihre Zinsen nicht aus dem operativen Einkommen bezahlen können. Die machen da ein Loch auf, um dort ein anderes Loch zu stopfen. Außerdem ist ihre Eigenkapitaldecke meist dünn. Die wenigsten Unternehmen verfügen jedoch über die notwendigen Daten, anhand derer sie Zombies rechtzeitig erkennen können. Denn wenn Zahlungen bereits stocken oder gar ausfallen, dann ist es zu spät. Dafür gibt es Acredia, wir sind die Profis, wenn es darum geht, Zombies frühzeitig zu erkennen. Wir analysieren Bilanzen, arbeiten mit Auskunfteien und Banken zusammen, holen Selbsteinkünfte ein und beleuchten Branchen. Vor allem haben wir ein Frühwarnsystem, indem wir über gemeldete Zahlungsausfälle informiert sind.

Wie geht man richtig damit um, wenn man solche Betriebe unter seinen Partnern erkennt?

Man kann Unternehmen von uns prüfen lassen. Dann weiß man noch vor dem Abschluss des Geschäfts, ob man auf Rechnung liefern kann oder vielleicht doch eine Vorauszahlung vereinbaren soll. Eine Vorauszahlung zu verlangen, ist vielen Unternehmern gerade bei langjährigen Geschäftsbeziehungen unangenehm. Da kann man sich dann einfach darauf ausreden, dass die Kreditversicherung die Deckung für eine Lieferung auf Rechnung ablehnt.

Oft ziehen Insolvenzen weitere Insolvenzen nach sich. Wie können sich Betriebe schützen?

Die Insolvenz eines Abnehmers wirkt sich in zweierlei Hinsicht aus: Einerseits durch den Wegfall eines Abnehmers und damit Verlust von Umsatz. Andererseits durch Ausfall von Forderungen für bereits gelieferte Waren oder erbrachte Leistungen. Gegen Letzteres kann man sich absichern, und zwar dadurch, dass man Unternehmen vor Geschäftsabschluss prüfen lässt, Bonitätszertifikate verlangt bzw. Geschäfte mit einer Kreditversicherung absichert. Maschinen und Büros werden ja auch feuerversichert, obwohl das Risiko geringer ist als für Forderungsausfälle. Unternehmen können aber auch die eigene Bonität prüfen lassen. Mit so einem Bonitätszertifikat zeigt man den Geschäftspartnern: „Mein Unternehmen ist kein Zombie.“