Verdiente zweite Chance

Kreislaufwirtschaft
08.06.2022

 
Die Kreislaufwirtschaft ist ein viel beschworenes Schlagwort. Besonders Smartphones werden oftmals im Jahresrhythmus neu gekauft. Dass man sie auch reparieren und wiederaufbereiten kann, macht sich das österreichische Start-up refurbed zu nutze.
refurbed aufmacher

Zweimal im Jahr geht es rund auf dem Smartphone-Markt. Dann werden die neuen Modelle der großen Anbieter vorgestellt. Es gibt Verbesserungen und die Optik ist eine leicht andere, aber nicht immer bedeutet das den großen Sprung nach vorne. Apple, Samsung, Xiaomi und Co. wollen natürlich dadurch ihr Geschäft vorantreiben. Doch wie viele Menschen brauchen wirklich jedes Jahr ein neues Mobiltelefon um 1.000 Euro aufwärts? Die wenigsten werden das mit einem klaren „Ja, ich“ beantworten können, da die Speicherplätze der meisten Handys nach so einer kurzen Zeit nicht ausgereizt sind und man bei Knappheit diesen durch SD-Karten erweitern kann. Ein Problem bei einer solchen Rotation ist zum einen der dadurch entstehende Elektroschrott und der Abbau von Ressourcen für die Akkus. „Lithium ist das leichteste Metall auf der Erde und zählt zu den nicht nachwachsenden Rohstoffen. Es kommt zwar häufig vor, allerdings nur in sehr niedrigen Konzentrationen“, schreibt etwa die Umweltschutzorganisation Global 2000. Genau dieses Lithium wird für die notwendige Power unserer Smartphones und Notebooks in großen Mengen benötigt. Ein häufiges Vorkommen bedeutet nicht, dass es so für immer bleiben wird und deshalb braucht es neue Ansätze und Ideen, wie man Elektrogeräte aus der Ecke der Wegwerfprodukte herausholt. Eine Zweitverwertung bietet sich hier an, denn mit etwas Überarbeitung können Telefone problemlos wieder auf ein „Beinahe-wie-neu-niveau“ zurückgeholt werden.

Ein Kreislauf des Elektrolebens
Eine erweiterte Kreislaufwirtschaft wird auch dahingehend notwendig sein, um einige der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zu erreichen. Österreich ist im Jahr 2021 nur zu 9,1 Prozent zirkulär, wie aus dem Circularity Gap Report zu erfahren ist. Was bedeutet, dass noch viel Zirkulationsluft nach oben frei bleibt, die gefüllt werden sollte. Das Wiederverwerten von Materialien kann kleinen Unternehmen genau so helfen wie großen Konzernen, denn die Einfuhr von Rohstoffen kann sehr teuer sein. Materialien in Gebrauch halten, solange die Qualität nicht drunter leidet und Produkte wiederverwenden: So muss die Zukunft aussehen. Ein österreichisches Unternehmen machte genau diese Forderung zu ihrem Geschäftsmodell. Das Start-up Refurbed wurde 2017 von Peter Windischhofer, Kilian Kaminski und Jürgen Riedl in Wien gegründet. Neben Smartphones, Tablets und Laptops verkauft das Unternehmen heute auch noch auch Kameras, Fernseher oder Audio-Equipment. Alle Produkte waren bereits zuvor in Verwendung und finden bei refurbed einen Zweitbesitzer. „Begonnen hat alles, als ich mir auf einer österreichischen Plattform für Gebrauchtprodukte ein Handy gekauft habe, das leider schnell kaputtging. Daher habe ich mich auf die Suche nach Konsum-Alternativen gemacht“, sagt Peter Windischhofer im Gespräch mit die wirtschaft. Windischhofer stieß bei seiner Recherche auf refurbished Produkte in den USA. Also auf Produkte, die schon mal in Verwendung waren, aber durch eine Rundumerneuerung in einen neuwertigen Zustand versetzt wurden und dann erneut den Weg zu den Konsument:innen fand. „Das war der Startschuss für die Idee“, so Windischhofer. Die Begeisterung für die Kreislaufwirtschaft bei den drei Studienkollegen war von Beginn an gegeben. Das Ziel des neugegründeten Start-ups war es, den Impact auf die Natur gering zu halten und die Konsumkultur nachhaltig zu verändern. „Das geht vom Energieverbrauch über den CO₂-Ausstoß bis zum Wasserverbrauch. Bei den Fashion-Produkten auf unserer Website, die vor kurzem dazugekommen sind, weisen wir zum Beispiel für jedes Produkt diesen Impact in Zahlen aus“, sagt Windischhofer.

Aus alt mach neu
Auf der refurbed-Homepage ist zu lesen, dass die angebotenen Geräte eine bessere Alternative zu Neu- und Gebrauchtprodukten darstellen. Doch wie kann ein Produkt, das bereits in Verwendung war, besser sein als eines, das neu aus der Fabrik kommt? „Zum einen sind unsere Produkte refurbished, also von Spezialisten generalüberholt, sodass sie aus technischer Sicht "neu" sind. Aus diesem Grund erhalten unsere Kund:innen auch mindestens 1 Jahr Garantie und können das Gerät 30 Tage lang entspannt testen – ähnlich wie beim Kauf von neuen Produkten“, so Windischhofer. Zum anderen haben refurbisehd Produkte auch den Vorteil, dass sie eine deutlich bessere Umweltbilanz aufweisen, als es ein Neuprodukt tut. Refurbed verspricht nicht nur, dass die bei ihnen gekauften Geräte bis zu 40 Prozent weniger als am Beginn ihres ersten Lebens kosten, sondern dass man mit einem generalüberholten Produkt auch 70 Prozent CO₂-Emissionen im Vergleich zu Neugeräten spart. Um die Emissionsersparnis auf eine Reduktion von 100 Prozent zu bekommen, arbeitet refurbed mit der NGO Eden Reforestation Projects aus Kalifornien zusammen. Für jedes gekaufte Produkt wird nämlich ein neuer Baum gepflanzt. „So sorgen die Eden Reforestation Projects beispielsweise Afrika, Indonesien, Haiti, Zentralamerika und Brasilien dafür, dass Pflanzungen und Aufforstungen in gefährdeten Gebieten den Menschen auch Arbeitsplätze bringen und sämtliche Maßnahmen mit Siedlungen und Kommunen vor Ort abgestimmt sind, damit wir neben dem positiven ökologischen Impact auch einen greifbaren sozialen Impact erzielen können“, so Windischhofer. Weiters arbeitet das Unternehmen mit dem Jane Goodall Institute in Wien zusammen, dass Primaten erforscht und in zahlreichen Ländern in Afrikas den Urwald aufforstet. „Jeder Baum, den wir dort finanzieren, ist nicht nur eine Investition in die Rettung des Klimas, sondern auch in die Rettung bedrohter Tierarten“, meint Windischhofer. Laut Angaben von refurbed sind es mittlerweile 1,2 Millionen Bäume, die durch die Verkäufe neu gepflanzt wurden.

die drei Gründer
Bringen gebrauchte Elektronik-Geräte in einen Kreislauf: Die drei Gründer von refurbed, Jürgen Riedl, Kilian ­Kaminski und ­Peter ­Windischhofer (v.l.)

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Seit einiger Zeit wird auf der refurbed-Seite auch Mode angeboten. Diese ist allerdings im Vergleich zu den Elektronikgeräten komplett neu. Hier wird allerdings darauf Wert gelegt, dass die Bekleidung zu mindestens 50 Prozent aus recycelten Stoffen produziert wird. „Außerdem schauen wir uns die Produktionsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette an, nicht nur nach ökologischen, sondern auch nach sozialen Standards“, sagt Windischhofer. Insgesamt sieht Windischhofer die Kreislaufwirtschaft auf dem Vormarsch und glaubt, dass die Menschen sich zukünftig noch nachhaltiger leben wollen. „Daher ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die neuen Formen der Kreislaufwirtschaft in den Köpfen der Menschen etabliert haben.“ Weltweit waren es im Jahr 2021 57,4 Millionen Tonnen an Elektroschrott, die erwartet wurden. Dass das die Konsument:innen nicht kalt lässt merkt man auch bei refurbed. Kauften im Jahr 2017 30 Prozent ein Gerät auf der Homepage, die an der Nachhaltigkeit interessiert waren, so sind es 2021 50 Prozent gewesen. Das ergaben interne Analysen, wie betont wird.  Es müssen allerdings die passenden politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Kreislaufwirtschaft noch weiter anzukurbeln. „Auf politischer Ebene geht es darum, die Gesetze zu ändern, wie das zum Beispiel vor kurzem mit der Einführung des Reparatur-Bonus geschehen ist. Außerdem sind wir von refurbed auch Teil eines Experten-Konsortiums zum Thema Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union und setzen uns auf EU-Ebene sehr stark für das Thema „right to repair“ ein“ so Windischhofer. Welches Potenzial in dem Thema steckt, lässt sich an der Entwicklung von refurbed erahnen. Das Unternehmen ist mittlerweile in 35 Ländern aktiv und hat 230 Mitarbeiter:innen. Das nächste, große Ziel? „DER europäische Online-Marktplatz für nachhaltige Produkte zu werden“, erklärt Windischhofer.