4-Tage Woche: Was dafür spricht, was dagegen

Personal
11.01.2023

 
Einige Unternehmen haben bereits Pilotversuche gestartet oder sogar ganz auf die 4-Tage-Woche umgestellt. Martin Mayer, Managing-Partner der Iventa-Gruppe, steht diesem Thema skeptisch gegenüber. In einem Gastkommentar erläutert er seine Kritikpunkte.
4 Tage Woche

Viele Menschen wünschen sich eine Arbeitszeit rund um 30–32 Stunden in der Woche. Diese Tendenz kann man schon seit einigen Jahren beobachten, doch hat sich dieser Wunsch mit dem Berufseinstieg der Generation Z in einer konkreten Forderung manifestiert. Die Gründe liegen einerseits in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Sinne der Gleichberechtigung hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, das sich auch in der Forderung nach einer stärkeren Gleichberechtigung in der Kindererziehung ausdrückt. So ist der familiäre Kompromiss oftmals eine Aufteilung in eine jeweils 30-Stunden-Woche beider Elternteile. Durch die Umstellung unseres Ausbildungssystems auf das Bologna-System haben wir eine weitere Situation, die den Wunsch nach einer 30-Stunden-Woche hervorruft. Viele Studierende schließen das Bachelorstudium ab und steigen danach ins Berufsleben ein. Die Masterprogramme studieren zahlreiche berufsbegleitend mit reduzierter Arbeitszeit. Wir erleben das selbst im Unternehmen sehr stark. Nach dem Abschluss des Masterstudiums bleibt der Wunsch nach der verkürzten Arbeitszeit oft bestehen.

Was man unter einer 4-Tage-Woche versteht

Es gibt hier zwei Ansätze. Entweder wird die Regelarbeitszeit (meist 38,5 bis 40 Stunden in der Woche) auf 4 Tage aufgeteilt, oder es geht um eine Arbeitszeitverkürzung auf 30–32 Stunden in der Woche.

Den ersten Ansatz betrachte ich sehr skeptisch und arbeitsökonomisch bzw. arbeitspsychologisch als nicht sehr sinnvoll. Ich habe große Zweifel daran, dass es ein großer Fortschritt ist, Menschen 3 Tage Freizeit zu geben und dafür aber 4 Tage einer zehnstündigen Arbeitsbelastung auszusetzen. In Ausnahmen sind 10 Stunden Arbeitszeit am Tag möglich, aber als Regelsystem ist es langfristig ungesund.

Meiner Meinung nach wird in der Diskussion der 4-Tage-Woche nicht sehr offen diskutiert. Während der/die Arbeitgeber/in oft unter der 4-Tage-Woche den ersten Ansatz (40 Stunden in 4 Tagen) versteht, spricht der/die Arbeitnehmer/in von einer Arbeitszeitverkürzung (32 Stunden in 4 Tagen).

Die eigentliche Diskussion sollte die Arbeitszeitverkürzung sein. Aus individueller Sicht verstehe ich den Wunsch nach einer 30–35-Stunden-Woche, allerdings vermisse ich in diesen Diskussionen die ganzheitliche und gesamtwirtschaftliche Sicht.

Der Arbeitskräftemangel verschärft sich

In Zeiten wie diesen, in welchen es einen Arbeitskräftemangel gibt, würde sich dieser noch mehr verschärfen, wenn ein großer Teil der Menschen weniger Stunden leistet. D. h. wenn ich sowieso schon eine Unterbesetzung in Teams habe, dann führt das in aller Regel noch mal zu einer Überforderung bei den bestehenden Mitarbeitenden. Diese brennen noch schneller aus und kündigen noch schneller die Jobs. Der Bereich, in dem das momentan stark zu beobachten ist, ist das Gesundheitssystem.
Arbeitszeitverkürzung muss immer mit einem Produktivitätsfortschritt verbunden sein – d. h. mit einer Effizienz-Steigerung. Das funktioniert in gewissen Branchen, aber bei personenbezogenen Dienstleistungen, aus meiner Sicht – nicht. Die 4-Tage-Woche ist kein geeignetes Modell für Branchen wie die Pflege oder Gastronomie.

Martin Mayer, Managing-Partner der Iventa-Gruppe, steht der 4-Tage-Woche skeptisch gegenüber.
Martin Mayer, Managing-Partner der Iventa-Gruppe, steht der 4-Tage-Woche skeptisch gegenüber.

Der Druck steigt

In aller Regel wird die Forderung einer 4-Tage-Woche mit gleichem Verdienst erhoben. Das ergibt eine Verschärfung des Kostendrucks auf Unternehmen. In einem Hochpreis- und Hochkostenland wie Österreich sehe ich das problematisch, noch dazu mit der aktuellen Wirtschaftslage, in der wir auf eine weltweite Rezession zusteuern.

Die Kernfrage lautet: Kann das Unternehmen eine 4-Tage-Woche leben? Das würde bedeuten, dass das Unternehmen ohne Probleme 20 % Effektivität steigern kann, wenn man denselben Output generieren möchte. Ich glaube nicht daran, dass in einem Markt, der wie der österreichische im Wettbewerb steht, solche Produktivitätssteigerungen für viele Unternehmen möglich sind. Es mag aber einzelne Branchen geben, in denen auch die Zahlungsbereitschaft des Kunden so hoch ist, dass Unternehmern bei Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich in der Lage sind, die Kosten auf den Kunden abzuwälzen. In dem Moment, in dem man auf dem internationalen Markt/Konnex ist, glaube ich nicht, dass es funktioniert. Zudem ist eine Produktivitätssteigerung in einigen Branchen nicht sehr gut messbar.

Produktivitätsverlust oder Wohlstandsverlust?

Ich glaube, es ist eine gefährliche Diskussion. Wenn die 4-Tage-Woche gesamtwirtschaftlich eingeführt wird, müssen wir in Wahrheit mit 10–15 % Produktivitätsverlust oder einem Wohlstandsverlust rechnen, da die Gehälter in diesem Ausmaß gekürzt werden müssen. In Österreich gibt es einen hohen Prozentsatz von Menschen, die mit ihrem Erwerbseinkommen am Existenzminimum sind. Diese würden aufgrund einer Stundenreduktion in eine prekäre finanzielle Situation geraten.

Aus einer individualistischen Perspektive klingt eine 4-Tage-Woche oft fein, aber aus Sicht einer Makroebene stehe ich dem Konzept kritisch gegenüber. Was für den/die Einzelne/n gut ist, muss nicht für das Gesamte gut sein. Momentan erleben wir einen Zeitgeist, in dem das Wohlfühlen des/der Einzelnen als höchstes Gut dargestellt wird, und das halte ich generell für eine schwierige Positionierung. Wir müssen vielmehr auch wieder kollektivistisch und nicht nur an die individuelle Bedürfnismaximierung des/der Einzelnen denken.

Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt

Wahrscheinlich ist in 50 % der Jobs aufgrund der Versorgungssicherheit die 4-Tage-Woche nicht möglich ist, da es einfach zu wenig Arbeitskräfte gibt. Wenn gewisse Branchen die 4-Tage-Woche einführen, führt das zu einem gewissen Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt und dazu, dass verschiedene Jobs höher bewertet werden als andere. Stattdessen sollten die ganzen systemerhaltenden Jobs, von Kindergärtner/in und Pfleger/in bis hin zum/zur Straßenkehrer/in, aufgewertet werden. In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig diese sind! Diese Jobs werden leider immer abqualifiziert. In diesen Berufen wird eine 4-Tage-Woche mit einer Stundenreduktion nicht möglich sein, da es in diesem Sektor ohnehin schon zu wenige Personen gibt.

Es geht um Work-Life-Balance

Hinter dem Thema 4-Tage-Woche steht immer eine Work-Life-Balance-Diskussion. Ich glaube, hier gibt es oft ein großes Missverständnis. Der moderne Zugang wäre, Work und Life viel mehr integrativ zu betrachten. Durch das Thema Digitalisierung verschwimmen diese Bereiche immer mehr und es geht eigentlich darum, die Kombination aus Work und Life zu perfektionieren. Eine 4-Tage-Woche produziert für mich genau das Gegenteil. Es geht um eine extreme Separierung. Vier Tage auf Hochdruck arbeiten und drei Tage das Leben genießen: das geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Die Welt geht in eine andere Richtung, eigentlich in eine ständige Verfügbarkeit von Informationen. Der Mensch erwartet in seinem Konsumverhalten jederzeit sofortige Reaktionen. Das ist allerdings genau das Gegenteil von dem, was die 4-Tage-Woche suggeriert.

Die Gegenantwort wäre, die Arbeit noch mehr zu flexibilisieren und nicht zu verkürzen. Mitarbeitende sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeit so flexibel zu gestalten, dass es egal ist, ob die 40 Stunden in vier, fünf, sechs oder sieben Tagen abgewickelt werden oder ob es in der Früh, am Abend oder in der Nacht passiert. Das versteht sich immer in einer gewissen Abhängigkeit von der Tätigkeit. Ich bin Veränderung nicht abgeneigt, auch die Arbeitswelt verändert sich, aber ich glaube trotzdem, dass sich ein Arbeitszeitmodell von 40 Stunden in der Woche seit vielen Jahrzehnten als Erfolgsmodell bewährt hat. Dieses jetzt zu verlassen und die Stundenanzahl zu reduzieren, finde ich unter den oben genannten Parametern sehr gefährlich.