Miese Bewertung, sinkende Nachfrage

Konfliktmanagement
15.03.2023

 
Die Sozialen Medien haben die Möglichkeiten, seinem Ärger Luft zu machen, erhöht und beschleunigt. Mit fatalen Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen. Doch solche Situationen lassen sich vermeiden.
Bewertung

Joachim Llambi ärgerte sich sehr über sein Hotel. So sehr, dass der Juror der TV-Tanzshow „Let´s Dance“ seinen Unmut über Instagram mit seinen über 90.000 Followern teilte. Sein Fazit war: „Was für ein schlechtes Hotel! … Nicht mal 2 Sterne wert, absolut meiden“. Was war passiert?

Schon die Ankunft im Hotel lief schief. Beim Check-in wusste die linke Hand nicht, was die rechte tat. Außerdem dauerte dieser 20 Minuten. Im Zimmer angekommen, der nächste schlechte Eindruck: „sehr klein, Dusche funktioniert teilweise nicht“. Als er am Morgen mit Gepäckstücken den Lift benutzen wollte, war dieser defekt. Also lief er die 5 Stockwerke zu Fuß durch ein dreckiges Treppenhaus. Unten angekommen stellte er fest, dass es das Frühstück erst später gab. Da ist ihm der Kragen geplatzt und er teilte seine Erlebnisse am 17.12.2022 in einem Posting auf Instagram.

Unzufriedenheit hat eine lange Tradition

Kundenbeschwerden gibt es schon immer, nicht erst seit den neuen Medien. Beispielsweise stammt die die älteste Kundenbeschwerde der Welt aus dem Jahr 1.750 vor Christus. Mittels einer Tontafel beschwerte sich in Mesopotamien ein Mann namens Nanni bei seinem Händler. Er hätte ihm Kupferbarren von schlechter Qualität geliefert, weshalb er sie in Zukunft auswählen würde. Gleichzeitig prangerte er die verspürte „Verachtung“ gegenüber ihm selbst und seinen Mitarbeitern an. Bereits damals zeigte sich, dass ein Faktor eine enorme Auswirkung auf das Kundenempfinden hat: Der Mensch! 

Die neuen Medien stärken die Macht der Kunden

Mit der Digitalisierung haben sich die Mittel der Kunden, sich zu beschweren und ihrem Ärger Luft zu machen, deutlich erweitert. „Das Reh hat jetzt die Flinte in der Hand“ bezeichnete die Buchautorin Anne M. Schüller passend die heutige Situation. Und tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten, sich öffentlichkeitswirksam zu beschweren. In nahezu jedem Shop können Produkte bewertet und kommentiert werden. Auch Unternehmen sind davor nicht gefeit: Wird auf Google der Name eines Unternehmens gesucht, erhält man konkrete Erfahrungsberichte zu Restaurants, Hotels, Handwerkern und Firmen. Wer hier 4 und mehr Sterne hat, genießt eine hohe Reputation, die sich geschäftsfördernd auswirkt. Wer weniger Sterne hat, wird schnell mit weniger Abschlüssen abgestraft. Und hier hat schon der leiseste Zweifel seine Auswirkung. Vielleicht kennen Sie das Verhalten bei sich selbst: Beim Kauf eines Produkts werfen Sie einen Blick auf die Sterne und in die Kundenrezensionen. Obwohl es viele positive Meinungen gibt, finden sich auch zahlreichte schlechte Bewertungen. Kaufen Sie trotzdem? Oder suchen Sie lieber ein anderes Produkt oder einen anderen Anbieter, die besser bewertet wurden?

Die Lust auf Rache ist wissenschaftlich belegt

Der US-Psychologe Dan Ariely untersuchte in mehreren Experimenten die Lust von Kunden auf Rache, wie er es nannte. Dazu wurden Gäste in einem Café gefragt, ob sie an einem Test mitmachen wollen. Für die Teilnahme erhielten sie 5 Dollar. Es gab zwei Gruppen: Eine, die ganz normal behandelt wurde, und eine zweite, bei der der Versuchsleiter während der Auszahlung einen fiktiven Anruf auf seinem Handy entgegennahm und das unkommentiert lies. Allen Teilnehmern wurden „versehentlich“ mehr als die vereinbarten 5 Dollar ausgezahlt. Die spannende Frage lautete: Hat das Verhalten des Testleiters in der 2. Gruppe darauf einen Einfluss?

Das Ergebnis des Experiments war folgendes:

  1. Gruppe (normal behandelt): 45 Prozent gaben die überzähligen Scheine zurück.
  2. Gruppe (mit Telefonat): Nur 14 Prozent gaben das zuviel bezahlte Geld zurück.

Erschreckend ist, welchen Einfluss ein einfaches Telefonat von 12 Sekunden auf die Gefühle der Teilnehmer hatte. Außerdem ließen sich zwei weitere interessante Erkenntnisse ableiten: Die Höhe des zuviel ausbezahlten Betrags hatte kaum Einfluss auf die Entscheidung der Probanden, d.h. es war irrelevant, ob die Teilnehmer 6, 7 oder 9 Dollar erhielten. Auch die Stellung des Versuchsleiters spielte keine Rolle bei der Rache, d.h. ob er sich als der Verantwortlicher für den Test oder nur als Mitarbeiter zu erkennen gab.

Diese beiden Punkte sollten wichtige Alarmsignale für alle Unternehmen sein. Die Reaktion auf eine schlechte Behandlung war im Experiment gleich intensiv, d. h. bei der Revanche gab es keine Abstufungen. Genauso wenig unterscheiden Kunden, wer ihnen das angetan hat. Wie ein wildgewordener Stier wird das Unternehmen attackiert, auch wenn die schlechte Erfahrung von nur einem einzelnen Mitarbeiter verursacht wurde. Dies zeigt sich im Falle von Joachim Llambi sehr deutlich, dass er das gesamte Hotel „in Haftung“ für seine schlechten Erfahrungen genommen hat.

Positive Erfahrungen addieren sich, negative multiplizieren sich

Nun könnte man sagen, dass ein kleines Zimmer oder ein defekter Lift nicht so dramatisch und solche Reaktionen überzogen sind. Bei einem Blick auf den einzelnen Touchpoint stimmt das. Das Problem ist jedoch, dass Kunden nicht arbeitsteilig denken und deshalb die Customer Journey insgesamt am Ende bewertet wird. Besonders entscheidend sind dabei zwei Punkte: Der erste und der letzte Eindruck! Wenn der erste Eindruck schon mit einem negativen Erlebnis beim Check-in beginnt, werden danach mehrere positive benötigt, um diesen Eindruck auszugleichen. Im Falle von Joachim Llambi kamen diese nicht, so dass sich die negativen Erfahrungen multipliziert haben. Am Ende hat er sich „wahnsinnig geärgert“, sein Handy in die Hand genommen und potenzielle Gäste vor dem Hotel gewarnt.

Wie können Unternehmen solche Situationen vermeiden?

Dan Ariely hatte nach seinem Experiment zwei einfache Antworten darauf: Entweder genügend Zeit vergehen lassen oder sich entschuldigen. Den ersten Fall kennen wir alle aus dem Straßenverkehr: Wir werden von einem Rowdy abgedrängt und fast in einen Unfall verwickelt. Verärgert merken wir uns das Kennzeichen, um ihn anzuzeigen. Doch das passiert in der Realität in den seltensten Fällen. Bei Unternehmen ist das anders: Hier behalten wir uns den Vorfall im Hinterkopf und werden dort nur noch selten oder gar nicht mehr kaufen. In jedem Fall erzählen wir Freunden von unseren Erlebnissen.

Der zweite Weg, nämlich die Entschuldigung, wirkt Wunder. Hier konnte Ariely nachweisen, dass eine Entschuldigung für das Verhalten gleiche Ergebnisse erzielt, wie wenn die Gäste normal behandelt wurden.

Der beste Weg: Vorausschauend handeln

Der beste Ärger ist der, der gar nicht erst entsteht. Das erfordert vorausschauendes Handeln, wobei die folgenden fünf Punkte dabei helfen:

  1. Finden und leben Sie das WHY Ihres Unternehmens: Ein klares „Warum?“ oder „Wofür tun wir etwas?“ gibt den Mitarbeitern die Leitlinie für ihr Verhalten – und das in jeder Situation.
  2. Erstellen und optimieren Sie die Customer Journey: Die sog. „Kundenreise“ hilft Ihnen zu verstehen, welche Berührungspunkte der Kunde bzw. Gast bei Ihnen hat und ob diese zu positiven oder negativen Erlebnissen führen.
  3. Optimieren Sie laufend die Touchpoints: Überprüfen Sie jeden einzelnen Kontaktpunkt hinsichtlich seiner Wirkung. Stellen Sie bekannte negative Erlebnisse an den Touchpoints so schnell als möglich ab und arbeiten daran, laufend positive Erlebnisse zu generieren. Denken Sie dabei auch an versteckte Touchpoints, wie z. B. den defekten Lift oder ein unsauberes Treppenhaus. Diese haben, wie oben gezeigt, eine enorme Auswirkung.
  4. Holen Sie aktiv Feedback bei Ihren Kunden bzw. Gästen ein: Feedback ist eine kostenlose Unternehmensberatung. Warten Sie dabei nicht bis zum Schluss, sondern erkundigen sich an einzelnen Touchpoints nach der Erfahrung und der Bewertung der Kunden.
  5. Sorgen Sie mit einem Kundenbegeisterungsprogramm (oder Kundenbindungsprogramm) dafür, dass die Emotionen noch lange nachwirken und Sie so bei der nächsten Kaufentscheidung wieder in der Poleposition bzw. der präferierte Anbieter sind.

Wenn Sie diese fünf Punkte beachten, sind Sie gut gerüstet. Vermutlich wird die Revanche Ihrer Kunden dann nicht lange auf sich warten lassen: Viele positive Bewertungen und viele Sterne.

Zum Autor: Thomas Stoklossa begleitet als Managementberater seit zwanzig Jahren viele Vertriebs- und Kundenbindungsprojekte. Er zeichnet sich verantwortlich für das Vertriebsmanagement im Firmenkundengeschäft bei einem bayerischen Wirtschaftsverband.