Interview

Hybride Arbeit braucht Haltung – keine Kontrolle

09.09.2025

Wie gelingt Zusammenarbeit über Distanzen hinweg – ohne Kontrolle, aber mit Vertrauen? Der Unternehmer Sven Kummer erklärt, wie seine Firma hybride Arbeit erfolgreich lebt. Ein Gespräch über Haltung, Kultur und Führung in der digitalen Arbeitswelt.

Hybride Teams, Homeoffice, flexible Präsenztage – viele Unternehmen ringen noch mit der Frage, wie Zusammenarbeit über Distanzen hinweg wirklich funktioniert. Der E-Mail-Marketing-Anbieter rapidmail hat ein funktionierendes Modell etabliert. Gründer und Geschäftsführer Sven Kummer berichtet aus über 15 Jahren Führungserfahrung und erklärt, warum Vertrauen mehr zählt als Tools – und hybride Arbeit mehr bedeutet als nur einen Arbeitsplatz mit Internetanschluss.

Die Wirtschaft: Herr Kummer, bei rapidmail arbeitet das Team heute standortübergreifend zusammen. Wie hat sich das entwickelt?

Sven Kummer ist Gründer und Geschäftsführer des 2008 in Freiburg gegründeten SaaS-Unternehmens rapidmail. © Carina Adam Photography
Sven Kummer ist Gründer und Geschäftsführer des 2008 in Freiburg gegründeten SaaS-Unternehmens rapidmail. © Carina Adam Photography

Als wir 2008 gegründet haben, waren wir ein kleines Entwicklerteam in einem Büro – eine Handvoll Leute, viel Code, kurze Wege. Doch mit dem Wachstum kamen neue Rollen, ein neuer Standort in Berlin und schließlich der Schritt zu Remote Work. Anfangs war das eher pragmatisch: Gute Leute zu finden, war einfacher, wenn man nicht ortsgebunden war. Spätestens mit Corona wurde Remote Work dann zur Normalität. Heute arbeiten wir mit einem hybriden Modell, das bewusst gestaltet ist: Zwei flexible Präsenztage pro Woche und klare Strukturen, die das Team verbinden. Uns war immer wichtig, nicht das zu verlieren, was uns ausmacht: Nähe, Austausch und ein gemeinsames Verständnis für Einfachheit – Werte also, die auch in unserem E-Mail-Marketing-Tool stecken.

Was macht für Sie ein funktionierendes hybrides Arbeitsmodell wirklich aus?
Ein gutes hybrides Arbeitsmodell braucht vor allem eins: Vertrauen. Immer noch scheinen viele Unternehmen zu glauben, sie müssten hybride Teams über Tools kontrollieren – wir haben die gegenteilige Erfahrung gemacht. Entscheidend ist, gemeinsam klare Rahmenbedingungen zu schaffen und nicht starre Vorgaben zu machen. Unsere Mitarbeitenden haben zum Beispiel selbst abgestimmt, an welchen Tagen sie bevorzugt ins Büro kommen. Daraus entstand unsere „Zwei-Tage-im-Büro“-Regel – flexibel, aber verbindlich.
Das Ziel ist, dass persönliche Begegnung nicht dem Zufall überlassen wird, sondern bewusst ermöglicht wird – ohne die Vorteile von Remote Work zu verlieren.

Welche Herausforderungen bringt hybride Führung im Alltag mit sich – und wie begegnen Sie ihnen?
Die größte Herausforderung ist der soziale Zusammenhalt. Im Homeoffice funktioniert Effizienz meist gut, aber der Teamgeist kann leiden. Deshalb legen wir viel Wert auf Formate, die den Zusammenhalt stärken: monatliche Company-Meetings, regelmäßige gemeinsame Teamevents und Zeit für spontanen Austausch, digital wie analog.
Außerdem fördern wir Begegnungen auch außerhalb der rein fachlichen Zusammenarbeit. Ob ein Feierabendbier auf der Dachterrasse oder der regelmäßige Besuch an einem der beiden Standorte für den direkten Austausch: Damit echte Nähe, Teamspirit und gegenseitiges Vertrauen entstehen, braucht es diese Austauschformate und Begegnungsräume. Als Führungskraft sehe ich es auch als meine Aufgabe, solche Räume zu schaffen.

Was sind Ihrer Meinung nach zentrale Erfolgsfaktoren für hybride Teams?
Drei Dinge: Klarheit, Kommunikation und Kultur. Hybride Teams brauchen ein gemeinsames Verständnis für Ziele, Prozesse und auch zwischenmenschliche Erwartungen. Deshalb legen wir bei viel Wert auf transparente Kommunikation und regelmäßige Reflexion unserer Arbeitsweise. Zudem achten wir bei neuen Mitarbeitenden nicht nur auf Fachkompetenz, sondern auch auf den Teamfit und Soft Skills wie Gelassenheit, Selbstorganisation und Humor.

Welche Rolle spielt Unternehmenskultur bei Remote Work – und wie hält man sie lebendig?
Gerade wenn Teams nicht täglich im selben Raum arbeiten, ist die Kultur das verbindende Element. Sie muss aktiv gestaltet werden – durch Rituale, gemeinsame Werte und echte Beteiligung. Bei rapidmail gibt es Formate, in denen Mitarbeitende eigene Themen einbringen – von Projektideen bis hin zu Buchempfehlungen.
Unser Leitgedanke: Führung ist nicht Kontrolle, sondern Moderation. Wer die Menschen ins Zentrum stellt und ihnen Gestaltungsspielräume gibt, bekommt Engagement und Loyalität zurück. Das zeigt sich auch bei uns durch eine sehr hohe Weiterempfehlungsrate ehemaliger Mitarbeitender.

Was können andere Unternehmen – gerade im deutschsprachigen Raum – von Ihrem Modell lernen?
Ich bin überzeugt, dass hybride Arbeit keine Modeerscheinung ist, sondern die Gegenwart und Zukunft unserer Arbeitswelt. Wer sie ernst nimmt, braucht keine Angst vor Kontrollverlust zu haben, sondern sollte lernen, Verantwortung zu teilen. Wichtig ist, nicht alles laufen zu lassen, sondern klare Leitplanken zu setzen, also Orientierung statt Überregulierung. Diese Leitplanken geben Sicherheit, ohne einzuengen, und schaffen Raum für Eigenverantwortung. Besonders im deutschsprachigen Raum, wo Prozesse oft stark reguliert sind, erlebe ich eine gewisse Skepsis gegenüber Flexibilität. Dabei zeigt unser Beispiel aus Freiburg und Berlin: Auch mittelständische Unternehmen in Deutschland können moderne Arbeitsmodelle leben – wenn sie auf Vertrauen, Dialog und Haltung setzen.

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