Positive Emotionen

Energiequelle und Wachstumsmotor positive Emotionen

Elke Katharina Meyer, Frank Nesemann, Thomas Achim Werner
02.06.2025

Wie leistungsfähig und -bereit Menschen sind, hängt stark von deren psychischen bzw. mentalen Wohlbefinden ab. Deshalb sollten Führungskräfte in ihrem Umfeld ein Milieu kreieren, in dem ihre Mitarbeitenden immer wieder Momente des Glücks und der Zufriedenheit erfahren.

Menschen mit einer positiven Einstellung zu sich selbst und ihrem Leben

  • meistern Herausforderungen leichter,
  • sind gesünder und
  • haben eine höhere Resilienz

als andere Menschen. Das ist eine alte menschliche Erkenntnis, die sich in solchen Sinnsprüchen wie „Lachen ist gesund“ und „Lachen ist die beste Medizin“ widerspiegelt.

Auch die Medizin und Psychologie haben dies erkannt und versuchen, diese Erkenntnis gezielt zu nutzen – zum Beispiel zur Gesundheitsförderung und -prävention. Auch in der Management- und Führungslehre wird ihr eine immer größere Bedeutung beigemessen.

Wegweisend die „Broaden-and-Build-Theorie“

Eine Vorreiterin dieser Entwicklung war die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson, die zu den Wegbereitern der Positiven Psychologie zählt. Sie stellte 1998 die Broaden-and-Build-Theorie vor. Diese geht davon aus, dass positive Emotionen wie Freude, Interesse, Dankbarkeit usw. unser Denk- und Verhaltensrepertoire erweitern („Broaden“). Sie fördern zudem

  • unsere geistige Flexibilität und Kreativität,
  • unsere Lust, Neues zu lernen und zu entdecken, sowie
  • unsere Fähigkeit und Bereitschaft, soziale Beziehungen einzugehen und zu pflegen.

Durch dieses Offen-sein sammeln wir wiederum neue, positive Erfahrungen – beispielsweise in Form kleiner Erfolgserlebnisse und erfreulicher Begegnungen. Und diese erzeugen wiederum positive Emotionen, so dass wir mit der Zeit, so Fredrickson, eine Art Vorrat positiver Emotionen und Erwartungen aufbauen, der es uns erleichtert, auch unangenehme Situationen zu ertragen und Herausforderungen zu meistern – also unsere Resilienz stärkt.

Positive Emotionen: Nährboden für Wachstum

Positive Emotionen sind für Fredrickson sozusagen der Nährboden für persönliches Wachstum. Und wenn wir einen entsprechenden Lebensstil pflegen? Dann gelangen wir der Broaden-and-Build-Theorie zufolge in eine Aufwärtsspirale, die zu einem immer größeren Selbstvertrauen und Wohlbefinden führt.

Positive Emotionen Aufwertsspirale Grafik

Doch nicht nur dies. Viele Studien belegen inzwischen auch die gesundheitsfördernde Wirkung positiver Gefühle:

  • Das Herzkreislaufsystem wird gestärkt,
  • die Antikörperproduktion wird forciert und
  • die Entzündungsreaktionen verringern sich.

Positive Emotionen steigern also auch unsere physische Widerstandskraft. Sie wirken wie kleine Kraftmaschinen, die unsere körperliche und geistige Gesundheit und somit unsere Leistungsvermögen steigern. Also sollten wir unser Leben so gestalten, dass es möglichst viele kleine Mikro-Momente voller positiver Emotionen enthält, die wir bewusst wahrnehmen. Und Unternehmen? Sie sollten die Arbeit und das Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiter*innen so gestalten, dass solche Mikro-Momente des Glücks und der Zufriedenheit möglich sind.

Mikro-Momente von Glück schaffen und erleben

Inwieweit wir eher positiv denkende Menschen sind, ist teilweise genetisch bedingt. Doch auch diese Eigenschaft ist erlernbar – jedoch nicht von heute auf morgen. Einstellungsänderungen, aus denen Verhaltensänderungen resultieren, sind stets ein Langzeitprojekt. Und ob wir das Ziel erreichen, hängt auch davon ab, wie viel Positives wir bereits auf dem Weg dorthin erfahren. Also sollten wir uns, wenn wir eine nachhaltige Verhaltensänderung anstreben, fragen: Wie können wir diese mit positiven Emotionen so verknüpfen, dass regelmäßig die erwähnten Mikro-Momente des Glücks entstehen, die uns dazu motivieren, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten?

Mögliche Ansätze hierzu sind:

  • Etwas finden, das uns Spaß macht und motiviert,
  • auf kleine Unterschiede/Fortschritte achten, auf die wir stolz sein können,
  • etwas mit anderen Menschen tun,
  • die Aktivität selbst möglichst attraktiv gestalten,
  • ein angenehmes Umfeld schaffen,
  • keine überhöhten Ansprüche an uns und andere stellen,
  • uns auch für Teilerfolge belohnen.

Zudem sollten wir möglichst nicht aus einem Gefühl „Ich muss…“, sondern „Ich sollte …“ oder „Es tut mir gut, wenn …“ heraus handeln.

Als Person nicht nur vegetieren, sondern aufblühen

Es macht jedoch einen großen Unterschied, ob wir mit einer Situation nur „zurechtkommen“ oder in ihr „aufblühen“. Manche Blumen vegetieren in einem Milieu nur vor sich hin, während andere in ihm gedeihen. Dann nutzt es nichts zur darbenden Blume zu sagen: „Wachse schneller!“ Das weiß jede*r Gärtner*in. Zielführender ist es, sich zu überlegen: Was bringt die Blume zum Wachsen? Alles, was ihr Wohlbefinden erhöht; zum Beispiel: Licht, Wärme, Wasser und ein nährstoffreicher Boden. Und was beschleunigt ihr Wachstum? Dünger!

In der Psychologie unterscheidet man zwischen einem hedonistischen und einem eudämonischen Wohlbefinden. Ein hedonistisches Wohlbefinden stellt sich bei uns ein, wenn wir zum Beispiel ein vorzügliches Essen genießen. Ein eudämonisches Wohlbefinden empfinden wir hingegen unter anderem, wenn

  • wir anderen etwas Gutes tun,
  • unsere Potenziale, also Fähigkeiten und Talente, nutzen oder
  • uns für etwas einsetzen, das uns am Herzen liegt.

Das eudämonische Wohlbefinden steigern

Ein eudämonisches Wohlbefinden hat einen stärkeren positiven Einfluss auf unsere Gesundheit als ein hedonistisches – ohne letzteres gering zu schätzen. Seine Wirkung ist zudem nachhaltiger, denn es vermittelt uns zugleich das Gefühl von Sinn – also zum Beispiel das Bewusstsein

  • Ich gehöre einer Gemeinschaft an, lebe in Beziehung,
  • ich trage etwas zur Gemeinschaft bei und
  • ich nutze meine Talente/Fähigkeiten.

Der Dünger für unser persönliches Wachstum sind deshalb die Mikro-Momente in unserem Leben, in denen wir ein eudämonisches Wohlbefinden empfinden. Sein Entstehen können wir bei uns und anderen Menschen auf vielfältige Weise fördern.

Hoffnung: Unser Motor auch in schlechten Zeiten

Eine besondere Rolle unter den positiven Emotionen, die Menschen empfinden, spielt die Hoffnung. Denn sie ist anders als die Emotionen Freude, Dankbarkeit, Stolz usw. stets zukunftsorientiert. Hoffnung bezeichnet, das gerade in schwierigen Situationen so wichtige Erwartungsgefühl, dass positive Veränderungen erreicht und Herausforderungen gemeistert werden können. Sie ist der Motor, der Menschen dazu bringt, aktiv zu werden, weil sie daran glauben, etwas bewirken zu können. Deshalb ist es auch eine Führungsaufgabe, die Hoffnung der Mitarbeitenden zu stärken.

Das können Führungskräfte unter anderem, indem sie

  • ihren Mitarbeiter*innen vor Augen führen, welche Herausforderungen sie schon gemeistert haben, von denen sie zunächst glaubten „Ich schaffe ….“ oder „Wir schaffen das nicht“ oder
  • ihnen Beispiele und Strategien vorstellen, wie andere Personen oder Organisationen ähnliche „Krisen“ bewältigt haben, oder
  • ihnen vor Augen führen, welche Ressourcen ihnen für das Meistern der Herausforderungen zur Verfügung stehen.

Dies können Führungskräfte aber nur glaubhaft und effektiv, wenn sie

  • selbst einen positiven Zukunftsblick haben und dies ausstrahlen und
  • in einem lebendigen Dialog mit ihren Mitarbeiter*innen stehen und deshalb wissen, was diese gerade zum Aufrechterhalten ihrer Zuversicht und Handlungsfähigkeit brauchen.

Achtsam für das eigene und fremde Befinden sein

Dies setzt wiederum eine hohe Achtsamkeit voraus – und zwar für

  • das Befinden der eigenen Person,
  • das Befinden des jeweiligen Gegenübers sowie
  • die Erfordernisse der jeweiligen Situation.

Eine hohe Achtsamkeit für das eigene Befinden als Führungskraft ist nötig, weil dieses sich automatisch auf das Verhalten und Wirken im Mitarbeiter*innenkontakt auswirkt. So strahlen Führungskräfte, die sich am Rande eines Burnouts bewegen, zum Beispiel nicht die nötige Energie aus, die es zum Aktivieren der Mitarbeiter*innen braucht. Zudem können sie, wenn sie selbst nicht an den Erfolg gewisser Problemlösungen glauben, ihre Mitarbeitenden nicht dazu motivieren, sich für deren Umsetzung zu engagieren. Folglich sollten Führungskräfte potenzielle Engpässe beim Wahrnehmen ihrer Führungs- und Leader-Funktion bei sich selbst erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen können.

Ähnliches gilt bezogen auf ihre Mitarbeiter*innen, denn diese reagieren aufgrund ihrer Persönlichkeit in derselben Situation teilweise sehr verschieden. So denken zum Beispiel manche bei einer neuen Herausforderung unmittelbar „Das kann ich nicht!“. Andere hingegen denken dann zwar auch zunächst „Huch, was kommt da auf mich zu“; doch dann gelangen sie zur Überzeugung „Irgendwie schaffe ich das schon, auch wenn ich noch nicht weiß wie“. Entsprechend unterschiedlich muss das Führungs- und Unterstützungsverhalten ihrer Führungskräfte sein.

Die hierfür erforderliche Sensibilität bzw. Achtsamkeit müssen Führungskräfte heute mehr denn je bei sich trainieren, denn nur dann können sie in ihrem Umfeld ein Milieu kreieren, in dem ihre Mitarbeiter*innen sich wohl fühlen und gerne engagieren – unter anderem, weil sie bei ihrer (Zusammen-)Arbeit immer wieder Mikro-Elemente des Glücks und der Zufriedenheit verspüren, die sie als Person wachsen und gedeihen lassen.

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