Energiepreise auf Achterbahnfahrt

Öl
27.10.2020

 
Die Preise von Öl und Gas bleiben weiterhin unter Druck, während der Strompreis langsam wieder steigt. Welche Faktoren in den nächsten Monaten die Energiepreise prägen werden? Ein Überblick.
Die Öl- und Gaspreise bleiben weiterhin unter Druck, während der Strompreis langsam steigt

Die Energiepreise in Österreich spiegeln im Corona-Jahr 2020 stark die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung – aber nicht nur. Besonders bei Erdöl und Gas und damit auch den Preisen für Sprit und Heizenergie kommen starke Treiber vom Weltmarkt dazu. Die Nachfrage hierzulande wird dagegen vorwiegend durch die konjunkturelle Entwicklung bestimmt. Ende September war beim Wifo von einem „leichten Silberstreif am Horizont“ die Rede. Fürs Gesamtjahr erwarten die Konjunkturbeobachter beim heimischen BIP aktuell „nur mehr“ ein Minus von 6,8 Prozent. Das IHS und die Bank Austria rechnen für heuer mit einem Rückgang von rund sechs Prozent. Für das kommende Jahr erwarten die Institute dann wieder ein deutliches Wachstum von über vier bzw. knapp sechs Prozent. 

Am Weltmarkt haben die Ölpreise heuer deutlich nachgegeben. Für die nächsten Monate rechnet das Ölkartell Opec mit einer globalen Ölnachfrage von rund 90 Millionen Barrel Öl pro Tag, das ist rund ein Zehntel weniger als vor einem Jahr. Nach dem letzten Treffen in Wien verwies die Opec ausdrücklich auf weiter bestehende Risiken im Zusammenhang mit der Corona-Krise, auch bleibe die globale Erholung und damit die Ölnachfrage ungewiss. Hier wirken aber auch Faktoren nach, die nichts mit Corona zu tun haben: Zum einen haben Saudi-Arabien, Russland und andere Staaten monatelang für zu viel Öl im Markt gesorgt. Zum anderen haben Termingeschäfte im April einen historischen Einbruch des Ölpreises verursacht: Erstmals kam es bei der amerikanischen Sorte WTI-Future zu einem Negativpreis. Das heißt, wer eine Lieferung bestellt hat, bekam das Öl und obendrein Geld. Kurz danach war ein Barrel Erdöl schon für einen Dollar zu haben. 

OMV: Ölpreise erholen sich nicht mehr

Derzeit ist ein Fass im Großhandel zwischen 40 und 50 Dollar wert. Ende September hat dazu die OMV mit einer sehr ungewöhnlichen Ansage Schlagzeilen gemacht: Die Ölpreise werden sich auch langfristig nicht mehr erholen, sondern über Jahre hinaus weit unter dem bisherigen Stand von rund 75 Dollar je Fass bleiben. Für das kommende Jahr rechnet der Industriekonzern aktuell mit einem Preisniveau von 50 Dollar und für die nächsten Jahre mit rund 60 Dollar. Der Grund der Entwicklung, der für hohe Abschreibungen bei der OMV sorgt, sei ein sich abzeichnender „Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Welt“, der schneller komme als erwartet. Parallel dazu hat sich auch Erdgas im Großhandel zuletzt stark verbilligt. Im September war der Energieträger um 27 Prozent weniger wert als vor einem Jahr, meldet die Österreichische Energieagentur. Für Oktober erwartet die Energieagentur eine weitere Verbilligung. 

Spritpreise: Trendumkehr ab dem Sommer

Diese Trends stehen hinter den Preisen für Sprit und Gas auf den Rechnungen des heimischen Mittelstands. Zwar geben bei Erdgas große Energieversorger die Verbilligungen derzeit kaum an Endkunden weiter, weil sie selbst massive Absatzverluste ausgleichen müssen. Aber auch Preissprünge nach oben bleiben aus. Heizöl ist aktuell laut Energieagentur knapp 25 Prozent billiger als vor einem Jahr. Bei den Spritpreisen an den Tankstellen ist es seit Jahresbeginn und damit schon lange vor der Corona-Krise bergab gegangen. Erst im Juli kam eine erste Trendwende. Seither sind die Preise sowohl für Diesel als auch für Superbenzin über Wochen wieder leicht gestiegen. Wie die weitere Entwicklung bei Gas, Heizöl und den Spritpreisen ausschaut, bleibt offen – doch laut Energieagentur gibt es am Markt erste Anzeichen dafür, dass es mit dem Ölpreis am Weltmarkt wieder bergab gehen könnte. Als Gründe nennen die Marktexperten die wieder steigenden Infektionszahlen sowie weiterhin ein Überangebot. 

Strompreise: Einbrüche lange vor Corona

Besonders dynamisch entwickeln sich heuer die Strompreise. Zu Jahresbeginn schon war Strom im Großhandel 40 Euro je MWh wert – also knapp ein Drittel weniger als im Jänner des Vorjahres. Danach setzte die steigende Wasserkraftproduktion den Preis weiter unter Druck, und schließlich brach der Preis im Zuge der Einschränkungen im Frühjahr auf unter 20 Euro je MWh ein, was um 50 Prozent weniger war als im Vorjahr. Auch hier hat ab Juni allmählich eine Trendwende eingesetzt, heißt es bei der E-Control. Welche Trends beim Strompreis in Zukunft zu erwarten sind, zeigen die Energiebörsen. Auf den Terminmärkten geht es nach massiven Einbrüchen wieder eindeutig bergauf. Mit einem zweiten Lockdown rechnen Energiehändler derzeit nicht. Für den Mittelstand und für Endkunden bleibt diese Achterbahnfahrt am Energiemarkt ebenfalls großteils unsichtbar, weil Energieversorger auch diese Verbilligungen kaum weitergereicht haben. Wer  allerdings von einem relativ teuren Anbieter zu einem billigeren wechselt, kann auch ohne Wechselrabatte mehr als ein Drittel der reinen Stromkosten und Gaskosten sparen. 

Neuer Anstieg nicht ausgeschlossen

Allerdings könnte noch ein ganz anderer Faktor den Strom in Österreich empfindlich verteuern – die Politik. Nachdem die Opposition das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) der Regierung aus ÖVP und FPÖ verhindert hat, hat es die amtierende Regierung inzwischen vorgelegt. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) planen mit der Novelle in den nächsten zehn Jahren einen Ausbau der Produktionskapazitäten von Erneuerbaren um 27 Terawattstunden. Das ist eine gigantische Menge, die auch neue Speicher und Netze benötigt. Bei den Kosten plant Gewessler mit Förderungen von durchschnittlich rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Derzeit zahlen private und gewerbliche Kunden hierzulande insgesamt rund 760 Mio. Euro pro Jahr für Ökostrom. Von der Industriellenvereinigung und dem ÖGB kamen deshalb zuletzt massive Zweifel an der Finanzierbarkeit des Ausbaus sowie an der Zusage Gewesslers, dass Endkunden auch künftig nicht stärker belastet werden sollen als bisher. Aktuell zahlt ein durchschnittlicher Haushalt einen Ökostrombeitrag von rund 120 Euro im Jahr. 

Text: Peter Martens