Die Zukunft war immer super
„Für die Einheit der Wirtschaft! Wir tragen die Verantwortung!“ So übertitelte Verlagsgründer Julius Raab die erste Ausgabe der „Wirtschaft“. Sein „Wir“ meinte die Gemeinschaft der Unternehmer*innen, die das Land wieder aufbauen wollten. Es kann aber auch als ein publizistischer Auftrag für einen Fachverlag gelesen werden. Ein Auftrag für konstruktiven Journalismus, der Mut macht.
Seit 80 Jahren begleiten wir als Österreichischer Wirtschaftsverlag die Wirtschaft in ihren Höhen und Tiefen, durch unzählige Krisen, technologische Umbrüche und epochale Veränderungen. Dabei tragen Fachredaktionen eine besondere Verantwortung. Denn gerade in Zeiten der Unsicherheit, des Wandels und des Umbruchs brauchen Unternehmer*innen nicht nur aktuelle Informationen, sondern vor allem Orientierung, Perspektiven und manchmal eine ordentliche Prise Zuversicht.

Unsere Aufgabe

Fachmedien sind mehr als bloße Berichterstatter: Sie ordnen ein, geben praktische Hilfestellung und vermitteln, was neue Technologien, politische Entscheidungen oder gesellschaftliche Entwicklungen konkret bedeuten – sei es für die Bauwirtschaft, das Gastgewerbe, die Automobilbranche oder andere zentrale Wirtschaftszweige.
Und Herausforderungen gab es in den letzten acht Jahrzehnten reichlich. Manche kamen plötzlich, manche schleichend, andere waren auf Sicht planbar, manche wurden über- einige auch unterschätzt. Der Blick zurück zeigt: Jede Krise fand früher oder später eine Antwort, und jede vermeintlich unlösbare Herausforderung hat letztlich zu neuen Chancen geführt. Heute, wo wir erneut mit Schlagworten wie Inflation, Krieg und Klimakrise konfrontiert sind, tut es gut, sich das bewusst zu machen.
Veränderung als Konstante

Veränderung ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Seit Menschen denken können, haben sie Angst vor dem Neuen. Das ist menschlich. Die Einführung des Euro, das Internet, das Smartphone, künstliche Intelligenz – alles Dinge, die heute aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, aber einst als Umbruch, Risiko oder sogar Bedrohung galten.
Dass wir rückblickend über viele dieser Ängste schmunzeln, heißt nicht, dass sie damals unbegründet waren. Wer Verantwortung trägt – im Unternehmen, im Betrieb, in der Politik – weiß, dass Veränderung Mut und Weitsicht verlangt. Die österreichische Wirtschaft hat diesen Mut immer wieder bewiesen. Und sie tut es bis heute. Unsere Rolle als Fachverlag war es dabei nie, einfach zu jubeln oder zu mahnen. Unsere Aufgabe war und ist: einzuordnen, zu erklären, frühzeitig Entwicklungen zu erkennen und konstruktiv zu begleiten. Nicht mit Weltuntergangsszenarien. Sondern mit nüchternem, aber zugewandtem Blick nach vorn, auf das, was möglich ist.
EU-Beitritt 1995 – Euphorie trifft Skepsis

Ein gutes Beispiel ist der EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995. Er wurde von Begeisterung, aber auch tiefen Sorgen begleitet. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen stellten sich viele Fragen: Wie wird sich der europäische Binnenmarkt auf das Geschäft auswirken? Die Österreichische Gastronomie- und Hotelzeitung (ÖGZ) nahm diese Sorgen ernst und veröffentlichte eine umfangreiche Sonderausgabe. Die ÖGZ vom 13. Jänner 1995 trug den optimistischen Titel „Servus Europa!“ und erklärte ausführlich die Vorteile der EU-Mitgliedschaft. Ein prägnantes Zitat lautete: „Schon gemerkt? Wir sind in der EU. Auch für den ÖGZ-Leser bringt die EU eine Menge Vorteile – wenn man sie denn nutzt.“ Die EU Mitgliedschaft zeigt, wie ambivalent die österreichische Seele teilweise ist, denn schon bald nach dem Beitritt wurde geraunzt. Mit „denen in Brüssel“ entstand ein neues Feindbild und viele Integrations- und Erweiterungsschritte wurden zu Beginn leidenschaftlich abgelehnt. Man denke nur an die EU-Osterweiterung. Die Horrorszenarien sind nicht eingetreten und in unseren Medien waren sie auch nicht zu lesen. Heute finden sich kaum Unternehmer*innen, die sich Österreich außerhalb von EU und Euro wünschen.
Eine neue Währung mit neuen Chancen

Auch als 2002 der Euro eingeführt wurde, gab es viel Aufregung und Skepsis. Der Abschied vom Schilling fiel den Österreicherinnen und Österreichern schwer, Sorgen um Preissteigerungen und komplizierte Umstellungen waren groß. Der Wirtschaftsverlag leistete Aufklärungsarbeit: Schon 2001 startete in unseren Fachmedien eine detaillierte Informationskampagne zur Euro-Einführung. Darin wurden die wichtigsten Maßnahmen für Betriebe beschrieben, denn „spätestens am Neujahrstag 2002 sollte jedes Unternehmen in Sachen Euro in Topform sein.“ Ganz trivial war die Sache ja nicht: Buchhaltung, Bankgeschäfte, Lohnverrechnung, Kundeninformationen bis hin zur doppelten Preisauszeichnung auf der Speisekarte – an alles musste gedacht werden. Heute ist der Euro Alltag, damals aber machte die gute Begleitung durch Fachmedien einen Unterschied.
Die Angst vor dem Computer-Chaos

Die Sorge, dass der Wechsel ins Jahr 2000 Computer weltweit zum Stillstand bringen könnte, dominierte Ende der 1990er Jahre viele Schlagzeilen. Der Wirtschaftsverlag reagierte ruhig und professionell. Bereits im Juni 1999 erschien in „DachWand“ ein umfassender Beitrag mit Checklisten und Notfallplänen, der Unternehmen gezielt auf den Jahreswechsel vorbereitete. Zusätzlich wurde damals eine 24-Stunden-Hotline des WIFI beworben: „Wenn am 1.1.2000 die Kassa falsch rechnet, die Heizung abgeschaltet ist oder der Lift streikt…“ Die gute Vorbereitung zahlte sich aus: Die befürchtete Katastrophe blieb aus, und das Ereignis wurde zur besten Werbung für professionelle Krisenvorbereitung.
Digitalisierung am Bau – Einst Utopie, heute Alltag

Vor dreißig Jahren galt die Digitalisierung am Bau als Science-Fiction. Roboter und computergestützte Planung waren visionär und fremd. Doch bereits in den 1990er Jahren berichtete die Österreichische Bauzeitung vorausschauend über diese Entwicklungen. 1997 erschien ein Bericht über „Bauroboter – Automatisierung am Bau“, der damals fast futuristisch wirkte. Noch früher, im Jahr 1990, widmete sich die Zeitschrift ausführlich der EDV-unterstützten Baukalkulation. Diese frühe fachjournalistische Aufklärung trug dazu bei, die Branche auf die technischen Neuerungen neugierig zu machen. Und die Reise geht weiter: mit digitalem Zwilling (BIM), KI, serieller Vorfertigung und der Transformation zur Klimaneutralen Baustelle gehen der Bauzeitung die Themen noch lange nicht aus.
Großveranstaltungen – Vom Zweifel zum Wirtschaftsmotor

Eine fast klischeehafte Haltung haben Herr und Frau Österreicher gegenüber Großveranstaltungen. Die Fußball-Europameisterschaft 2008 oder der Eurovision Song Contest 2015 wurden zunächst skeptisch betrachtet – nach dem heurigen Sieg von JJ in Basel konnte man ähnliches erleben: Wer soll das bezahlen? Sind die Investitionen gerechtfertigt? Doch wie die ÖGZ schon 2015 berichtete, erwies sich der Song Contest als bedeutender Wirtschaftsfaktor und brachte rund 100 Millionen Euro nach Österreich. Optimistisch berichtete die Bauzeitung 1990 über die geplante Expo 1995 in Wien und Budapest. Eine Veranstaltung, die nie zu Stande gekommen ist, da sie bei einer Bürgerbefragung abgelehnt wurde. Schade, denn die wirtschaftlichen Impulse wären wohl auch bei diesem Großprojekt nachhaltig positiv gewesen.

Anders verhält es sich mit Großereignissen, die ungefragt stattfinden: Aus der totalen Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 wurde ein Volksfest. „SoFi brachte volle Kassen“, jubelte die ÖGZ damals und zeigte schon im Vorfeld, wie das Event touristisch und wirtschaftlich gewinnbringend genutzt werden kann.
Weniger euphorisch blicken wir auf eine Naturgewalt, die wir selbst ausgelöst haben. Die Klimakrise rollt auf die Menschheit zu. Seit Jahren findet sich kaum eine Ausgabe unserer Medien, die sich nicht in irgendeiner Form mit dem Thema der Dekarbonisierung befasst. Doch auch hier zeigt sich: wir müssen konstruktiv anpacken. Viele Unternehmen leisten Beeindruckendes in Forschung, Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit. Manche stellen sogar ihr Geschäftsmodell radikal um. Wir haben diese Unternehmen stets vor den Vorhang geholt, denn sie repräsentieren die Innovationskraft und den Unternehmergeist, der nötig sein wird, dass wir einst auch auf diese gigantische Herausforderung zurückblicken und sagen: Wir haben es hinbekommen!
Ja, dürfen die denn das?

Es sind zwar keine Naturgewalten, aber es gibt unaufhaltsame Entwicklungen, die in ähnlicher Weise eintreffen, ob man das nun will, oder nicht. Gerade der Gastronomie und Hotelbereich unterliegt solchen Megatrends. 2001 berichtete die ÖGZ über die Einführung von Starbucks in Österreich, begleitet von großer öffentlicher Debatte und der Sorge um die Kaffeehauskultur. Was blieb? Mehr Wettbewerb, mehr Kaffeekonsum, größeres Augenmerk auf Qualität und generell besserer Kaffee überall.
Noch heftiger diskutiert wurde über das Rauchverbot in Lokalen und dessen stufenweise, teils holprige Einführung. Die ÖGZ gab stets allen Perspektiven eine Stimme, war aber rasch mit ihrer Blattlinie auf der konstruktiven Seite, erklärte die Vorteile einer rauchfreien Zukunft und zeigte den Betrieben, wie sie das Beste aus der Situation machen können. Gnadenlos kritisch war die ÖGZ gegenüber dem politischen Herumgeeiere. Gastronomen brauchten Klarheit. Klar blieb seither jedenfalls die Luft in den Restaurants, kaum jemand vermisst den Geruch der Kleidung nach einem Lokalbesuch.
Herausforderungen gemeinsam meistern

Im Blick zurück erkennen wir: alle Herausforderungen lassen sich bewältigen. Die Zukunft war (fast) immer super. In diesem kleinen Land umso mehr, wenn es einen guten, konstruktiven Zusammenhalt, Optimismus und Unternehmergeist gibt – und davon ist in Österreich reichlich vorhanden. Unsere Fachredaktionen haben das Ohr an ihren Branchen, wissen wo der Schuh drückt und geben den Unternehmen eine Stimme. Genau wie damals haben wir die Aufgabe, Unternehmer*innen und Führungskräfte sicher durch die Zeiten zu navigieren, mit verlässlichen Informationen, hilfreichen Analysen und gerne einer großem Portion Optimismus. Die Geschichte zeigt eindrücklich, dass Krisen bewältigt werden, wenn wir gemeinsam zuversichtlich, informiert und verantwortungsvoll handeln.
Tops und Flops: Was sich durchgesetzt hat, und was (noch) nicht
- Rauchverbot in der Gastronomie: warum denn nicht gleich?
- Fernsehen: Unser Verlagsgründer Julius Raab 1956: „In des Kastl schaut eh kana eini“
- Digitale Verwaltung: in Österreich eigentlich ziemlich OK
- Bluetooth-Technologie: im Alltag angekommen
- QR-Codes: zuerst totgesagt, dann durchgestartet
- Homeoffice: ein kleines Virus verhalf zum Durchbruch
- E-Mobilität im urbanen Bereich: Scooter sind gekommen, um zu bleiben
- Metaverse und VR Brillen: trotz künstlichem Hype ein Rohrkrepierer
- Papierloses Büro: eher setzt sich das papierlose Klo durch (Dusch-WCs)
- Steckerchaos bei Ladekabeln: dank EU ist ein Ende in Sicht
- Blackberry-Smartphones: kurze Zeit ein Business Must-Have
- 3D-Fernsehen: kommt sicher irgendwann wieder
- Bargeldloses Zahlen: gerade verschwindet das Bargeld aus dem Alltag