Die Schattenseiten des Tourismus

Tourismus
17.03.2019

 
Umweltverschmutzung, Ausbeutung von Arbeitskräften, Respektlosigkeit gegenüber Einheimischen: Das Phänomen Overtourism wird immer häufiger. Doch es formiert sich Widerstand. Gegensteuern kann nachhaltiger Tourismus.

Hallstatt, Oberösterreich: Am Parkplatz außerhalb des Ortes reiht sich ein Reisebus an den nächsten. Scharen von Touristen schieben sich durch die Altstadt, betreten ungefragt die Häuser der Einheimischen. Viele reisen nach wenigen Stunden wieder ab, nur um der nächsten ankommenden Gruppe Platz zu machen. Bis zu 7.500 Gäste besuchen die kleine Gemeinde, die knapp 780 Einwohner zählt, pro Tag. Tendenz: steigend.

Widerstand gegen Touristen

Der Massentourismus hat eine neue Dimension erreicht: Unter dem sogenannten Overtourism leiden die Bewohner beliebter Destinationen zunehmend. „Seit den Achtzigerjahren ist der weltweite Tourismus jedes Jahr um rund vier Prozent gestiegen“, sagt Wolfgang Strasdas, Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement. Laut dem World Travel & Tourism Council (WTTC) werden in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) das globale Tourismusgeschäft dominieren. Grund für diese Entwicklung: Die Volkswirtschaften dieser Länder wachsen doppelt so schnell wie der Durchschnitt. Bereits heute kommen die meisten Touristen weltweit aus China.

In immer mehr Städten formiert sich dagegen Widerstand: In Barcelona und Paris wächst zum Beispiel der Unmut über wachsende Mieten aufgrund steigender AirBnBAngebote. Auch Amsterdam will verhindern, dass Tourismus zulasten der Einheimischen geht und schränkt AirBnB-Angebote ein. Dazu soll ab diesem Jahr die Gästetaxe erhöht und nach Mitteln gesucht werden, die Zahl der Hotelzimmer zu begrenzen. In Venedig sollen Tagestouristen künftig Eintritt bezahlen. Und auf beliebten Inseln wie Lanzarote protestieren immer mehr Einheimische, die von den Einnahmen der Tourismusbranche kaum profitieren.

Es geht auch anders

Ausbeutung von Arbeitskräften ist auch bei Tourismusangeboten in Entwicklungsländern ein Thema: Schlecht bezahlte, oft saisonale Arbeitsplätze sind die Regel, der Großteil des Gewinns fließt in die Kassen großer Touristikkonzerne. Die Umwelt leidet durch erhöhten Flächen-, Wasser- und Energieverbrauch. Gegensteuern können Angebote, die sich einem sanften und nachhaltigen Tourismus verschreiben und beispielsweise das Gütesiegel „CSR Tourism Certified“ tragen – es zeichnet umwelt- und sozialverträgliche Reisen aus. Fragen, die sich dabei für Unternehmen stellen, sind: Wie viele Arbeitsplätze werden zu welchen Bedingungen geschaffen? Welcher Beitrag geht vom Tourismus für die Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen aus? Wie werden natürliche Ökosysteme erhalten? Wie können wirtschaftliche Entwicklung und interkulturelles Verständnis in Tourismusländern gefördert werden? Trägt Tourismus zur Verminderung von Armut bei und respektiert er die Lebens- und Arbeitsrechte der Menschen in den Zielgebieten?

Luftverschmutzung inklusive

Doch in erster Linie sind die Konsumenten selbst gefragt. Übers Wochenende schnell nach Paris, Weihnachten feiern in Thailand: Billigflüge verleiten zu häufigen und oft unüberlegten Auslandsreisen. Die enormen CO2-Emissionen durch Flugreisen werden dabei gerne verdrängt. Nach Schätzungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) betrug die Zahl der Flugpassagiere 2016 weltweit 3,7 Milliarden, bis 2035 wird eine Verdoppelung auf etwa 7,2 Milliarden Passagiere erwartet. Flugzeuge gehören mit ihrem enormen CO2-Ausstoß zu den größten Klimasündern, da CO2 in der Atmosphäre 2,7-mal schädlicher ist als in Bodennähe. Dazu kommen andere Emissionen wie Stickoxid, Wasserdampf, Feinstaub oder Kondensstreifen, die einen zusätzlichen Erwärmungseffekt haben. Wer trotzdem fliegen möchte und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten will, kann die CO2-Emissionen mithilfe von Kompinsationsprojekten wie atmosfair ausgleichen. Bei kürzeren Strecken bietet die Bahn eine umweltfreundliche Alternative zum Fliegen.

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig ...?

Bei Kreuzfahrtschiffen dagegen ist nicht nur die umweltschädliche Anreise ein Thema, sondern auch die Passagiere rufen vielfach Ärger hervor: Kreuzfahrttouristen überschwemmen die angefahrenen Orte regelrecht, hinterlassen viel Müll, bringen jedoch kaum Gewinn, weil sie an Bord des Schiffes übernachten und oft auch essen. Und die ökologischen Probleme sind enorm: Kreuzfahrtschiffe fahren überwiegend mit Schweröl, einem Abfallprodukt der Erdölraffinerie. Sowohl an Bord als auch in den Häfen erzeugen sie gesundheitsschädliche Feinstaub- und Stickoxidemissionen, die weit über den Grenzwerten liegen, die im Straßenverkehr gelten.

Selbst wenn die Schiffe vor Anker gehen, wird der volle Betrieb aufrechterhalten – für Beleuchtung, Klimaanlage oder Küche. In Venedig traten deswegen 18.000 Bürger der Initiative „No Grandi Navi“ bei, die sich gegen das Anlegen großer Kreuzfahrtschiffe einsetzt, über 100.000 Menschen unterzeichneten eine Petition. Mit gut 54.000 Einwohnern zählt Venedig jährlich 28 Millionen Besucher. Der Verein „Venezia Autentica“ will die Stadt vor der „Plage des Massentourismus retten“, auf der Plattform kann man individuelle Aktivitäten in Venedig buchen, die dem Reisenden das wahre Venedig zeigen. Auch die kroatische Stadt Dubrovnik hat bereits auf den Touristenansturm reagiert: Seit Anfang dieses Jahres dürfen nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig vor der Stadt anlegen, bisher waren es bis zu sieben Schiffe. Dadurch soll die Zahl der Touristen halbiert werden.