Sonnige Aussichten

Familienunternehmen
22.07.2013

Als klassische Schlosserei stand das Familienunternehmen Jindra einst wegen schwindender Aufträge vor dem Ende. Erst eine kühne Geschäftsidee hat dafür gesorgt, dass auch die heutige Generation blendende Geschäftschancen hat.
Vielfältige Auswahl: Die Firma Jindra fertigt Sonnenuhren jeglicher Art.

Text: Daniel Nutz


Seinen Vater hatten viele im kleinen Waldviertler Dorf Weiten für einen Narren gehalten, erzählt Johann Jindra V. Kein Wunder, gelten doch Sonnenuhren eigentlich schon seit Erfindung der Wasseruhr als überholt – also seit rund 3.500 Jahren. Altes muss aber nicht unbedingt nutzlos sein, befand Johann Jindra senior und begann vor mehr als 30 Jahren in seiner Metallwerkstatt an einem etwas abwegigen neuen Geschäftszweig zu schmieden. Inspirationsquelle für den hartnäckigen Erfindergeist war ein kleines Buch über die Messung von saisonalen Tagesstunden, das dem Unternehmer auf einem Flohmarkt in die Hände fiel. Die Herstellung von Sonnenuhren wäre eine blendende Geschäftsidee, um das durch das Aufkommen der ersten Baumärkte bereits schwindende Geschäft aufzufangen, befand Jindra und machte sich ans Werk. Eine gute Idee braucht oftmals einige Zeit. Acht Jahre des Studiums waren es im Falle Jindras. Dann war sie aber fertig – seine erste selbstkonstruierte Sonnenuhr.

Die fünfte Generation
Heute steht Jindras Sohn im Hof des 1858 gegründeten und bereits in der fünften Generationen geführten Betriebs. Es ist einer der ersten Hundstage des Jahres: mehr als 30 Grad im Schatten, der Schweiß läuft dem Firmenchef übers Gesicht. Aber Johann Jindra V. ist froh, überhaupt hier im Firmenhof stehen zu können. Denn hätte sein Vater nicht die wegweisende Idee gehabt, würde die Firma vermutlich gar nicht mehr bestehen, meint der Sohn. Immerhin mehr als die Hälfte des Umsatzes macht die Schlosserei mittlerweile mit der Produktion und Montage von Sonnenuhren.

Jede Uhr ist einmalig
Knapp ein Dutzend der unterschiedlichen Produkte sieht jeder Besucher direkt beim Betreten des Firmengeländes. Ins Auge sticht die Vielfalt. Egal ob Wand-, Standsonnenuhren oder auch kleine Modelle für die Westentasche – hier ist die ganze Bandbreite des Machbaren zu sehen. „Jede Uhr ist einmalig", sagt Jindra, während er an den hauseigenen Modellen grob die Technik erklärt. Er spricht von Sinus, Cosinus und Tangens und anderen ziemlich komplexen Berechnungsmethoden, die er gar nicht im Detail erklären möchte. Denn Jindra ist sich bewusst: Das vom Vater übermittelte Wissen ist in seinem Handwerk Gold wert und soll in der Familie bleiben. „Keiner meiner drei Mitarbeiter weiß genau, wie man eine Sonnenuhr konstruiert", sagt der Firmenchef, der gemeinsam mit seiner Frau den Betrieb leitet. Eines wird jedem Besucher der Werkstätte aber sofort klar: Die Konstruktion ist um einiges komplexer, als man sich das vorstellt. Vor allem bei den großen an Hauswänden angebrachten Uhren ist höchste Präzision gefragt. „Jede Uhr ist ein Einzelstück und passt nur exakt auf die jeweilige Hauswand", erklärt Jindra. Bei Standuhren sei die Sache zwar etwas einfacher, aber selbst hier verzeichne man zwischen Bodensee und Neusiedler See beim Einfallswinkel der Sonne bereits Abweichungen, die auf der Uhr eine halbe Stunde bedeuten können. Exaktes Handwerk ist also eine Grundvoraussetzung, um genaue Uhren herstellen zu können. Deshalb wird auch die gesamte Fertigung ausschließlich hier im Betrieb durchgeführt. „Wenn ich mein Firmenschild auf die fertige Uhr schraube, muss ich wissen, dass sie voll funktionsfähig ist", erklärt Jindra, wieso er keinen Arbeitsschritt auslagern möchte.

Gegen den Zeitgeist
Ab 980 Euro ist seine günstigste Standuhr zu haben. Eine Hauswanduhr samt Montage kommt auf 3.500 Euro aufwärts. Eine Stange Geld für ein Produkt, das nach Jindras eigenen Angaben keinen praktischen Zweck erfüllt. Denn freilich liegt die Funktion weniger in der Zeitangabe als in der Verschönerung von Haus und Garten. Vielleicht habe das Aufstellen einer Sonnenuhr aber auch eine andere Bedeutung, sinniert Jindra. Man könne sie auch als ein Gegensymbol zur Schnelllebigkeit und zum Stress unserer Zeit sehen. Denn der im Geschäftsleben oft dominierende Zeitbegriff ist einer, der Jindra grundlegend widerstrebt. „Wenn alles schnell gehen muss, kommt selten etwas Gutes dabei raus", so Jindra. Seine Mitarbeiter würden frei von Druck arbeiten können, beteuert er. Das Ergebnis müsse passen, auch wenn man etwas mehr Zeit für die Arbeit investierte. Beim Kunden kommt diese Philosophie offenbar an. Auch in der Geiz-ist-Geil-Kultur sind einige doch bereit, für Jindras Produkte etwas tiefer in die Tasche zu greifen. In etwa 40 Stand- und 15 Wanduhren verkauft man pro Jahr. „Es ist schön zu erfahren, dass die Kunden auch erkennen, dass gutes Handwerk etwas kostet", meint Jindra.

Tourismus als Standbein
Doch beim guten Handwerk endet Jindras Geschäftssinn noch lange nicht. Nur um seine Sonnenuhren zu bestaunen, würden kaum 6.000 Touristen jährlich bei ihm Einkehr halten. Die Busse kommen vielmehr deshalb, weil der Besuch seiner Sonnenuhrenausstellung sehr gut als Abstecher nach oder vor dem Besuch des nur wenige Kilometer entfernten Stift Melk taugt. „Gerade in der Provinz musst du erfinderisch sein, um dich als Selbstständiger über Wasser zu halten", sagt Jindra. Mit den gut halbstündigen Führungen durch die Geschichte der Sonnenuhr hat man ein ziemlich einträgliches Nebengewerbe erschlossen. Und einige seien immer dabei, die über den Touristenstopp auf die Idee kämen, sich selbst eine Sonnenuhr zu gönnen.

Fortsetzung der Dynastie
So bleibt Jindras Geschäft auch in der fünften Generation am Laufen. Mit Anfang vierzig denkt Jindra zwar noch lange nicht an den Ruhestand. Doch einen Wunsch hat er schon. Einmal soll sein Sohn den Betrieb übernehmen. Er heißt Johann, so wie alle bisherigen Eigentümer des Familienunternehmens. Und wer weiß, vielleicht hat Johann VI. auch so eine blendende Geschäftsidee wie einst der Großvater und der
Vater.