Margarete Schramböck

2022 wird ein ­Wachstumsjahr

Standort
05.05.2022

 
Drohende Gasknappheit, der Mangel von Fachkräften und steigende ökologische Anforderungen: Die Zeiten waren für die Wirtschaft schon einfacher. Doch es gibt Lichtblicke und vielversprechende Lösungsansätze, wie ein Blick auf den Standort mit Bundesministerin Margarete Schramböck offenbart.
Margarete Schramböck

2022 wird ein ­Wachstumsjahr

Inflation, Energiepreise, Klimawandel, Digitalisierung, Covid, Fachkräftemangel: Die Liste der Herausforderungen, die den Standort aktuell betreffen, ist lang. Gegenzusteuern ist teuer. Wie lange kann der Staat bei dieser Vielzahl an Baustellen entgegenhalten? Der Staat kann natürlich nicht alle Probleme ausgleichen. Das muss er auch nicht. Die Unternehmen sind zum Glück selbst sehr flexibel und anpassungsfähig. Aber natürlich müssen wir gewisse Maßnahmen treffen. Darum wurde jetzt auch ein vier Milliarden Euro schweres Unterstützungspaket beschlossen. Darin sind auch Maßnahmen enthalten, die Unternehmen helfen. Vor allem hinsichtlich der gestiegenen Energiepreise.

Welche sind das? Die Ökostrompauschalen werden zum Beispiel ausgesetzt. Davon profitierten vor allem energieintensive Unternehmen. Die Energiekosten wurden jetzt auch dadurch gesenkt, dass die Energieabgaben auf Gas und Strom weiter gesenkt werden. Auch davon profitieren Unternehmen.   

Wie schnell kann Österreich weg von Gas- und Stromimporten kommen und muss die Gesetzgebung geändert werden, um den Bau von neuen Anlagen zu beschleunigen? Mit dem UVP-Verfahren geht es so nicht weiter. Ganz viele große Projekte für erneuerbare Energien und Wasserkraft stecken fest. Und zwar seit Jahren. Die Zahlen des Umweltbundesamtes belegen das. Manche Wasserkraftwerksbauten werden seit 200 Monaten verhindert. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wenn wir die Energiewende und auch die Unabhängigkeit von russischem Gas schaffen wollen, müssen wir Zeitlimits für die Entscheidung setzen.

Gibt es die jetzt nicht? Doch, aber sie werden nicht eingehalten. Niemand hält sich an die Fristen. Wir brauchen aber dringend mehr Geschwindigkeit. In den 90ern konnte man sich so eine Vorgehensweise vielleicht noch leisten, aber jetzt geht das nicht mehr. Es wäre zudem sehr einfach, eine Erneuerung des Gesetzes durchzuführen. Der Ball liegt diesbezüglich bei der Energieministerin.  

Mit dem UVP-Verfahren geht es so nicht weiter.

Margarete Schramböck

Bis die neuen Anlagen im Einsatz sind, wird es aber noch so oder so dauern. Wie lösen wir die Energiefrage bis dahin? Darum ist mir auch das Thema Grüngas so wichtig. Grüngas kann rasch aus Abfällen oder Gülle gewonnen werden. Und wenn wir eine verpflichtende Beimengung einführen, würden sich die Businesscases zur Produktion sofort rechnen, weil dadurch entsprechende Abnahmemengen gesichert wären. Es gibt Studien, die belegen, dass Österreich bis zu 22 Prozent seines Gasbedarfs selber herstellen könnte. Dadurch könnten wir rasch viel unabhängiger von Importen werden. Entsprechende Konzepte liegen schon lange in der Schublade. Sie müssten nur beschlossen und umgesetzt werden. Auch, weil ohne Grüngas und den Ausbau von Wasserkraft das Klimaziel nicht zu erreichen ist.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei standortstrategischen Weichenstellungen in Ihrem Ressort? Wir haben eine eigene Stelle eingerichtet, die auf die Berücksichtigung der Sustain­able Development Goals (SGD) achtet. Die Nachhaltigkeitsziele der UN fließen also immer in alle Überlegungen mit ein. Auch in die Strandortstrategie, die den großen Rahmen vorgibt. Genau wie die Betriebe, setzen auch wir auf Nachhaltigkeit. Sie ist übrigens auch stark in der ökosozialen Marktwirtschaft integriert.

Stichwort Standortstrategie: In welchen Bereichen hat Österreich das Zeug, eine absolute Topadresse zu werden? Zum Beispiel im Pharma-Bereich. Hier gab es richtungsweisende Großinvestitionen von Böhringer Ingelheim und Novartis, die wir nach Österreich holen konnten. Eine ähnlich strategische Investition ist auch bei Infineon erfolgt. IT und Pharma: In diesen beiden Bereichen gibt es besondere Exzellenz am Standort. Um unsere Stellung auszubauen, haben wir nun auch 50 Mio. zur Förderung von Medikamentenforschung freigegeben. Dadurch entstehen auch neue, hochwertige Arbeitsplätze. Solche Leuchttürme werden wir auch weiterhin intensiv unterstützen.

Mit welcher wirtschaftlichen Entwicklung rechnen Sie für das laufende Jahr? 2022 wird trotz aller Probleme ein Wachstumsjahr werden. Die Erwartungen sind natürlich durch den Krieg in der Ukraine und durch die hohen Energiepreise gedämpft worden. Ansonsten hätten wir ein sehr starkes Wachstum gehabt. Doch Wachstum gibt es immer noch. Das ist der Unterschied zu den 70er-Jahren. Wir sind auch bei der Arbeitslosigkeit auf einem sehr geringen Niveau.

Aufgrund des Krieges rechnen viele Experten mit einer steigenden Anzahl an Cyberangriffen auf Österreich. Wie schätzen Sie die Bedrohung für Unternehmen ein? Es wird sicher vermehrt Angriffe auf Länder und Unternehmen geben, die die Sanktionen mittragen. Hier braucht es klare Unterstützung für KMU. Wir haben darum eine Förderung für Cybersicherheit aufgelegt. Kleine Unternehmen können sich bewerben und 20.000 Euro bekommen. Die Nachfrage ist extrem hoch und wir hoffen, damit einen Anstoß zu geben.

Gute Kontakte zum Osten und auch zu Russland waren in der Vergangenheit durchaus wichtig für Österreich als Standort. Haben Sie ein Szenario für eine Positionierung nach dem Krieg im Kopf? Man muss sicher genau zwischen EU-Mitgliedern und Russland unterscheiden. Russland hat schon nach dem Einmarsch auf der Krim und den darauf folgenden Sanktionen an Bedeutung verloren. Das Handelsvolumen lag vor dem Krieg bei vier Milliarden, mehr als die Hälfte davon waren die Gasimporte. Russland spielt also schon lange keine Rolle mehr als Markt. Wirtschaftliche Folgeabschätzungen zum Krieg rechnen mit 0,5% des BIP. Weit größer sind die indirekten Folgen aufgrund gestörter Lieferketten.

Wie kann das Verhältnis zu Russland in Zukunft aussehen? Wenn die Souveränität von Staaten verletzt wird, sind wir verpflichtet, Sanktionen zu verhängen und zu überwachen. Dies ist auch wichtig, um zu verhindern, dass Russland vielleicht in andere Staaten einmarschiert. Wenn Ähnliches im Baltikum oder Polen passieren würde, wären die wirtschaftlichen Probleme in Europa noch viel, viel größer. Darum stehe ich zu 100 Prozent zu den Sanktionen. Auf der anderen Seite benötigen wir auch neue Märkte. Der arabische Raum entwickelt sich beispielsweise gerade sehr schnell. In vielen Ländern der Region ist gerade eine Transformation weg von Öl hin zu erneuerbaren Energien im Gange. Darin steckt ein Riesenpotenzial. Ich war kürzlich mit 30 Unternehmen in Saudi-Arabien, wo es eine sehr hohe Nachfrage nach Greentech-Lösungen aus Österreich gibt. Diese Potenziale sollten wir heben und die Zusammenarbeit ausbauen.

Haben Sie den Eindruck, dass die EU aufgrund der Krise geeinter auftritt und noch stärker zusammenwächst? Ja, wir rücken näher zusammen. Nun wird auch stärker darauf geachtet, dass wieder mehr in der EU produziert wird. Bei Chips, Medikamenten, Wasserstoff, Batterien und Energie müssen wir resilienter werden. Wir dürfen uns nicht mehr so abhängig machen. Natürlich wollen wir als kleines, exportorientiertes Land den internationalen Handel weitertreiben, aber wir sollten nicht so naiv sein und uns in Schlüsselbereichen auf andere verlassen.