Wie führen wir?

Redaktion Die Wirtschaft
16.10.2013

Ein Chef kann Freund oder Autoritätsperson sein. Beides kann zum Erfolg führen, wie die Beispiele der IT-Giganten Apple und Google zeigen.

Von Florian Gasser, Michael Riedmüller

„Du bist gut, verdammt gut“, brüllt ein Manager im Businesshemd einen barfüßigen, bärtigen jungen Mann an, „aber du bist ein Arschloch.“ Es sind die 1970er-Jahre, und wir befinden uns im Gebäude von Atari, damals eine der wichtigsten Computerfirmen. Der Angebrüllte heißt Steve Jobs, die Szene taucht im neuen Film über das Leben des Apple-Gründers auf. Der junge Jobs lächelt seinen Vorgesetzten nur süffisant an und verlangt rotzfrech sein eigenes Projekt. Später einmal sollte er es sein, der mit Beschimpfungen seine Angestellten oft zur Verzweiflung bringt. Für viele hat Jobs’ Führungsstil dennoch Vorbildfunktion.

Was zu der Frage führt: Soll ein Chef nett sein oder böse, Freund oder Autoritätsperson? Apple wäre ohne seinen autoritären Guru an der Spitze nie zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Auch Google muss sich wenig Sorge ums Geschäft machen, ganz ohne Arschlöcher in Spitzenpositionen. „Don’t be evil“ – sei nicht böse, so lautet von jeher das Credo des Internetriesen.
 
Google: erfolgreiche Laissez-faire-Strategie
Was ursprünglich vor allem nach außen als Abgrenzung zum personifizierten Bösen Microsoft galt, hat sich in den vergangenen zwei Jahren als interne Führungskultur durchgesetzt. Lange Zeit verfolgte Google eine Laissez-faire-Strategie: Das Unternehmen stellte smarte Techniker ein und beförderte die Besten unter ihnen zu Führungskräften. Doch ist ein brillanter Programmierer auch ein guter Manager?
Um das herauszufinden, lancierte Google 2011 das Projekt Oxygen. Das Ergebnis: Technische Expertise ist die unwichtigste Eigenschaft für eine Führungskraft. Die Fähigkeit, komplizierteste Computercodes im Schlaf schreiben zu können, zählt wenig, wenn ein Team aus Technik-Nerds geführt werden soll. Die top drei: „Sei ein guter Coach“, „Stärke dein Team“ und „Drücke Interesse für das Wohlergehen deiner Teammitglieder aus“.

„Meine erste Reaktion war: ‚Das ist es‘?“, sagte Google-Personalchef Lazlo Bock bei der Vorstellung des Projekts. Die Antwort war einfach: Ja! Die wichtigste Eigenschaft für einen Google-Manager ist eine gute Beziehung zu seinen Mitarbeitern und einfache Zugänglichkeit. Mit anderen Worten: je netter, desto besser. Ben Waber, Professor am M.I.T, brachte es gegenüber der „New York Times“ auf den Punkt: „Wenn du von Freunden umgeben bist, bist du glücklicher, loyaler und produktiver. Google ist die Antithese zum alten Fabriksmodell, wo Menschen nur ein Rädchen im Getriebe waren.“
 
Apple: mit der Peitsche zum Innovator
Steve Jobs hätte die Ergebnisse von Oxygen wohl in der Luft zerrissen. Er hatte einen völlig anderen Zugang. Doch auch von der Führungsstrategie des 2011 verstorbenen Apple-Gründers lässt sich vieles lernen, auch wenn nicht alles nachgeahmt werden sollte, wie der Autor und Unternehmensberater Jon Katzenbach vergangenes Jahr schrieb.

Jobs hatte ein Gespür für Talente, umgab sich mit Spitzenkräften und trieb diese immer weiter. Zu sich selbst war er nicht weniger hart und fordernd wie gegenüber seinen Angestellten. Doch er war auch wankelmütig, seine Begeisterung konnte rasch wieder nachlassen. Die Spitzenleute des Unternehmens überhäufte er mit Lob, verhalf ihnen zu Ruhm – der Rest blieb oft frustriert auf der Strecke. Jobs war alles andere als ein einfacher Charakter. Sein Biograf Walter Isaacson beschreibt einen ungeduldigen, launenhaften, oft gemeinen und unreifen Firmenchef, der fast manisch auf einzelne Projekte fixiert war.

Lässt sich das Erfolgsrezept kopieren? Katzenbach glaubt nicht daran. Wer auftritt wie Jobs, jedoch auf dem falschen Markt agiert, könne seinem Unternehmen sogar schaden. Jobs’ Innovationsfähigkeit überstrahlte seine sozialen Defizite. Bei seinem Nachfolger Tim Cook ist es umgekehrt. Sein ruppiges Auftreten wird von Mitarbeitern scharf kritisiert. Kurzum: Nur Genies können es sich als Chef leisten, ein Arschloch zu sein.

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