„Man kann keine goldenen Wurstsemmeln fressen“

Redaktion Die Wirtschaft
02.04.2012

Leo Hillinger legt die Karten offen auf den Tisch: Wie ihn eine Erkrankung geläutert hat, was für ihn Luxus bedeutet und warum er heute richtig entspannt einfach nur Weinbauer sein kann.

Mitten in den Berg gebaut, ragt das Firmengebäude von Leo
Hillinger über die bucklige Landschaft von Jois. Viel Glas, klare Flächen und exklusive Materialien prägen die Architektur. So wie das Firmengebäude zur Gegend, steht auch sein Besitzer auf den ersten Blick im Kontrast zu seinem Beruf. Mit der blonden Mähne, der Sonnenbrille und den Designerklamotten wirkt Hillinger nicht wie ein Weinbauer, sondern wie ein Rockstar. Sein harter Händedruck und sein Dialekt beweisen aber das Gegenteil. Von Anfang an per Du, hat er mit uns über Luxus, böse Abstürze und darüber, dass er nicht bloß ein Marketinggenie ist, gesprochen.

Du hast den Betrieb sehr jung übernommen. Wie hat dich das geprägt?
Extrem. Dadurch, dass ich keine Erfahrung gehabt habe, musste ich aus meinen Fehlern lernen. Wenn mir heute jemand etwas verkaufen will, hat er es nicht einfach. Ich bin dadurch sehr sorgfältig und selektiv geworden.

Du hast dir im Ausland deine Sporen verdient und bist mit neuen Ideen heimgekehrt. Hattest du damals den Eindruck, alles besser zu wissen?

Als ich zurückgekommen bin, habe ich hier nur verbrannte Erde vorgefunden. Hier wusste keiner irgendwas. Die Topwinzer schon, aber im Ort war nix da. Man hat sich gar nicht unterhalten können. Ich war aber schwer motiviert. Zum Glück hab ich dann ein paar Junge gefunden, mit denen ich den Weg gegangen bin.

Wie waren denn die ersten Reaktionen auf deine Ideen im Ort?
Am Anfang habe ich ja keine Weingärten gehabt. Ich wollte mir von Grapegrowern die Weintrauben machen lassen. Doch hier sind alle über Generationen zur Massenproduktion getrimmt worden. Am meisten haben meine Eltern gelitten. Weil die Leute gesagt haben, der dreht durch. Für mich war das aber immer motivierend. Wenn du Leute hast, die gegen dich sind, bist du auf dem richtigen Weg.

Verspürst du heute auch noch Gegenwind?
Ich habe extrem viele Neider. Vielen sagen, dass der Hillinger zwar ein Marketinggenie ist, aber keinen guten Wein macht. Das ärgert mich sehr, weil die meine Weine nicht probiert haben können. Wir gewinnen viele Blindverkostungen!

Welchen Wein trinkst du am liebsten?
Alles, was gut ist, die Farbe ist egal.

Bist du oft betrunken?
Ich kann nicht betrunken sein, das ist nicht gut fürs Image. Früher bin ich allerdings selten heimgegangen, bevor nicht der Letzte von der Bar gefallen ist. Aber mit 35 habe ich erkannt, dass ich mein Leben nicht meinem Beruf opfern will.

Siehst du dich heute mehr als Winzer oder als Unternehmer?
Ich habe mich einmal eine Zeitlang als Unternehmer gesehen und sehe mich jetzt als Winzer. Ich bin nicht mehr so umtriebig, weil es nicht mehr nötig ist. Wenn es einmal rennt, rennt’s. 

Hast du dir deine berufliche Zukunft so vorgestellt?
Dass sich das einmal so entwickelt, hätte ich mir nie geträumt. Ich bin ja auch schon so in der Scheiße gewesen, und alle haben noch auf mich draufgetreten. Der Banker wollte mir gar nichts mehr geben. Aber jetzt hat sich halt das Blatt gewendet!

Klingt nach ausgleichender Gerechtigkeit.
Ja, heute stricke ich einen Pullover mit einer Hand. Ich bin so entspannt. Wenn heut der Wind geht, geh ich unten am Neusiedler See Kitesurfen. 

Wer kümmert sich ums Geschäft, wenn du weg bist?
Meine 50 sensationellen Mitarbeiter. Für sie würde ich alles machen und sie auch für mich. Ich habe auch viele Freunde ins Unternehmen involviert. Früher habe ich alles selber gemacht, jetzt hat jeder seinen Bereich.

War es leicht für dich, Verantwortung abzugeben?
Nein. Vor vier Jahren hatte ich aber eine sehr schwierige Zeit. Auch gesundheitlich. Ich habe davor geglaubt, ich sei unzerstörbar. Und dann auf einmal hat es mich körperlich komplett zerlegt. Ich konnte nicht mehr. Meine Einstellung zum Leben hat sich dadurch stark verändert.

Wie denn?
Das Wichtigste für mich sind jetzt Familie und Gesundheit. Mit meinen zwei Kindern verbringe ich jetzt sehr viel Zeit. Das taugt mir voll. Ich würde für sie töten. Ich habe sie leider bis drei nicht wirklich gekannt.

Sollen sie das Unternehmen einmal bekommen?
Ich habe mich neulich mit meinem Sohn darüber unterhalten und ihm gesagt, dass er werden kann, was er will. Mein Vater hat mir damals voll Stoff gegeben. Als ältester Sohn sollte ich es machen. Und das hab ich ja auch. Aber der Vater trinkt bis heute keine Weine von mir.

Was ist Luxus für dich?
Zeit mit meinen Kindern verbringen zu können, Gesundheit und Zufriedenheit. Je mehr ich hab, desto weniger brauche ich. Privatjet, dorthin und dahin. Das braucht man alles nicht. Was bringt das auch? Man kann keine goldenen Wurstsemmeln fressen. Wenn es einem einmal so schlecht gegangen ist, gesundheitlich, und wenn man einmal ganz unten war, dann will man das nicht mehr.

Klingt so, als hätte dich die Krankheit geläutert?
Das ist auch so.

Was unterscheidet den Geschäftsmann vom privaten Hillinger?
Nichts. Sonst ist man nicht authentisch. Man kann da nix vorspielen.

Interview: Stephan Strzyzowski

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