His Shoes are Made for Walking

Redaktion Die Wirtschaft
02.10.2012

Anton Devich erzeugt im Bregenzer Wald Holzschuhe, wie man sie im 19. Jahrhundert trug. Und trifft damit punktgenau den Zeitgeist.

Text: Daniel Nutz

Auf den ersten Blick gibt es nicht viel, was für einen Besuch der kleinen Gemeinde Bezau im Bregenzerwald spricht. Das kleine Wälderbahn-Museum ist nett. Die Natur ist hier auch nicht prächtiger als rund um die anderen kleinen Orte, die sich von der Landeshauptstadt Bregenz gegen Südosten erstrecken. Doch die Hauptattraktion der 2.000-Seelen-Gemeinde liegt in einer Seitenstraße gut einen Kilometer von der Dorfkirche entfernt.

„Wo geht’s hier zum Devich?“, fragt ein Autolenker mit auswärtigem Kennzeichen. Anscheinend sind wir nicht die Einzigen, die der Holzschuhmanufaktur einen Besuch abstatten wollen. Obwohl es noch nicht mal zehn Uhr morgens ist, tummelt sich schon die Kunden im überschaubaren Verkaufsraum. Sie ziehen unterschiedliche Schuhe aus den Regalen. Manche mit Lederriemen, die meisten sind mit Fell bezogen, auch Stiefel sind dabei. Alle bestehen sie großteils aus Holz.

Maschinelle Fertigung
In der dem Verkaufsraum anschließenden Werkstätte steht Anton Devich und zeigt uns, wie die Schuhe hergestellt werden. Je nach Modell sind 20 bis 30 Arbeitsschritte vonnöten, um Bretter aus Pappel oder Ahorn zu formen und mit den gegerbten Fellen aus Brasilien oder Italien zu einem Schuh zu machen. Die meisten Arbeitsschritte laufen maschinell ab. „Sonst könnten wir die Kundenanfragen nie erfüllen“, grinst Devich und deutet auf den vollen Verkaufsraum. Läuft alles glatt, ist ein Paar in 45 Minuten fertig. Mehr als 10.000 Stück produziert man so jährlich. Allerdings kaum genug für den Hunger der Kundschaft, denn Devich ist so etwas wie ein ungewollter Monopolist. Weil Holzschuhe wie seine – die macht sonst keiner! Devich übt ein Handwerk aus, für das es keine Ausbildung gibt. Das Schustern der „Hölzler“, wie sie hier im Volksmund heißen, hat er von seinem Vater gelernt, dieser wiederum von seinem Vater.

Die Hölzler gibt es im Bregenzerwald schon seit Menschengedenken. Anders als bei den bekannten niederländischen Holzschuhen besteht bei diesen nur das Fußbett aus Holz, darüber kommt das typische Fell oder glattes Leder. Das macht sie leichter und prädestiniert sie für die Stallarbeit. Erst in den 1970er-Jahren verdrängte industriell hergestellte Massenware die Holzschuhe allmählich aus dem Alltag der hiesigen ländlichen Bevölkerung. Devichs Vater bekam diese Krise zu spüren, litt unter Umsatzrückgängen. „Die Mode ist ein Kommen und Gehen“, sagt Devich und gibt damit indirekt die Antwort auf die Frage, wieso er dennoch 1992 in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist. Als nunmehr einziger Hersteller das Landes ging es tatsächlich mit der Nachfrage bergauf. Doch der Grund, wieso ihm heute die Kundschaft die Türen einläuft, ist ein anderer.
Ein Holzschuh für jedermann
Devich hat nämlich erkannt, wie die guten alten Hölzler in der gängigen Mode etabliert werden können. Bei den Dorffesten in der Gegend sieht man mehr Schuhe aus dem Hause Devich als von den großen US-Herstellern Nike und Co. In Devichs Laden probieren gepiercte Jugendliche, welcher Holzschuh am besten zum jeweiligen Outfit passt. Das Erfolgsrezept ist Innovation. Devich kombiniert alle möglichen Felle und Ledersorten. Neben dem klassischen Wälderschuh sind Clogs und Sandalen ebenso im Sortiment wie seit einigen Jahren auch Stiefel. „Ich versuch das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden“, sagt Devich. Nützlich sind sie vor allem in kalten Wintern, in denen sie den Fuß warm halten. Doch durch die Isolierkraft der verwendeten Felle ist der Hölzler im Sommer auch ein probates Mittel gegen Schweißfüße.

Mit den Hölzlern in die Kirche
Dass man mit Holzschuhen heute in Bezau durchaus auch in die sonntägliche Messe gehen kann, macht nicht nur Devich selbst vor. Neben den kirchentauglichen schwarzen Schuhen gibt es aber auch Ausgefallenes: Heuer neu im Sortiment sind rot und schwarz gefärbte Schafslocken. Ein Schuh für besondere Geschmäcker. Das individuelle Eingehen auf Kundenwünsche ist allgemein eine der Stärken Devichs, die ihn auch von Trittbrettfahrern aus Deutschland, die sich seit einiger Zeit als Holzschuherzeuger versuchen, abheben soll. Auf Wunsch hat er schon Schlangenleder oder Bärenfell verarbeitet. Ausgefallene Kundenwünsche sind für Devich letztlich auch ein willkommener Ansporn. „Du darfst nie aufhören, deine Fertigkeiten zu verbessern, sonst geht auch irgendwann die Leidenschaft verloren“, sagt er. Immer wieder will er seine Produkte verbessern. „Mich stört der Riemen da. Der muss weg“, sagt er und deutet auf einen Schuh seiner Kollektion. Devich ist ein Besessener, und diese Leidenschaft hat er auch an seine zwei Kinder weitergegeben, die schon heute im Betrieb mitarbeiten und irgendwann die Bezauer Holzschuhtradition weiter in die Welt hinaustragen sollen. Denn die Hölzler werden mittlerweile auf alle Kontinente verschifft. Dass, obwohl Devich sich weigert, Werbung zu machen oder einen Vertriebspartner zu nehmen. „Meine Werbung sind die Kunden, die immer wieder kommen“, sagt er und lässt dabei ein wenig Sturheit durchklingen. Mit Vertriebspartnern habe sein Vater schlechte Erfahrungen gemacht, erklärt er, wieso man seine Schuhe auch künftig nur über seinen Laden kaufen oder über seine Website bestellen kann.

Lebensqualität statt Geschäftserfolg
Doch es gibt noch einen Grund, wieso Devich seinen Betrieb klein halten will. „Was nützt dir das ganze Geld, wenn du krank bist“, sagt er und wird plötzlich nachdenklich. Zaghaft beginnt er von seinem geschäftlichen Aufstieg zu erzählen, der durch seinen Ehrgeiz und seine Einsatzbereitschaft getragen war. Zwölf Stunden Arbeit jeden Tag, ohne je eine volle Woche Urlaub zu nehmen. Devich erlitt einen Bandscheibenvorfall und stand nach eigenen Angaben am Beginn eines Burnouts, als er vor zwei Jahren die Reißleine zog und sich eine strikte 40-Stunden-Woche verordnete.

Zwei Mitarbeiter hat er seither abgebaut, weil er den Betrieb schön übersichtlich haben wolle. Devich deutet in seinen menschengefüllten Verkaufsraum: „Die Kunden müssen jetzt halt manchmal ein paar Wochen auf einen bestimmten Schuh warten.“ Dafür müssen sie nur wiederkommen, wenn sie ein weiteres Paar haben wollen. Denn Devich verspricht Schuhe für eine kleine Ewigkeit. Aus einer Schublade holt er ein paar gut 30 Jahre alte Holzschuhe hervor, die noch aus der Hand seines Vaters stammen müssen. Das wäre die erste Reparatur – dann halten die nochmals zehn Jahre.

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