Die Kraft des Bullen
Anlage: Aktien zählen zu den wenigen Anlageformen, die derzeit eine Netto-Rendite versprechen. Doch in welchen Märkten und Branchen lohnt sich noch ein Einstieg?

Selbst wenn die Börsen heuer auf Jahressicht vermutlich nicht so brüllend laufen wie 2013, bleiben Aktien die einzige Anlageform, die derzeit noch immer ordentliche Erträge bringt. Mit Staatsanleihen oder gar dem Sparbuch ist es dagegen de facto unmöglich, die Inflation zurückzuverdienen. „Anleger können gar nicht anders, als Aktien zu kaufen, wenn sie eine Chance auf Rendite wollen“, sagt Helge Rechberger von Raiffeisen Research.
2013 haben die Börsen eine wahre Rally hingelegt, während die Entwicklung heuer eher schaumgebremst verlief und eine Korrektur in der Luft liegt bzw. schon begonnen hat (siehe Kasten). Das Ergebnis der stürmischen Entwicklung des Vorjahres ist allerdings, dass die KGVs (Kurs-Gewinn-Verhältnisse) in Europa in den vergangenen eineinhalb Jahren von 11 auf 13 gestiegen sind. US-Papiere sind heute mit einem KGV von 15 bis 16 noch teurer. Dennoch: „Diese Werte liegen nicht signifikant über dem langjährigen Schnitt, die Bewertungen sind nicht aus dem Ruder gelaufen“, meint Aktienanalyst Stephan Lingnau von der Erste Bank.
Attraktive Titel sind rar
„Schnäppchen gibt es keine mehr. Die Auswahl ist viel schwieriger geworden, man muss immer mehr ein Trüffelschwein sein, um Perlen zu finden“, sagt Robert Karas, Leiter des Asset Managements der Schoellerbank. Man müsse auch unterscheiden, ob jemand jetzt einsteigen wolle oder bereits investiert sei. In letzterem Fall könne es bei hohen Kursen durchaus Sinn ergeben zu prüfen, ob der Preis noch fair sei, und Gewinne mitzunehmen. Neuanleger sollten genau die Bewertung ansehen und nicht voll investieren, also noch trockenes Pulver für eine mögliche Kurskorrektur haben, so Karas.
Lingnau und seine Kollegen der Erste Bank nennen in ihrer globalen Anlagestrategie vier Branchen, in denen überdurchschnittlich hohe Gewinne zu erwarten seien: Basiskonsum, Öl und Gas, Technologie und Gesundheit. Negativ bewerten die Experten die Sektoren Telekom, Versorger und Finanzen.
Ergänzend erläutert Rechberger, dass die Entwicklung an den Märkten schon längere Zeit nicht mehr rein liquiditätsgetrieben sei, er ortet eine konjunkturinduzierte Rally, die positiv auf die Firmengewinne durchschlage. Er rät Investoren, zyklische Sektoren wie Grundstoffe, Konsum oder Industrie überzugewichten, auch der Energiesektor werde wieder kommen.
Hinsichtlich der geografischen Streuung kommt Raiffeisen Research zu folgendem Schluss: Japanische und ausgewählte europäische Aktien sollten bei weiter anhaltender Schwäche auch wegen attraktiverer Bewertungen verglichen mit ihren US-Pendants akkumuliert werden.
Kommt die Kurskorrektur?
Uneins sind die Experten bei der Mutter aller Fragen, ob es an den Märkten zu einer Korrektur nach unten kommen werde und wie kräftig sie sein könnte. Mögliche Auslöser: Die US-Notenbank erhöht überraschend die Zinsen, oder es kommt (auch wegen geopolitischer Verwerfungen) zu einer Konjunkturflaute.
Davor ist Silvia Cova von der Bawag/PSK Invest nicht bange: „Nach der Rally wäre eine kleine Korrektur schön und gesund. Fünf bis zehn Prozent wären nicht schlecht, aber auch die im Markt genannte Zahl von 20 Prozent wäre historisch gesehen akzeptabel und sollte nicht schaden.“ Rechberger meint dagegen, dass die Märkte gegen eine starke Korrektur durch Konjunktur und Liquidität abgesichert seien und die Anleger günstigere Kurse gleich wieder für Käufe nützen würden.