Das Kranz-Diktum

Redaktion Die Wirtschaft
11.11.2013

Da es mir schwerfällt, etwas Lustiges über Fehler zu schreiben, versuch ich es mit Ernsthaftigkeit. Fehler werden stets als etwas Negatives wahrgenommen. Klar, sie sind wichtig, um aus ihnen zu lernen, es hat aber noch niemand ausgerufen: „Hurra, ich habe einen Fehler gemacht!"

Gene Kranz an seinem Arbeitsplatz (Bildmitte)

Ich war auch noch nie in einer Krisensitzung, in der man das drohende Scheitern eines Projekts als tolle Chance interpretiert hat. Nein, verdammt! Allen Fehlern ist gemein, dass man sie lieber nicht gemacht hätte. Weil man sie aber gemacht hat, sind sie da. Hier hilft Gene Kranz. Das ist der Typ, der die havarierte Apollo 13 vom Kontrollzentrum in Houston aus zurück auf die Erde gebracht hat. Kranz hat durch sein Verhalten nicht nur die Leben der drei Astronauten gerettet, sondern als Nebenprodukt ein Management-Paradigma erschaffen. Es ist bestechend einfach und lautet: Suche eine Lösung!

Viele Menschen reagieren auf Fehler mit: Suche einen Schuldigen! Fehler sind tabu. Bei einem Tabubruch, das kann man bei Sigmund Freud nachlesen, ruft der Mensch nach einem Richter und meistens auch gleich nach einem Henker. Die entstandene Schuld wird dem Opfertier übertragen, und wenn der Sündenbock sein Leben ausgehaucht hat, fühlen sich alle wieder besser. So sind wir. Anders Gene Kranz: Als 1967 drei Astronauten bei einem Test am Boden in ihrer Raumkapsel bei lebendigem Leib verbrennen, sagt er tags darauf zu seinem Team: „Ich weiß nicht, was die Untersuchungskommission als Ursache herausfinden wird. Ich weiß aber, was ich herausgefunden habe: Wir sind die Ursache! Wir haben unseren Job nicht gemacht. Wir haben gepokert und gehofft, dass am Ende alles irgendwie gutgehen würde, obwohl wir in unseren Herzen gespürt haben, dass es dazu ein verdammtes Wunder braucht. Kein einziger von uns ist aufgestanden und hat Stopp gerufen! Von diesem heutigen Tag an werden wir hingegen hartnäckig und kompetent sein. Hartnäckig heißt: Wir sind verantwortlich für unser Handeln und werden dabei nie wieder einen Kompromiss machen. Kompetent heißt: Wir werden nie wieder etwas als gegeben hinnehmen. Nie wieder werden wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten zurückhalten. Ich will, dass ihr jetzt zu euren Schreibtischen geht und diese beiden Wörter an eure Pinnwand schreibt.“

Mehr als drei Jahre und zwei Mondlandungen später wird sein Diktum auf eine harte Probe gestellt, als der Sauerstofftank der Apollo 13 explodiert. Das Raumschiff ist zu diesem Zeitpunkt 300.000 Kilometer von der Erde entfernt, die Lage aussichtslos. Kranz muss im Sekundentakt kritische Entscheidungen treffen. Er braucht Lösungen für unlösbare Probleme und treibt sein Team zu immer neuen Ansätzen. „Out of the Box“-Denken wird zur Überlebensfrage. Die Rettung gelingt, der Rest ist Geschichte. Ein Mitarbeiter wurde später gefragt, ob denn nicht einfach Panik ausgebrochen sei: „Nein“, antwortete dieser, „immer wenn Fehler passiert sind, haben wir ganz ruhig alle Optionen betrachtet, und Scheitern war keine Option.“ Daraus wurde das Zitat „Failure is not an option“ gebastelt und Gene Kranz in den Mund gelegt. Das ist insofern okay, als es auf den Punkt bringt, was Führungskräfte von ihm lernen können: cool bleiben, alle Optionen betrachten und unter Nutzung des vorhandenen Wissens hartnäckig nach einer Lösung suchen.

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