Interview

Business-Trips und Dauerstress: Der Preis der Mobilität

15.12.2025

Was passiert mit Körper und Nervensystem, wenn wir ständig auf Achse sind? Dennis Huskic begleitet Menschen, die zwischen Zeitzonen pendeln und trotzdem Leistung bringen müssen. Im Interview erklärt er, wie man unterwegs gesund bleibt – ohne sich zu ruinieren.

Meetings in drei Städten pro Woche, unregelmäßige Mahlzeiten, ständiger Zeitdruck – für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist das Alltag. Dennis Huskic, medizinisch fundierter Coach für Leistungsoptimierung, sieht darin ein unterschätztes Gesundheitsrisiko. Im Interview erklärt er, wie Vielreisende sich systematisch selbst überfordern, warum klassische Tracking-Apps oft nicht helfen – und was es braucht, um unterwegs gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Dennis Huskic
Dennis Huskic (C) dennishuskic.de via thewayofbusiness.de

Die Wirtschaft: Herr Huskic, Sie arbeiten mit vielen Menschen, die beruflich viel unterwegs sind. Was sind aus Ihrer Sicht die drei größten Belastungen, die oft unterschätzt werden?
Dennius Huskic: In meiner Arbeit sehe ich immer wieder drei Faktoren, die massiv unterschätzt werden: Erstens der chronische Energiemangel durch Schlaf- und Rhythmusstörungen. Viele meiner Klienten schlafen schlecht, aber merken es kaum noch, weil sich eine Art „Grundmüdigkeit“ eingeschlichen hat, die sie für normal halten.
Zweitens fehlt es unterwegs an Struktur – bei Ernährung und Bewegung. Es sind nicht immer „schlechte“ Entscheidungen, sondern spontane. Restaurantbesuche, Snacks, zu wenig Bewegung: Das addiert sich über Wochen und Monate.
Und drittens: der konstante mentale Druck. Viele sind dauerhaft erreichbar, haben keine echten Pausen. Das Nervensystem bekommt kaum mehr Gelegenheit, sich zu erholen.

Sie sagen, wahre Führung beginnt im Nervensystem. Wie genau wirkt sich häufiges Reisen darauf aus?
Reisen zwingt das Nervensystem zur Daueranpassung. Neue Orte, andere Zeitpläne, wechselnde Reize – all das aktiviert den Sympathikus, also den Stressmodus. Kurzfristig ist das hilfreich. Aber wer ständig unterwegs ist, findet kaum mehr in den Erholungsmodus zurück.
Das Gefährliche: Der Zustand fühlt sich irgendwann „normal“ an. Menschen gewöhnen sich an Schlafmangel, innere Unruhe, angespannten Muskeltonus, ohne zu merken, dass sie auf Reserve laufen. Erst wenn der Körper nicht mehr mitspielt, kommt das böse Erwachen.

Und doch wird genau dieser Lebensstil häufig bewundert. Warum fällt es erfolgreichen Menschen oft so schwer, die eigenen Grenzen wahrzunehmen?
Weil Erfolg in unserer Kultur stark mit Mobilität und Verfügbarkeit verknüpft ist. Wer viel unterwegs ist, gilt als wichtig. Viele meiner Klienten haben gelernt, unter Druck zu funktionieren. Sie interpretieren Müdigkeit als Zeichen von Leistungsbereitschaft.
Das Problem ist: Der Körper unterscheidet nicht zwischen „guter“ Belastung und schädlichem Stress. Viele übergehen ihre Signale, bis die Leistungsfähigkeit abrupt nachlässt oder Symptome auftreten.

Flughafen Wien Gepäckhalle
(C) Nazarevich iStock Getty Images Plus

Sie haben ein Tool entwickelt, das Gesundheit messbar macht. Wie hilft das konkret auf Reisen?
Das System ist bewusst kein App-Spielzeug, sondern ein strukturiertes Dashboard. Es kombiniert objektive Daten wie Schlafdauer, Schritte oder Makronährstoffe mit subjektiven Einschätzungen – zum Beispiel: „Wie fühle ich mich heute?“
Gerade Vielreisende profitieren enorm davon, weil sie erstmals Zusammenhänge erkennen: etwa zwischen Jetlag, Restaurantessen, wenig Bewegung und der eigenen Erschöpfung. Das schafft Klarheit und ermöglicht gezielte Gegenmaßnahmen.

Haben Sie ein Beispiel für eine einfache Strategie, die unterwegs wirklich hilft?
Ein kleines Morgen- oder Abendritual kann Wunder wirken. Zwei Minuten Atemübung, Lichtmanagement, feste Schlafenszeiten: Das beruhigt das Nervensystem.
Auch einfache Ernährungsregeln helfen – etwa „Protein zuerst“, möglichst gleiche Mahlzeiten-Rhythmen, wenig Flüssigkalorien. Entscheidend ist, dass diese Anker flexibel und mobil sind. Selbst 60 Sekunden Selbstwahrnehmung am Tag („Wie geht’s mir gerade?“) können schon viel bewirken.

Kennen Sie das Buch „wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla? Darin wird eine entgrenzte Businesswelt beschrieben, in der Menschen durch Meetings, Reisen und Zeitdruck zunehmend ihre Stabilität verlieren. Finden Sie darin Parallelen zu Ihren Klientinnen und Klienten?
Ja, ich kenne das Buch. Und vieles darin kommt mir sehr vertraut vor. Die Darstellung ist natürlich literarisch zugespitzt, aber die Grundmechanismen existieren in der Realität.
In meinem beruflichen Alltag begegnet mir diese Welt nicht laut und dramatisch, sondern leise und dauerhaft. Viele meiner Klienten sind ständig unterwegs, schlafen unregelmäßig, essen ohne Struktur und stehen unter Daueranspannung. Es gibt selten einen plötzlichen Zusammenbruch. Stattdessen entsteht schleichend ein Zustand, in dem Energie, Schlafqualität und emotionale Belastbarkeit spürbar abnehmen.
Besonders eindrücklich finde ich, wie das Buch zeigt, dass Menschen sich zunehmend nur noch über ihre Funktion definieren. Genau das sehe ich in meinen Coachings. Viele kennen jede geschäftliche Deadline, aber sie spüren ihre eigenen körperlichen und mentalen Grenzen nicht mehr. Meine Arbeit beginnt genau dort – beim Wiederentdecken dieser inneren Orientierung.

Wenn Sie an den „typischen Vielreisenden 2025“ denken: Was müsste sich ändern, damit Erfolg nicht mehr auf Kosten der Gesundheit geht?
Zunächst gesellschaftlich: Wir brauchen ein neues Verständnis von Erfolg. Regeneration muss genauso zählen wie Produktivität. Der „Busy-Status“ darf kein Ausweis von Wichtigkeit mehr sein.
Und individuell: Jeder muss Verantwortung für sein eigenes Nervensystem übernehmen. Wer versteht, dass Schlaf, Ernährung und Stressbewältigung keine Wellness-Themen sind, sondern Leistungsfaktoren, handelt anders.
Ein Beispiel ist mein Klient Michael Rüger, ein Unternehmer, der durch strukturiertes Tracking seine Gesundheit zurückgewonnen hat, ohne beruflich kürzerzutreten. Seine Geschichte zeigt: Mit der richtigen Strategie geht Erfolg nicht auf Kosten, sondern auf Basis von Gesundheit.


Zur Person

Dennis Huskic
Dennis Huskic (C) dennishuskic.de via thewayofbusiness.de

Dennis Huskic ist Experte für Leistungsoptimierung mit medizinischem Hintergrund. In seiner Arbeit verbindet er wissenschaftlich fundiertes Wissen mit der Praxis realer Hochbelastung. Er betreut Führungskräfte, Unternehmer*innen und Vielreisende, die trotz vollem Kalender gesund und leistungsfähig bleiben wollen. Mit seinem eigens entwickelten Health-Tracking-Tool macht er Fortschritte in Schlaf, Ernährung und mentaler Stärke messbar – und zeigt, dass wahre Führung im Körper beginnt. Huskic lebt in Deutschland und ist regelmäßig als Experte in Medien, Vorträgen und Fachbeiträgen präsent.

 

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