Unternehmer aus Leidenschaft
Warum geben Menschen gut dotierte Jobs auf und werden Unternehmer? Drei Quereinsteiger erzählen ihre Geschichte vom Sprung in die Selbstständigkeit.




Traumberuf Unternehmer? Von wegen! Nur acht Prozent der österreichischen Studenten wollen nach ihrer Ausbildung ein Unternehmen gründen, erhoben unlängst Ernst & Young und die Universität St. Gallen. Damit liegt Österreich international auf den hinteren Plätzen. Verglichen zur Alpenrepublik, ist die Quote in Argentinien dreimal so hoch, in Irland immerhin noch doppelt so groß. Ein geregeltes Einkommen in der Unselbstständigkeit ist vielen lieber als Unsicherheiten im Unternehmertum. Oder doch nicht? Im Vorjahr ist die Zahl der Gründer nach rückläufigen beziehungsweise stagnierenden Werten 2011 und 2012 immerhin um 3,7 Prozent auf 36.946 gestiegen. Und es gibt auch jene, die einen gesicherten Job hinschmeißen, um den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Die WIRTSCHAFT hat drei von ihnen getroffen und nach dem Reiz gefragt.
Heinz Karasek, Restaurant „Das Heinz“
Vom Banker zum Wirt
„Als ich 2009 aus meinem Job ausgestiegen bin, war ich Managing Director bei der Privatbank Sal. Oppenheim. Damals war ich vierzig und schon 21 Jahre im Bankgeschäft, also ziemlich genau bei der Hälfte meiner Lebensarbeitszeit angelangt. Man gibt seinen Job nicht auf, wenn man wirklich damit zufrieden ist, da braucht man sich nichts vorzumachen. Ich habe damals immer wieder über die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit nachgedacht und mir überlegt, wie es wäre, jetzt einer Arbeit nachzugehen, die mir wirklich Freude bereiten würde. Meine Bank steckte damals in einer Übernahme, und es war klar, dass ich diesen Prozess so nicht mitgehen wollte. Das hat mir die Entscheidung leichter gemacht aufzuhören. Zuerst dachte ich mir, dass ich in der Branche bleibe, aber dann habe ich schnell gesehen, dass ich das eigentlich nicht mehr machen möchte.
Für die Gastronomie habe ich mich immer schon interessiert. Die Entscheidung, selbst ein Lokal aufzumachen, ist mir dann recht leicht gefallen, auch wenn es natürlich mit einem Riesenaufwand verbunden war. Ich bin nochmal zur Schule gegangen, habe meine Konzession gemacht, habe mir vierzig Lokale angesehen, bis ich das gefunden habe, bei dem ich am wenigsten Kompromisse eingehen muss. Man unterschätzt am Anfang schon, wie schwer der Schritt in die Selbstständigkeit ist. Früher dachte ich, das sei oft nur typisches Kaufmanns-Gejammer, aber wenn man es selbst erlebt, sieht man: Du könntest den ganzen Tag raunzen. Die größten Herausforderungen waren die Behörden für meine Betriebsanlagengenehmigung. Ständig kamen neue Auflagen und Änderungen, insgesamt hat das Verfahren zweieinhalb Jahre gedauert, während der das Restaurant bereits offen war. In Österreich selbstständig zu sein, noch dazu als kleines Unternehmen mit Angestellten, ist wirklich nicht einfach.
Nichtsdestotrotz ist es ein wahnsinnig schöner Beruf. Ich mache das jetzt seit drei Jahren. Seitdem stehe ich in der Früh auf und freue mich auf die Arbeit. Ich verdiene zwar weniger, obwohl ich heute oft sogar mehr arbeite als früher. Aber der finanzielle Aspekt ist sekundär, wenn man in seiner Arbeit wirklich aufgeht. Irgendwann erkennt man, dass das, was man als junger Mensch geglaubt hat, haben zu müssen, in Wirklichkeit nicht wichtig ist. Man kann seinen Lebensstandard sehr schnell und sehr leicht nach unten schrauben, ohne dass das irgendwelche Unglücksmomente bescheren würde.
Das Schönste am Unternehmersein ist für mich die Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit, die man als Selbstständiger hat. Ich kann all das umsetzen, von dem ich überzeugt bin, dass es gut ist. Früher musste ich immer andere davon überzeugen, Entscheidungen mitzutragen oder zu erlauben. Einfach ausgedrückt, wenn ich meinen Schanigarten grün streichen will, dann mache ich das heute ganz einfach. Damit verbunden ist vor allem auch Kreativität. Ich kann ständig nach neuen Ideen grübeln, Vernissagen, Spirituosenverkostungen oder Stummfilmabende organisieren.
Dieses Mehr an Freiheit bringt aber natürlich auch ein Weniger an Sicherheit. Für jeden Fehler, den ich heute mache, muss ich selber geradestehen, ich habe viel mehr Verantwortung. Meine gesamte Existenz steckt in dem Lokal: Wenn es nicht funktioniert, muss ich bei null beginnen. Dieses Risiko ist immer da, dessen war ich mir auch bewusst. Aber ich war davon überzeugt, dass man, wenn etwas mit Leidenschaft geschieht, letztlich belohnt wird. Deshalb bin ich das Risiko gerne eingegangen, und heute kann ich sagen, dass es wirklich funktioniert.“
Oliver Goetz, Kaffee-Rösterei Alt-Wien
Nie mehr das seelenlose Immobiliengeschäft
„Meine Selbstständigkeit war nicht wirklich geplant, sondern hat sich eigentlich fast zufällig ergeben. Ich war jahrelang Stammkunde in der Kaffee-Rösterei Alt-Wien, die mein heutiger Partner Christian Schrödl selbst als Quereinsteiger 2000 übernommen hat. Spaßhalber hat er immer wieder gesagt, wenn ich schon dauernd hier herumsitze, könne ich auch gleich hier arbeiten. 2008 ist aus dem Spaß Ernst geworden, als ich das Angebot hatte, mich an der Rösterei zu beteiligen. Anfänglich habe ich das Ganze mehr als Investment gesehen, aber schon sehr bald ist daraus ein Vollzeitjob geworden. Seit ich Co-Inhaber bin, sind wir jedes Jahr stetig gewachsen, was natürlich eine schöne Bestätigung ist. Mittlerweile führen wir ein Sortiment von 37 Kaffees. Das liegt auch daran, dass mein Geschäftspartner und ich uns sehr gut ergänzen und aus dem guten Verhältnis heraus viel Positives entsteht.
Bevor ich im Unternehmen eingestiegen bin, war ich in der Immobi-lienentwicklung tätig. Eine seelenlose Arbeit, die mir bis heute leidtut. Ich will nicht angestellt sein, das entspricht nicht meinem Naturell. Grundsätzlich habe ich ein Problem mit dem Wort Arbeit, das oft sehr negativ behaftet ist, sozusagen als Gegensatz zum Leben und Spaß. Ich sehe das anders, möchte etwas machen, das mir gefällt und das ich deshalb auch richtig gut mache. Ich habe mich immer mit Genuss beschäftigt, diese Leidenschaft kann ich nun perfekt ausleben. Unser Ziel war und ist es, den besten und frischesten Kaffee in Wien zu produzieren.
Reich werde ich damit nicht, aber darum geht es mir nicht. Der wichtigste Punkt für mich war, das Ganze nicht als reinen Broterwerb zu sehen, sonst hätte das auch keinen Sinn ergeben. Nach all den Jahren komme ich immer noch jeden Tag gerne ins Geschäft, auch wenn ich oft nicht weiß, wie ich die viele Arbeit in der wenigen Zeit erledigen kann. In einem Unternehmen wie unserem geht einem die Arbeit nie aus, und Zeit hat man nie genug. Den Schritt in die Selbstständigkeit mit der eigenen Rösterei habe ich aber bisher noch keine Sekunde bereut. Ich bereue eher, dass ich es nicht schon früher gemacht habe.“
Beatrix Heider, Home Staging, First Look
Endlich mal kreativ sein
„Es war immer mein Traum, Innenarchitektur zu studieren, leider konnte ich das nie verwirklichen. Stattdessen habe ich vor zwei Jahren eine Ausbildung zur „Homestagerin“ gemacht. Kurz gesagt, ist Homestaging das optimale Herrichten einer Immobilie für den Verkauf. Das können leere Wohnungen sein, die ich so einrichte, dass ein Interessent sich vorstellen kann, wie es aussehen könnte, oder noch benutzte Wohnungen, aus denen ich ein neutrales Objekt mache. In anderen Ländern ist das weit verbreitet, in Österreich hinken wir da immer noch etwas hinterher.
Wie ich dazu gekommen bin? Ich habe zuerst als Steuerberaterin gearbeitet, dann lange im Rechnungswesen. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich mich gefragt habe, ob das wirklich alles ist. Meine Antwort war, dass ich nicht ewig dasselbe machen möchte und etwas finden will, das mir wirklich Freude bereitet. So kam es zur Entscheidung, mich mit Homestaging selbstständig zu machen. Leicht war es gerade am Anfang nicht, da musste ich viel Zeit investieren, um Objekte und Kunden zu finden. Und weil meine Branche in Österreich noch nicht so etabliert ist wie anderswo, muss ich viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Erfahrung bisher ist aber positiv. Ich habe das Gefühl, dass die bürokratischen Hürden für Unternehmer weniger geworden sind. Und auch aus der Wirtschaftskammer gibt es gerade am Anfang viel Unterstützung.
Ich wollte immer etwas Kreatives machen, jetzt kann ich das mit meinem Beruf verbinden. Meinen alten Job aber habe ich dennoch nicht ganz aufgegeben, vor allem auch wegen der Sicherheit, die er mir bietet. Ich bin gerne Unternehmerin, aber das Risiko, mich voll in das Geschäft hineinzustürzen, ist mir derzeit doch noch etwas zu groß. Derzeit arbeite ich deswegen halbtags in meinem Job beziehungsweise in meinem Unternehmen. Nur von der Selbstständigkeit zu leben ist nicht leicht, vor allem wenn ich mir auch die Rahmenbedingungen mit der Versicherung etc. ansehe.“