Wie Hidden Champions mit Innovationen aus der Rezession kommen

Innovationen
13.10.2020

 
Was macht Hidden Champions und Weltmarktführer so innovativ? Und können sie mit ihren Fähigkeiten vielleicht sogar dazu beitragen, dass Österreichs Wirtschaft ein Stück schneller aus der Krise kommt? Der Hidden Champions-Experte Prof. Georg Jungwirth von der Fachhochschule Campus 02 ist diesbezüglich zuversichtlich. Denn: Österreich ist Heimat großer Leuchtturmbetriebe, die wie Antriebsmotoren wirken. 

Welche Rolle spielt Innovation für den globalen Erfolg der Hidden Champions?

Innovation ist der entscheidende Erfolgsfaktor schlechthin. Das beweisen unsere Studien der letzten 13 Jahre sehr eindrucksvoll. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht nur die Hidden Champions selbst Innovation als ihren wesentlichen Erfolgsfaktor betrachten, auch die Befragungen ihrer Kunden haben dasselbe Bild ergeben. Innovation ist einfach unabdingbar, um am Weltmarkt bestehen zu können. Vor allem, wenn man das hohe Lohnniveau in Österreich berücksichtigt. Ein Weltmarktführer hat es in einem Gespräch mit mir so ausgedrückt: „Intellectual Property und Patente sind schön, am besten ist es, wenn wir der Konkurrenz technologisch immer zwei Schritte voraus sind.“ Für diese zwei Schritte tun die Hidden Champions sehr viel. 

Was machen Hidden Champions denn so anders als klassische KMU?

Fest steht etwa, dass sie wesentlich höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil von ihrem Umsatz geht in Research. In vielen Fällen sind es rund zehn Prozent des Umsatzes. Manche investieren aber auch 20 Prozent oder mehr. Das muss man sich natürlich auch leisten können. Vor allem, weil es nicht immer um bahnbrechende Innovationen geht. Oft sind es kleine Verbesserungen, die dazu führen, dass die Qualität ihrer Prozesse, Dienstleistungen und Produkte steigt. 

Wer treibt das Thema in diesen Unternehmen besonders stark voran?

Viele Hidden Champions sind familiengeführte Unternehmen. Bei ihnen ist häufig nicht nur die Forschungsabteilung involviert, sondern alle Mitarbeiter im Unternehmen interessieren sich dafür und bringen sich aktiv ein. Die Forschung selbst wird größtenteils intern abgewickelt, weil es der Philosophie entspricht, Kernkompetenzen im Haus zu behalten. F&E sind also fast immer in der Zentrale angesiedelt.
Und wenn externe Expertise gefragt ist? In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die Hidden Champions kaum Berührungsängste haben. Sie arbeiten sogar sehr aktiv mit externen Partnern wie Unis, FHs und anderen Forschungseinrichtungen zusammen. Vor allem dann, wenn es um Aufgabenstellungen der Grundlagenforschung geht. Etwa, wenn gemeinsam mit der Montan-Uni gewisse Werkstoffe erforscht werden sollen. Aber die angewandte Forschung organisieren sie meistens lieber selbst. 

Welche Rolle spielen die Kunden bei der Entwicklung und Optimierung der Produkte?

Gerade bei den Hidden Champions ist es so, dass ein großer Teil der Impulse von der Kundenseite ausgeht. Häufig treten Kunden mit ihren Herausforderungen an die Betriebe heran, und dann wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. 

Was vermutlich auch sehr positiv auf die Kundenbindung einzahlt.

Klar, die meisten Hidden Champions sind ja im B2B-Segement beheimatet. Wenn sie die Probleme ihrer Kunden lösen können, fördert das die Beziehung. Hidden Champions entwickeln ihre Produkte generell in sehr enger Abstimmung mit ihren wesentlichen Kunden. Häufig kommt der Impuls vom Markt. Und wenn der Impuls doch aus der Forschungsabteilung oder vom Vertrieb kommt, werden die Kunden rasch eingebunden. 

"Innovation ist einfach unabdingbar, um am Weltmarkt bestehen zu können."

Viele der rund 200 Hidden Champions in Österreich sind in Familienbesitz. Welche Rolle spielt dieser Faktor für die Mobilisierung von Mitteln für Innovation?

Das ist ein wichtiger Punkt. Hidden Champions sind meistens finanziell sehr gut aufgestellt. Sie haben eine hohe Eigenkapitalquote, die sie auch krisenfester macht. Das sehen wir auch jetzt bei der Pandemie. Diese Betriebe fallen nicht so schnell um. Ihre gute finanzielle Ausstattung ist also die Basis ihrer hohen Investments. Bei den eigentümergeführten Betrieben kommt noch die Rückendeckung der Eigentümer dazu. Sie können auf kurzem Weg entscheiden und sind damit wesentlich schneller als andere Unternehmen. Bei Hidden Champions können es sich die Eigentümer auch leisten, unorthodox zu denken und kreativ ein wenig zu spinnen. 

Sind die auch gegenüber Fehlern toleranter?

Wir beobachten in unserem Zentrum für Familienunternehmensforschung seit Jahren, dass diese Betriebe eine ganz eigene Kultur pflegen. Dass sie ein familiäres Betriebsklima haben, spiegelt sich auch bei der Innovation. Die Fehler-Kultur ist sicher ausgeprägter. Bei allen Mitarbeitern. Darum bringen sich auch Angestellte aus allen möglichen Bereichen mit ihren Ideen ein. Sie fühlen sich mit dem Unternehmen verbunden. Es ist nicht nur ein Job. Das wirkt sich auch auf die Art, wie mit Rückschlägen umgegangen wird, aus. 

Wie schaffen die Hidden Champions so einen Spirit?

Zum Beispiel dadurch, dass sie Dinge finanzieren, die sich positiv auf ihre Mitarbeiter auswirken. Sie investieren strategisch in die Menschen und in ihr Wohlbefinden. Oft ist es aber auch die Art, wie die Geschäftsführung persönlich agiert. Es gibt Beispiele von Geschäftsführern von Weltmarktführern, die mit allen Mitarbeitern per Du sind und jeden beim Namen kennen. Auch das zahlt auf die Beziehung ein. Manche pflegen bereits seit vielen Generationen Beziehungen zu Kunden, Partnern, Lieferanten und Mitarbeiterfamilien. 

Ist zu befürchten, dass Innovationen durch Corona ins Stocken geraten, oder ist jetzt vielleicht sogar mehr Zeit übrig?

Manche haben Kurzarbeit genutzt, wodurch auch die Mitarbeiter in der Entwicklung kürzertreten mussten. Bei manchen lief das Business aber auch recht kontinuierlich weiter. Was man beobachten kann, ist, dass diese Unternehmen sehr viel tun, um ihre Belegschaft und vor allem die Fachkräfte zu halten. Die Eigentümer schießen in einer schwierigen Phase lieber zu und haben dann die richtigen Leute an Bord, wenn es wieder losgeht. Die mitunter ruhigere Phase der letzten Monate ohne Auslandsreisen wurde mit Sicherheit bei vielen Betrieben genutzt, um über Prozesse, Qualität und Innovation nachzudenken. Auch um zu forschen oder um Weiterbildungen zu machen. 

Macht Innovation generell resilienter?

Unternehmen, die innovativ sind, sind in Krisenzeiten definitiv resilienter. Resilienz ist Anpassungsfähigkeit, aber auch Widerstandsfähigkeit, nach außen und innen. Wer heute keinen technologischen USP hat, ist leichter auszuwechseln. Technologie- und Qualitätsführer sind dagegen nur sehr schwer zu ersetzen. 

Hidden Champions und Weltmarktführer zeichnet fast immer ein extremer Fokus auf eine Nische aus. Kann ihnen dieser Fokus zum Verhängnis werden, wenn etwa ihre Branche in eine Schieflage gerät? Man denke etwa an Top-Unternehmen der heimischen Autozulieferindustrie.

Der Fokus kann sicher zu Problemen führen – wenn er zu eng ist. Wer nur ein Standbein hat, kann anfälliger sein. In der Regel sind aber Unternehmen, die sich fokussieren, viel erfolgreicher. Ressourcen zu bündeln und sich zu spezialisieren, ist gut. Für KMU gilt das sowieso. Größere Betriebe sollten dagegen diversifizieren und nicht alles auf eine Karte setzen, wenn es die Ressourcen zulassen. Zudem haben viele Hidden Champions innerhalb ihres Fokus eine sehr hohe Auswahl an Produktvarianten. Das kann auch helfen. Und nicht selten lässt sich ihr Know-how auch auf andere Bereiche anwenden. Es gibt also einen Plan B. 

Wie wirkt sich Innovation auf die Preisdurchsetzung aus?

Innovativere Unternehmen tun sich wesentlich leichter, ihre Preise durchzusetzen. Hidden Champions liegen preislich meistens deutlich über dem Mitbewerb und sind trotzdem Marktführer. Das führt zu einer äußerst positiven Gewinnsituation. 

Wie beurteilen Sie denn die Rahmenbedingungen des Forschungsstandortes für die Betriebe?

Es gibt natürlich immer noch Luft nach oben. Aber man sollte auch nicht zu viel jammern, weil viele Betriebe eindrucksvoll beweisen, dass man mit den Mitarbeitern, die man hier findet und mit dem Ausbildungsniveau der Absolventen durchaus erfolgreich sein kann. So schlecht scheint es also nicht zu sein. Dass wir in Österreich so viele Weltmarktführer haben, ist auch ein Beleg dafür. 

Aufgrund der Pandemie ist die Wirtschaft stark angeschlagen. Helfen Österreich die Weltmarktführer vielleicht dabei, schneller aus der Krise zu kommen?

Diese Hoffnung besteht absolut. Denn wir haben auch sehr große Leuchtturmbetriebe, an denen sehr viele heimische Lieferanten hängen. Man denke an Firmen wie Red Bull, Infineon, Blum oder Palfinger. Das sind echte Antriebsmotoren der Wirtschaft. Dass wir so viele von dieser Sorte haben und dass sie so gut verteilt sind, hält sicher viele kleinere Betriebe am Leben und sichert damit Arbeitsplätze. Österreich wird gut durch die Krise kommen, da bin ich zuversichtlich. Und die Weltmarktführer und Hidden Champions werden dazu beitragen.

Zur Person

Prof. Georg Jungwirth befasst sich an der Fachhochschule CAMPUS 02 seit dem Jahr 2007 mit der Erforschung der Erfolgsfaktoren der mittelständischen österreichischen Hidden Champions. Seine letzte große Studie hat sich der „Innovation und Resilienz bei familiengeführten Welt- und Europamarktführern aus Österreich“ gewidmet.