Um ein Euzerl besser
Als Georg Kirchmayr bei TGW einen „Überbrückungsjob“ annahm, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er aus dem Betrieb einmal einen Weltmarktführer machen würde. Eine Erfolgsstory.

Das lasse man sich auf der Zunge zergehen: Im Jahr 2000 war das Welser KMU gerade mal in Österreich und Deutschland tätig. 55 Millionen Euro Umsatz machte es damals im Jahr. Heute hat es Niederlassungen in 14 Ländern auf drei Kontinenten. Umsatz: 532 Millionen Euro, zwölf Prozent mehr als im Jahr davor. EBIT: fast 41 Millionen Euro, plus 40 Prozent zum Vorjahr. So nebenbei: Die Expansion wurde aus dem Cash Flow finanziert.
Die Rede ist vom Intralogistikanbieter TGW. Falls Sie mit Intralogistik nichts anfangen können: Die braucht jeder, der eigene oder fremde Ware in sein Lager eingehen, dort verwalten und wieder ausliefern lassen will. Mit anderen Worten: jeder, der in den derzeit boomenden Online-Handel einsteigen will. Das Unternehmen realisiert dafür unterschiedlichste innerbetriebliche Logistiklösungen, von kleinen Fördertechnik-Anwendungen bis zu komplexen Logistikzentren. So liest sich die TGW-Kundenliste wie das Who is Who der E-Commerce-Granden: Conrad, Coop, Esprit, Kärcher, Mango, Playmobil. Amazon und Zalando sowieso. Allein im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres trudelten Aufträge im Wert von 200 Millionen Euro ein. „Eine solide Basis“, kommentiert CEO Georg Kirchmayr (50).
Ein goldenes Zeitalter
Solide? So kann man das auch bezeichnen. Kirchmayr ist kein Freund der großen Worte. Natürlich freue er sich über das rapide Wachstum, sagt er, aber das sei nicht TGWs Verdienst. Man habe einfach nur das Glück, im goldenen Zeitalter der Intralogistik zu leben. Bis 2020 werde der E-Commerce-Boom jedenfalls andauern, ist Kirchmayr überzeugt. Sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, kommt dennoch nicht infrage. Zu richtungsweisend sei, womit die großen „Gamechanger“ an der Westküste da experimentierten: Google und Amazon liefern Lebensmittel schon direkt in den Kofferraum des Kunden-PKW. Dazu müsse dieser allerdings jederzeit geortet werden können. Auch smarte Häuser werden getestet, die melden, wann der Kunde daheim ist, damit der Zusteller die bestellte Ware vorbeibringen kann. Hier Commodity, da totale Transparenz. Kirchmayr stimmt das nachdenklich: „Wie weit wollen wir gehen?“
Techniker: Woher nehmen?
Seine Gruppe arbeite lieber an Virtual und Augmented Reality. Bei manchen Kunden habe er schon Datenbrillen im Einsatz, erzählt er nicht ohne Stolz, bei anderen in Vorbereitung. Von Robotik gar nicht zu reden, da wären seine Entwickler immer eine Nasenlänge voraus. Womit wir uns dem großen Engpass der Oberösterreicher nähern: dem Fachkräftemangel. 250 Techniker nahm Kirchmayr im vergangenen Jahr auf, 170 sind für heuer geplant: Mathematiker, Informatiker, Statistiker, Maschinenbauer, Mechatroniker, Automatisierungs- und Steuerungstechniker und Softwareentwickler. Woher nehmen? Der Intralogistiker fischt im selben Teich wie die lokalen Giganten, Voestalpine in Linz etwa oder BMW in Steyr. Kirchmayr ist realistisch: „Wir haben zwar eine stattliche Größe erreicht“, sagt er, „aber wir sind keine Shiny Brand.“ Also setze er auf die Kraft der Mundpropaganda, auf dass es sich herumspreche, „dass man bei TGW Spuren hinterlassen kann, dass Ideen gehört werden, Hierarchien flach sind und die Führungskräfte an- und begreifbar. Bis hinauf zum Geschäftsführer.“
Mag stimmen, aber das reicht noch lange nicht, um alle Stellen zu füllen. Deswegen geht er dorthin, wo sich der Nachwuchs tummelt: an der Uni. Seit Herbst stellt TGW an der Johannes Kepler Uni in Linz ein Sponsorship für künftige Datenanalysten zur Verfügung. Es besteht aus einem Darlehen, Teilzeitjobs, Sommerpraktika und Unterstützung für die Masterthesis. Bei Gefallen unterbreitet er den Absolventen ein Dauerangebot und hofft, sie mit weltweiten Projekten und großzügiger Weiterbildung so lange bei der Stange zu halten wie ihn selbst.
Um das berühmte Euzerl besser
Kirchmayr gehört zur seltenen Spezies jener, die vom Einstieg nach der Uni einer Firma treu bleiben. 1991 nahm der damals 25-jährige Wirtschaftsabsolvent einen „Überbrückungsjob“ im Maschinenbaubetrieb des Vaters seiner damaligen Freundin an.
Der fand rasch Gefallen am späteren Schwiegersohn, ließ ihn aber durch eine harte Schule gehen. Das Unternehmen war sehr technikerlastig, „mit der typischen Ingenieursüberheblichkeit“, sagt Kirchmayr. Seine Marketing- und Vertriebsideen nahmen sich daneben geradezu revolutionär aus. Er bekam viel Gegenwind, erinnert er sich, und musste „immer um das berühmte Euzerl besser“ sein, um sich durchzusetzen. Es scheint ihm gelungen zu sein. Neun Jahre später, im Jahr 2000, übergab ihm der Schwiegervater die Führung. TGW hatte damals 350 Mitarbeiter – heute sind es 2600 weltweit. Die Auftraggeber waren Generalunternehmer, die mehr und mehr Produkte selbst herstellten, anstatt sie von ihnen zu beziehen.
Kirchmayr sagt von sich, es sei eine seiner großen Stärken zu überlegen, was um die Ecke lauern könnte und sich darauf einzustellen. Ausgerechnet im Krisenjahr 2008 repositionierte er das Unternehmen als E-Commerce-Systemanbieter. Es gelang: Heute ist TGW einer der Weltmarktführer auf seinem Gebiet. Trotzdem, sagt Kirchmayr, möge man sich bitte nicht von den großen Zahlen blenden lassen. Daran seien schon ganz andere Unternehmen zugrunde gegangen.
Autor: Mara Leicht