Sich Ideen verbieten ist ganz schwierig

Fill Holding GmbH
15.05.2019

 
Wie Andreas Fill aus einem kleinen Ort im Innviertel eine blühende Wirtschaftszone machte.

Anzüge sind nicht sein Ding. Jeder wie er will, meint Andreas Fill, aber er fühlt sich leger wohler. Und wer sich wohlfühlt, hat mehr Ideen. Um die geht es in seinem Geschäft. Spricht’s und krempelt die Ärmel hoch. Andreas Fill ist Chef der Fill GmbH, einer der Leitbetriebe im westlichen Innviertel. Zu ihm kommen „Firmen, die sagen, ich will diesen Teil produzieren, mach’ mir die Maschine dazu.“ Ein Sondermaschinenbauer, eh klar, aber so versteht es jeder. Fill will verstanden werden.

Seine Firma, sein und seines Vaters Lebenswerk, wächst rasant. 1966 von seinem Vater Josef gegründet, stellte sie damals Maschinen für die Skiproduktion her. Weltmarktführer bis heute, ohne Frage, doch als Fill jun. im Jahr 2000 die knapp 300 Mitarbeiter übernahm, reichten Skimaschinen nicht mehr zum Überleben. Da hatte man längst einen Namen bei Anlagen für internationale Autozulieferer und Automobilhersteller. In jedem dritten Pkw weltweit sind Teile verbaut, die auf Fill-Anlagen gefertigt wurden. Nicht einmal die Dieselkrise tut ihm weh: Ob Verbrennungs- oder E-Motoren oder ganz etwas anderes, Fill baut jede Maschine.

2011 überschritt der Auftragseingang erstmals die 100-Millionen- Euro-Grenze. Heute beträgt der Umsatz 150 Millionen Euro bei 850 Mitarbeitern. Überraschend sprang vergangenes Jahr sogar die Ski- und Snowboard-Maschinenproduktion wieder an. Jahrzehntelang lag sie im Dornröschenschlaf, jetzt brachte sie unverhofft Aufträge für zwölf Millionen Euro. Einfach so, ohne nennenswertes Zutun. Wahrscheinlich waren überall gleichzeitig Ersatzinvestitionen nötig.

NIEMALS STILLSTEHEN

Fill baut ständig etwas. Eine neue Halle, den Firmenkindergarten oder den Future Dome, eine Eventlocation mitten in der kleinen Innviertler Gemeinde Gurten. In der hat er schon ebenso viele Jobs geschaffen wie sie Einwohner zählt. 1117 Jobs zu 1196 Einwohner, die Zahlen schüttelt er aus dem Ärmel. Als Good Citizen, als Gönner seiner Gemeinde, sieht er sich nicht, obwohl – jetzt lacht er: „Ich bin schon stark in der Region verankert.“ Und schon ist er wieder bei seinem aktuellen Lieblingsprojekt. Eine Verbindungsbrücke zwischen zwei Hallen, deren Design an das Raumschiff Enterprise erinnert. Das mochte er als kleiner Junge so gern.

Gibt es diesen Moment, wo er einfach mal stillhält? „Das fragt mich meine Frau auch“, lacht der zweifache Vater, „sie will, dass ich endlich Ruhe gebe.“ Natürlich, das wäre eine Option, aber so lange er Ideen hat, eben doch nicht. „Sich Ideen verbieten ist ganz schwierig.“ Und außerdem, ohne die vielen Ideen würde es die Firma nicht mehr geben. 2009, als die Wirtschaftskrise in Österreich einschlug, hatte die Fabrik 50 Prozent Auftragseinbruch. Ein Kunde, der Einkäufer eines großen Unternehmens, rief ihn an und stoppte ein Sechs-Millionen- Euro-Projekt. Aber die Leute arbeiten doch schon daran, entgegnete er. Schmeißen Sie sie halt raus, war die Antwort.

So will ich nie werden, schoss es ihm durch den Kopf. Wie gut, dass er ein paar Jahre nach der Übernahme von seinem Vater einen Strategieprozess gestaltet hatte. Mission, Vision, Werte – aber auch Notfallstrategien. Auch für eine Wirtschaftskrise hatte er eine in der Lade. Er musste sie nur herausholen.

PHILANTHROP MIT GESCHÄFTSSINN

Unter keinen Umständen wollte er seine Leute rausschmeißen, so viel stand fest. Er stellte sich vor seine Mannschaft, beschrieb ihnen die Lage und gemeinsam – „es sollte ja nicht gerade die Hausbauer treffen“ – beschloss man 60 Freistellungen. Mit der festen Absicht, die Betroffenen nach sechs Wochen wieder einzustellen. Er wollte ihnen den Gang zum AMS ersparen, also holte er das AMS ins Haus. So fanden die Gespräche wenigstens in vertrauter Umgebung statt. Nicht im Traum dachte er daran, ihnen Mitarbeitervergünstigungen, Einkaufsnachlässe oder den Zugang zu den hauseigenen Sportmöglichkeiten zu streichen. Sie sollten sich weiterhin als Teil der Firma fühlen. Sechs Wochen später hatten sie ihre Jobs wieder. Wie versprochen. Weil Fill in Innovationen investierte, während sich alle anderen Firmen zu Tode schrumpften. Antizyklisch investieren war das Zauberwort und es funktionierte: „Wir starteten sofort wieder durch.“

Was Fill von vielen Arbeitgebern unterscheidet, ist seine unbedingte Hinwendung zu seinen Leuten. Er will „einer der besten Arbeitgeber Österreichs“ sein. Dass er – mit tatkräftiger Hilfe seiner Frau – schon vor Jahren ein über die Grenzen des Landes anerkanntes Employer-Branding-Goodypaket für jedes Lebensalter schnürte, treibt ihm die Bewerber zu. Ungeachtet des allseits bejammerten Fachkräftemangels: „Ich habe nie die Unternehmen verstanden, die HR und Personalentwicklung aus der Hand geben. Nur mit den besten Mitarbeitern kann man Innovationen vorantreiben.“

Wer bei Fill lernt, will nicht mehr weg; Ausnahmen bestätigen die Regel. Längst hat weit mehr als die Hälfte bei ihm selbst gelernt. Die Mitarbeiter müssen sich wohlfühlen, davon ist der Chef überzeugt und baut ihnen Arbeitsplätze, an denen man erstens gern arbeitet – „keine vergoldeten Fliesen, aber es muss passen“ – und wo zweitens die Ideen sprießen. Weil von denen lebt die Firma.

Digitalisierung? Längst im Fluss. In zwei Jahren will der Chef eine Smart Factory haben, „da sind wir auf einem guten Weg“. Also Industrie 4.0? Jetzt schimpft er. Ein Unwort sei das, weder greif- noch begreifbar, typisch verwirrende Beratersprache: „Deswegen haben die Leute Angst davor.“ Den Seinen nahm er sie mit einer Bildungsoffensive, eLearning- Sessions mit Test im Anschluss, keiner kam daran vorbei. Was sinnvoll ist, macht er längst. Virtual Reality, Augmented Reality, Künstliche Intelligenz: alles da. Ohne groß zu reden.

LEBE DEINE TALENTE Fill

sagt von sich, er habe keine technische Begabung. Obwohl er „80 Prozent der Prüfungen an der TU in Wien abgeschlossen hat“, könne er keine Maschinen bauen. Dafür habe er seinen technischen Geschäftsführer Wolfgang Rathner, dem schon sein Vater vertraute. Aber er, Fill, könne gut mit Menschen, neben dem Kaufmännischen sei das sein großes Talent. Er könne Dinge so darstellen, dass sie jeder versteht. Und er könne Unternehmenskommunikation, besonders wenn es um die Arbeitgebermarke geht. Wenn ihm seine eigene so gut gelingt, warum nicht auch für andere Firmen? Schon wieder eine Idee: eine Kommunikationsfirma für Employer Branding, für Finden & Binden und für Mitarbeiter-Beziehungsmanagement. CORE Smartwork heißt sie und sitzt – erraten – in Gurten. So macht er sogar aus seinem Hobby ein Geschäftsmodell.

Gibt es etwas, das er gar nicht mag? „Das Schlimmste für mich wäre, auf den Malediven zu leben. Ein Paradies, aber alles schaut gleich aus. Und immer nur Sommer. So langweilig.“

Autor/in: 

MARA LEICHT