Quantencomputertechnologi

Quantenrevolution aus Tirol

Weltmarktführer
17.10.2022

 
Google arbeitet daran, IBM und Microsoft sowieso: Quantencomputer sollen künftig Probleme lösen, die bisherige Rechner nicht meistern können. Auch das kleine Tiroler Spin-off AQT ist federführend dabei.
Quantencomputer Technologie

Das Spike-Protein ist bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Corona-Virus zu Berühmtheit gelangt. Um diese Mittel zu finden, musste zuvor die Struktur des Zielproteins verstanden werden. Nur eine der Problemstellungen, die Quantencomputer künftig lösen sollen. Proteinstrukturen vorhersagen, Materialeigenschaften berechnen, digitale Verschlüsselungen kna­cken, globale Lieferketten und Logistikabläufe optimieren oder neue Ansätze für die Analyse von Finanzinformationen erforschen – die Erwartungen an die Technologie sind immens. „Quantencomputer sind für ausgewählte Aufgaben wirklich sehr gut geeignet“, bestätigt Thomas Monz vom Tiroler Start-up Alpine Quantum Technologies (AQT). Zu große Hoffnungen möchte er aber im Keim ersticken: „Für welche Zwecke sie am besten einsetzbar sein werden, wissen wir noch nicht. Wir befinden uns in der Ära der Identifizierung von Anwendungs- und Problemfällen“, meint er. „Bis die Hardware indus­triell relevante Probleme sinnvoll rechnen kann, wird es aber noch etwas dauern.“ Und zwar geschätzte zehn aktive Jahre.
Spätestens seit 2016 existiert ein regelrechter Hype um die zukunftsweisende Technologie: Damals hat IBM den ers­ten Quantencomputer in die Cloud gehoben. Drei Jahre später führte Googles „Sycamore“ in wenigen Sekunden eine Quanten-Rechenaufgabe aus, für die der schnellste aktuelle Supercomputer vermutlich 10.000 Jahre gebraucht hätte. Anders als die Bits herkömmlicher Rechenmaschinen können Quantenbits (Qubits) zugleich den Wert „0“ oder „1“ annehmen und parallel mit diesen Werten rechnen. Das bedeutet, dass vier Qubits so viele Zustände abbilden können wie 16 Bits. Das macht den Quantencomputer prinzipiell effizienter. Ein Potenzial, das längst auch Technologiekonzerne wie Alibaba, Amazon und Microsoft erkannt haben.

Quantensprünge made in Austria
An der Weltspitze mischt ein Tiroler Unternehmen mit: 2018 gründeten die drei Innsbrucker Quantenphysiker Rainer Blatt, Thomas Monz und Peter Zoller das Start-up AQT, ein Spin-off der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). So jung das Unternehmen ist, die Idee, einen kommerziellen Quantencomputer zu bauen, ist lange gereift: „Ich glaube, seit 1996“, schmunzelt Peter Zoller. Schließlich arbeiten die drei Forscher seit Jahren an der Universität Innsbruck sowie am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an der Technologie. „Der Zeitpunkt im Februar 2018 war ideal, weil wir die nötigen Voraussetzungen hatten: das Netzwerk zur Universität, das Personal und die Finanzierung“, erklärt Rainer Blatt. „Die weltweit starke Position Tirols in der Quantenphysik ist vielen vor Ort nicht bewusst. Aber ein internationaler Blick zeigt, welchen ausgezeichneten Ruf Tirol genießt – wir können auf unsere Pioniere und Forscherinnen und Forscher stolz sein.“ Tatsächlich ist die Geschichte der Quantencomputer seit jeher mit Tirol verbunden: 1995 hatten Ignacio Cirac und Peter Zoller die Idee, Ionen mit geeignetem Laserlicht zu bestrahlen, um damit sowohl Qubits als auch die grundlegenden Quantengatter zu erzeugen. Neben Googles Konzept der supraleitenden Elektronik, bei dem schwache Ströme auf winzigstem Raum im Kreis fließen und ein Qubit darstellen, gilt die Ionenfalle als „die ausgereifteste, die es weltweit gibt“, so Thomas Monz.

„Strombedarf eines guten Haarföhns“
Auf dieses Grundkonzept setzt AQT und wird dabei von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Startup.Tirol und vom Austria Wirtschaftsservice (aws) gefördert. „Ziel des Unternehmens ist es, auf Ionenfallen basierende Quantencomputer anzubieten, die sich nahtlos in herkömmliche IT-Infrastruktur einfügen und ortsunabhängig von jedem PC oder Laptop bedient werden können“, erklärt Monz. Einen Meilenstein haben Forscher des Instituts für Experimentalphysik in Innsbruck im Dezember 2021 erreicht: Sie bauten den Prototypen eines kompakten Ionenfallen-Quantencomputers. „Mit seinen 24 Qbits passt er in einen Standard 19-Zoll-Schrank, braucht weniger als zwei Quadratmeter Platz, kann bei normaler Raumtemperatur betrieben werden – und sein Strombedarf ist kleiner als 2 kW, also dem eines guten Haarföhns“, freut sich Rainer Blatt. „Das macht ihn ideal für die Installation in Hochleistungs-Recheninfrastrukturen und normalen Rechenzentren.“ Der Prototyp ist der erste transportierbare Quantencomputer, der modular aufgebaut und über die Cloud angebunden ist. Für 2022 hat AQT weitere ambitionierte Pläne: So wollen die Tiroler einen Computer mit 50 individuell ansteuerbaren Qubits zur Marktreife bringen. „Da steckt viel Innovation drinnen, wir arbeiten daran und können das schaffen“, ist Thomas Monz zuversichtlich. Das Ziel, einen Quantencomputer mit mehr als 100 Qbits mit entsprechender Fehlerkorrektur und Skalierbarkeit auf den Markt zu bringen, wird allerdings noch etwas dauern.
Die Hardware, die das 20-köpfige Team anbietet, ist nur eine Schiene des Geschäftsmodells. Um den Zugang zu den Hochleistungsrechnern niederschwelliger zu gestalten, bietet AQT den Zugriff auch über Cloud-Plattformen an. „Über 60 Prozent aller Kunden werden sich nicht ihre eigene Hardware ins Rechnungszentrum stellen“, zitiert Thomas Monz amerikanische Studien und geht davon aus, dass dem Cloud Access eine wachsende Rolle zukommt. Zusätzlich verkauft AQT Komponenten des Quantencomputers. Bei all dem arbeitet das Spin-off mit strategischen Partnern in aller Welt und ist mit den „größten ‚Out-of-the-box‘ Software Development Kits (SDK) wie etwa Qiskit (IBM), Cirq (Google) und Pennylane kompatibel“, so Peter Zoller.

IT- und Quanten-Experten gesucht
In Zukunft will AQT die Zusammenarbeit mit Partnern weiter ausbauen und ein Experience Center für Kunden von Quantencomputer in Innsbruck schaffen. Und auch das Thema Mitarbeiterförderung steht an oberster Stelle, denn: „Wir suchen händeringend IT-Fachkräfte und Quanten-Experten“, schildert Monz. Der Bedarf an Software-Entwicklern, Netzwerk-Technikern oder Application Engineers sei im wachsenden Unternehmen groß. Historisch bedingt kommen die Arbeitnehmer, die aus acht verschiedenen Nationen stammen, bisher aus dem universitären Umfeld. „Die Nähe zur Universität Innsbruck ist definitiv ein Vorteil, weil wir dadurch der Wissenschaft, den Menschen und auch räumlich verbunden sind, vernetzt denken und international arbeiten“, ist sich Rainer Blatt bewusst. Dennoch plädiert er an die Politik, zusätzlich entsprechende Rahmenbedingungen, Initiativen und Ausbildungsplätze zu forcieren. „Wer früh dran ist beim Säen, wird früh ernten“, weiß er. Die Geschichte von AQT ist der beste Beweis dafür.