LIVESCHALTUNG

09.10.2019

Landwirte können heute die Gesundheit ihrer Kühe ganz einfach per Handy überwachen – mit einem Sensor des Grazer Unternehmens Smaxtec, der Daten direkt aus dem Inneren der Tiere sendet.

Schaut ein Bauer auf sein Handy, bedeutet das nicht unbedingt, dass er eine Whatsapp-Nachricht erhalten hat. Nutzt er die Erfindung des Grazer Unternehmens Smaxtec, dann checkt er vielleicht gerade die Körpertemperatur seiner Rinder oder bekommt die Info, dass eine Kuh in 20 Stunden ein Kalb zur Welt bringen wird. Solche Informationen liefert ein rund zehn Zentimeter langer Sensor, den die Kuh geschluckt hat und der in ihrem Magen bleibt. Und das ist weltweit einzigartig. Denn bisher wurden Messungen mittels eines Halsbands oder eines Chips am Ohr durchgeführt. Wenig verwunderlich, dass die Live-Berichte aus dem Pansen weltweit gefragt sind: Über 60.000 Sensoren wurden bereits verkauft, Smaxtec ist derzeit in mehr als 30 Ländern vertreten – von China bis nach Südamerika. Angefangen hat alles als Studentenprojekt, wie Smaxtec-Geschäftsführer Stefan Rosenkranz erzählt. In der obersteirischen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein wünschte sich ein Tierarzt für seine Forschung ein neues Messinstrument. Er wollte mehr über das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kühe in den Betrieben erfahren – und wandte sich an die beiden damaligen TU-Studenten Stefan Rosenkranz und Mario Fallast. „Wir bauten an den Wochenenden einen Prototyp, der den pH-Wert im Tier messen kann. An die Gründung einer Firma haben wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gedacht“, so Rosenkranz.

SCHWIERIGKEITEN MIT DER FINANZIERUNG

Aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen änderte sich das rasch. Der angehende Wirtschaftsingenieur und der Elektrotechniker gründeten 2009 ihr Start-up, drei Jahre später war das erste Produkt am Markt. Doch die Startschwierigkeiten waren unübersehbar. „Als Technologieunternehmen ist es zu Beginn leicht, da man für die Produktentwicklung sehr viel finanzielle Unterstützung bekommt“, sagt der Gründer. Die Situation ändert sich jedoch, sobald der Marktaufbau beginnt. „Dafür bräuchte man eigentlich gleich viel Geld, es gibt aber kaum Förderungen dafür“, meint Rosenkranz.

MANGELNDE BENUTZERFREUNDLICHKEIT

Dem Gründerduo gelang es auch nicht, wirklich am Markt Fuß zu fassen. Der Grund dafür war, dass ihr Produkt noch zu wenig nutzerfreundlich war. „Die Daten, die wir durch die Messung des pH-Werts erhalten haben, sind vergleichbar mit einem EKG. Ohne die Erklärung durch einen Internisten kann der Patient damit wenig anfangen. Der pH-Wert zeigt an, ob die Fütterung des Tiers geändert werden sollte. Doch das ist ein Prozess, der von einem Experten begleitet werden muss“, erklärt Rosenkranz.

Eine Änderung der Strategie musste her. Ein einfacher verständliches Einsteigerprodukt, dessen Vorteil sich den Landwirten sofort erschließt. Der 2015 entwickelte Sensor brachte dann tatsächlich den Durchbruch. Gemessen und beobachtet werden nun die Temperatur und die Bewegungen des Tiers. Vom Rindermagen bekommt der Landwirt die Infos fast in Echtzeit als Grafik auf sein Handy oder auf den Laptop übermittelt. An den Informationen sieht er, ob die Tiere ausreichend trinken. Die Temperaturmessung verrät, ob eine Kuh krank wird, noch bevor dies am Verhalten erkennbar ist. Auch Hitzestress lässt sich feststellen. „Durch die frühere Erkennung von Krankheiten können bis zu 70 Prozent an Antibiotika eingespart werden“, sagt Rosenkranz. Das Geschäftsmodell funktioniert übrigens wie ein Handyvertrag. Der Landwirt zahlt pro Kuh eine monatliche Grundgebühr, die Mindestlaufzeit beträgt zwölf Monate.

2016 hat das Unternehmen damit bereits einen Umsatz von rund einer Million Euro erzielt, bei einer Exportquote von 95 Prozent. Erst im Jahr darauf hat man den Fokus auf Österreich gelegt. „Referenzkunden im Heimatland zu haben ist ein wichtiges Signal nach außen“, meint der Geschäftsführer. 170 Kunden hat das Unternehmen derzeit in Österreich.

„Durch frühere Erkennung von Krankheiten können Antibiotika eingespart werden.“  Stefan Rosenkranz, Geschäftsführer Smaxtec

EXPORT BIS NACH SÜDKOREA

International gibt es für das Produkt keine Grenzen. In den klassischen Milchmärkten in Europa ist Smaxtec bereits vertreten, einer der wichtigsten Absatzmärkte war bisher Großbritannien. Kühe in Russland und den USA tragen den Sensor ebenfalls bereits im Magen. Der Zufall brachte Smaxtec sogar nach Südkorea. „Dort startete gerade eine Digitalisierungsoffensive, daher wurde man auf uns aufmerksam“, sagt Rosenkranz. Um für diese internationalen Aufträge gerüstet zu sein, hat das Unternehmen die Anzahl seiner Mitarbeiter nahezu verdoppelt. Manche der 40 Angestellten stammen sogar selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb. „Dadurch gewinnen wir zusätzliches Know-how. Wir arbeiten darüber hinaus intensiv mit Tierärzten zusammen und auch mit der Universität für Bodenkultur.“ Dass die Digitalisierung die Landwirtschaft weiter durchdringen wird, davon ist Rosenkranz überzeugt. Die Zahlen geben ihm recht. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens KeyQuest, das auf die Verwendung digitaler Technologien in Ackerbaubetrieben konzentriert ist, nutzen derzeit rund sechs Prozent aller österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe Precision-Farming-Systeme, und bereits dreizehn Prozent aller Ackerflächen werden mit GPS-gesteuerten Technologien bewirtschaftet. Rund ein Sechstel aller Bauern können sich Investitionen in diese Richtung gut vorstellen – je jünger und besser ausgebildet die Befragten sind, desto höher ist ihr Interesse.

Ein künftiger Trend geht in die Richtung, auch dem Endkunden transparent zu zeigen, wie es dem Tier gegangen ist. Dazu Rosenkranz: „Wenn durch unseren Sensor die Antibiotika reduziert werden konnten, die den Tieren normalerweise verabreicht werden, sollte das für den Kunden auch erkennbar sein.“

 

Autor/in

MARKUS MITTERMÜLLER

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