Innovativer, schneller, disruptiver

FACC
10.10.2018

In fast jedem Flugzeug sind Teile des Innviertler Unternehmens FACC verbaut. Warum das Unternehmen über Reisen zum Mond nachdenkt, wie es sich mit chinesischen Eigentümern lebt und wieso nur Innovation das Leben im Haifischbecken sichert, erklärt FACC-CEO Robert Machtlinger im Interview.
FACC-CEO Robert Machtlinger hat sich die Unterstützung der Bundesregierung gesichert, um Forschungsprojekte rund um Airtaxis aufzusetzen.

FACC fertigt mit 3.400 Mitarbeitern Komponenten von der Triebwerksverkleidung bis hin zur Innenausstattung von Flugzeugen, und wer in einem Flieger sitzt, hat heute ziemlich sicher ein Stück aus Ried in Innkreis mit an Bord. Wie wird ein Start-up aus dem Innviertel Weltmarktführer?
Unser wesentlichster Erfolgsfaktor war immer die Innovation. Wir setzten von Anfang an darauf, echten Kundenmehrwert anzubieten. Ohne Innovation würde es das Unternehmen überhaupt nicht geben. Der einzige Grund, warum die weltweite Flugzeugindustrie zu FACC kommt, ist, weil man unsere Lösungen sonst nirgendwo bekommt.

FACC ist ja aus Fischer Ski hervorgegangen. Was haben Ski mit Flugzeugkomponenten gemeinsam?
Diese Entscheidung wurde in der Skikrise in den 80ern getroffen. Die Fischer-Gruppe hatte eine tolle Forschungsabteilung. Krisenbedingt musste man aber sparen und hat überlegt, die F&E-Abteilung zu schrumpfen. Ihre Ausgaben waren für damals extrem hoch. Das Team hatte die Idee, die Leichtbau- und Verbundtechnik, die bei den Skiern zur Anwendung gekommen ist, auch auf andere Bereiche zu übertragen. Das war ein sehr disruptiver Ansatz, mit dem wir auch Kunden überzeugen konnten. So wurde, anstatt das Personal abzubauen, FACC gegründet. Sie war damals ein Start-up mit 30 Leuten, konnte aber einen Auftrag über 100 Millionen vom Flugzeugbauer McDonnell Douglas an Land ziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar: Man muss investieren.

Wie hat FACC als Neuling so einen großen Auftrag gewinnen können?
Die AUA hat damals neue Flieger bei McDonnell Douglas gekauft. Unternehmensvertreter waren deshalb in Österreich zu Besuch. Denen hat man auch die Skiindustrie gezeigt, und dabei wurden auch unsere Forschungsprojekte präsentiert, die sehr gut angekommen sind. Unser Ansatz, das Fertigungs-Know-how auch in eine andere Industrie zu bringen, hat ihnen gefallen.

Was hatten Sie zu dem Zeitpunkt denn vorzuweisen?
Zum Beispiel einen Showcase gemeinsam mit Audi. Wir haben für ein Sportmodell eine Komponente aus Carbon gefertigt und damit geholfen, viel Gewicht einzusparen. Das ist natürlich in der Flugzeugindustrie auch ein großes Thema und entsprechend gut angekommen. Aus einem Probejahr wurde also recht schnell etwas ganz Großes.

Welche Herausforderungen ergeben sich daraus, wenn man direkte Konkurrenten wie Boeing und Airbus mit Schlüsseltechnologie beliefert?
Intellectual Property (IP) ist natürlich ein großes Thema. Wir brauchen entsprechende Firewalls, um das Know-how unserer Partner zu schützen. Spannend ist, dass sie durch unsere Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Herstellern profitieren. Denn es gibt immer Lerneffekte. Und wenn man für mehr Firmen fertigt, lernt man auch wesentlich schneller. Die Know-how-Partnerschaften schaffen am Ende Mehrwert für alle, da das Wissen in die folgenden Projekte aller einfließt. FACC hat aktuell 300 Patentfamilien angemeldet. Das ist der Mehrwert, den wir in die Branche einbringen.

Konnten Sie diesen Ansatz von Anfang an entsprechend kultivieren?
Definitiv. Das ist die FACC-DNA. Wir mussten uns ja von der ersten Stunde an mit viel Größeren matchen. Wenn man sich da als Start-up beweisen will, muss man Leistungen erbringen, die weit über das gewohnte Maß hinausgehen. Wenn man der kleine Fisch im Haifischbecken ist, muss man innovativer und schneller sein als alle anderen und disruptive Ansätze bringen.

War das in der Skiindustrie auch schon Thema? Fischer war ja einer der Platzhirsche.
Das war eher ein Groschengeschäft, wo es um Riesenmassen und um maximale Effizienz gegangen ist. Wir sind dagegen heute in einer Industrie tätig, die in 100-Stück- Tranchen denkt. Wenn man da neue Materialien wie den Spritzguss einbringt, sind die Kosten zwar zu Beginn höher, aber nachher wesentlich niedriger. Nur mit solchen Ansätzen kann man punkten, wenn die Mitbewerber 60 Milliarden Euro schwer sind. Wir müssen die Tatsache ausspielen, dass wir wesentlich schneller sind und auch radikal querdenken können.

Vom kleinen Start-up, das ein wenig herumprobieren kann, sind Sie nun schon richtig weit weg. Kann man sich diesen Spirit überhaupt erhalten, wenn man selbst größer und größer wird?
Wir müssen sogar. Doch damit das klappt, braucht es viel Freiraum. Die Leute müssen innovativ denken dürfen. Wir entwickeln dafür immer wieder neue Ansätze wie derzeit ein Programm, für das wir Leute aus der Organisation rausziehen. Sie dürfen dann für Jahre ganz frei denken, tüfteln und entwickeln.

Wie ist der Output?
Sehr hoch. Natürlich wird nicht jede Idee etwas, und nicht jede Entwicklung lässt sich industrialisieren. Aber auf manchen kann man aufsetzen, und die bringen uns echt weiter.

Wie hoch sind Ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung?
Wir haben eine Forschungsquote von rund zehn Prozent. Wir haben auch eine eigene Innovations- und Technologiegruppe, die Produktinnovationen vorantreibt. Dabei geht es zum Beispiel um bionische Oberflächen oder um Aerodynamik. Sie kümmert sich aber auch um Materialien der Zukunft.

Welche Herausforderungen müssen Ihre Leute denn gerade lösen?
Das Verkleben baut aktuell auf Klebstoffen aus Rohöl auf. Für den Innenraumbereich haben wir einen Klebstoff auf Biobasis erfunden. Wir ersetzen also chemische Stoffe durch biologische Stoffe, und die haben auch noch bessere Eigenschaften. Ein erstes Serienprojekt haben wir schon für einen Business-Jet umgesetzt. Das soll jetzt in die Großserie starten. Das Spannende dabei: Der Klebstoff basiert auf Honig.

Sie haben von Ihrem ersten Zufallskunden erzählt. Heute ist FACC Weltmarktführer. Was waren die zentralen Weichenstellungen Richtung Weltmarktführerschaft?
Kann man so einen Ritt planen? Wir waren in den ersten 15 Jahren ein typisches Start-up und haben besonders auf Nischenprodukte gesetzt. Wir wollten uns nur auf unser gutes Kundenproduktportfolio konzentrieren, um uns nicht zu verzetteln. Unser Anspruch war stets, dass wir der beste Partner der Industrie werden wollten. Das gilt bis heute. 2011 haben wir dann ein klares Ziel für 2020 entwickelt. Wir wollten von 250 Millionen Euro Umsatz damals auf eine Milliarde wachsen.

Wird das gelingen?
Es sieht sehr gut aus. Wir haben die Globalisierung Schritt für Schritt vorangetrieben und Schwesterfirmen in den USA, Indien, Kanada, Abu Dhabi, China aufgebaut. Heute sind wir weltweit in 13 Ländern aktiv. Das führen wir fort.

Verliert damit der Österreichstandort an Bedeutung?
Im Gegenteil. Das Herz und Hirn ist in Ried im Innkreis. Die Luftfahrtindustrie ist extrem global aufgestellt. Dementsprechend international muss man sich auch als Unternehmen aufstellen. Deswegen haben wir auch zeitgerecht die Fühler nach China ausgestreckt und Boeing beim Aufbau einer Fertigung in China unterstützt.

„Der Scheich beschließt es, und dann passiert es auch.“

FACC ist ja heute komplett im Besitz chinesischer Investoren. Wie kam das?
Das war die Vision von Hannes Androsch, der 1991 bei uns eingestiegen ist. Er hat damals als Investor 50 Prozent von Josef Fischer abgekauft. Er hat uns begleitet und die Globalisierung vorangetrieben. 2007 war er der Meinung, dass die FACC einen starken strategischen Partner mit einem Markt im Hintergrund braucht, und hat geschaut, wie das gehen könnte. 2009 nach dem Ausscheiden von Josef Fischer hat er 100 Prozent des Unternehmens nach China verkauft. Damit haben wir auch Zugang zu einem stark wachsenden Markt bekommen.

Hat die Zusammenarbeit auf Anhieb geklappt? Und wie haben die Kunden auf die neuen Eigentümer reagiert?
Unsere Kunden haben natürlich auf die Absicherung ihrer IP gepocht. Die konnten wir gewährleisten, und damit war das Problem aus der Welt geschafft. Das Verhältnis zu unseren neuen Eigentümern war auch von Anfang an positiv. Sie haben die Zusagen gemacht, uns wachsen zu lassen. Sie haben uns auch an die Wiener Börse gebracht. Bisher wurde fast eine halbe Milliarde Euro in den Standort investiert, und gleichzeitig können wir eigenständig am Markt agieren. Allein 2.000 Arbeitsplätze konnten so in Ried geschaffen werden. Auch die Standorte in den USA und Kanada wurden in dieser Zeit aufgebaut.

Ihre Auftragsbücher sind für die nächsten sieben Jahre prall gefüllt. Welche Faktoren spielen Ihnen in die Hände?
Die Luftfahrtbranche erlebt seit 40 Jahren einen Boom. Das Passagieraufkommen hat sich allein in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Und das bleibt so. Die USA und Europa waren die Wachstumsmärkte, und jetzt wird der asiatisch-pazifische Raum wichtiger. Bis 2037 braucht man 37.400 Flugzeuge, und bei den meisten sind wir an Bord. Allein 14.000 Flugzeuge sind fix bei den Produzenten bestellt. Das gibt eine gute Prognostizierbarkeit. Wir haben einen Auftragsstand von 6,4 Milliarden Euro. Dahinter stehen konkrete Bestellungen.

Besteht die Gefahr einer Blase? Könnte es sein, dass die Politik der CO2-intensiven Luftfahrt einen Riegel vorschiebt, ähnlich wie das gerade bei Dieselautos passiert?
Es gibt sicher immer wieder Krisen, Ups and Downs. Aber die Aussichten sind insgesamt sehr stabil. Der CO2-Anteil der Luftfahrt liegt auch nur bei zwei Prozent am Gesamtaufkommen. Es gibt nun das Ziel, bis 2050 bei doppeltem Aufkommen den Anteil zu halbieren. Das wird auch gehen. Es gibt dazu bereits sehr spannende Forschungsprojekte. Ich gehe auch davon aus, dass im letzten Viertel des nächsten Jahrzehnts Flugzeuge mit 100 Sitzen rein elektrisch betrieben werden können. Mit Brennstoffzellen.

FACC befasst sich bereits intensiv mit futuristischen Konzepten wie dem privaten Flug zum Mond. Wie weit muss oder kann man vorausdenken?
Sie sprechen hier unsere Vision 2050 an. Darin kommt eine Reise zum Mond tatsächlich vor. Wenn man bedenkt, wie die Luftfahrt vor 40 Jahren ausgesehen hat, ist das nicht so unrealistisch. Fliegen war damals extrem elitär. Das hat sich gedreht. Reisen mit dem Flugzeug ist bei uns heute Standard. Bis 2030 lautet die Vision, eine nächste Generation der Technologie einzuführen, die stark vom Leichtbau geprägt ist. Auch Urban Air Mobility ist ein Riesenthema. Wir sind überzeugt davon, dass der Anteil der Flugtaxis am gesamten Flugmarkt enorm steigen wird. Darauf konzentrieren wir uns.

Was sagt die Politik zu dieser Idee?
Dass es früher klappen wird als autonomes Fahren. Weil es drei Dimensionen zum Ausweichen gibt. Der mittlere Osten und Asien denken da schon stark voraus. Dubai will Airtaxis schon bald testen. Das geht dort einfach. Der Scheich beschließt es, und dann passiert es auch.

Bei uns wird es nicht so einfach gehen.
Wir können es uns aber als westliche Industrienation nicht leisten, fünf Jahre hinter dem Trend zu sein. Wir haben deshalb die Unterstützung der Bundesregierung eingeholt, um Forschungsprojekte aufzusetzen. Wir sehen darin die Chance, die heimische Industrie gut zu vernetzen. Und den Flugzeugherstellern ein spannendes Gesamtpaket anzubieten. Wenn man einen Riesenauftragspolster hat, kann man sich leider nicht zurücklehnen, wir müssen vielmehr schauen, was wir für Österreich und das Unternehmen tun können.

Und was lässt sich daraus in die Gegenwart zurückspielen?
Wir generieren Unmengen an Fertigungsdaten. Die koppeln wir zurück. Was braucht der Markt? Was macht das Material? Was können wir umsetzen? Wie werden wir besser? Das ist ein Kreislauf, der sich immer wieder neu ergänzt. Innovation von heute ist in zwei Jahren Stand der Technik. Man muss von der Idee immer rascher zur Umsetzung kommen.