Firmenübergabe trotz Corona

25.05.2020

Warum die nächste Generation genau jetzt eingebunden werden muss und das ­„Hidden“ bei Champions von gestern ist: Ein Überblick, was sich Familienunterneh­men von Weltmarktführern abschauen können.

Im März feierte Dominik von Au noch im Kitzloch, jener Ischgler Après-Ski-Bar, von der aus sich das Coronavirus über halb Europa verteilte. Der PwC-Partner war mit einer Gruppe deutscher Unternehmensnachfolger unterwegs, man hielt ein Seminar und entspannte abends im Kitzloch. Danach wurden fünf der sieben Teilnehmer positiv auf Covid-19 getestet, von Au erkrankte am stärksten. Inzwischen ist er auskuriert. Doch sein Blick auf Corona ist nun, sagen wir, ein wenig persönlicher. 

Von Au verantwortet nicht nur als Partner den Bereich Family Governance bei PwC, er leitet auch als Geschäftsführer die INTES Akademie für Familienunternehmen. Womit wir im Thema sind: der Nachfolgefrage, die bei vielen Unternehmen brennt. So auch bei Weltmarktführern (WMF) und Hidden Campions in Familieneigentum, von denen sich klassische Betriebe in vielen Bereichen etwas abschauen können. Wie gehen also diese Top-Betriebe vor? Wagen sie sich in diesen herausfordernden Zeiten an die Übergabe? Wegen der Digitalisierung waren diese schon vor Corona speziell. Das Virus setzte noch eines drauf. 

Sie sollten sogar unbedingt übergeben, sagt von Au. Der Nachfolgeprozess sollte weiterhin konsequent umgesetzt werden. Seine Argumente: „Familienunternehmen in der ­x-ten Generation haben sich schon oft an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Sie haben unternehmerische Chancen erkannt und ihre Geschäftsmodelle weiterentwickelt. Mit Resilienz kennen sie sich aus. Die Hausaufgaben müsse man dennoch machen, vor allem braucht es eine Familienverfassung: Sonst gibt es Streit und Enttäuschung.“

Liquidität ist die beste Medizin

So fit diese Vorzeigebetriebe auch sind, zunächst müssen auch sie auf die aktuellen Rahmenbedingungen reagieren. Auf Corona war schließlich niemand vorbereitet. Als unmittelbare Reaktion wurde die Liquidität abgesichert, „das wird auch so bald nicht aufhören“. Man verschaffte sich einen Überblick, stabilisierte, auch durch schmerzhafte Personalmaßnahmen, und stockte auf. Den österreichischen WMF und Hidden Champions kommen ihre meist solide Kapitalausstattung und die hohe Eigenkapitalquote zugute, bemerkt von Au anerkennend. Viele machten sich auch trotz globaler Aktivitäten nicht ganz von globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten abhängig.  

Als Nächstes schwenkte das Augenmerk zum Operativen. Vertriebsstrategien wurden überarbeitet, die Supply Chains neu aufgesetzt. Ein guter Zeitpunkt, meint von Au, nun auch die Governance anzupassen, etwa Aufgaben in den Beiräten zu verändern oder den Aufsichtsrat neu zusammenzusetzen. Natürlich hatten viele ihr Geschäftsmodell schon vor Corona digital überarbeitet. Und Schritte in Richtung Plattformökonomie gesetzt. Damit muss sich jeder beschäftigen, der Champion bleiben wolle, ist von Au überzeugt. „Sich über Produkte zu definieren, reicht längst nicht mehr. Die Kunden gewichten oft den Service höher, den Plattformen bieten.“ Was nützt das beste Produkt, wenn der Kunde es nicht findet?

Nachfolger zum Anfassen

Spätestens hier kommt die nächste Generation ins Spiel. Natürlich ist sie toll ausgebildet und hat internationale Erfahrungen. Millennials und die Generation Z haben im kleinen Finger, dass Kunden keine Produkte kaufen wollen, sondern steile Storys und emotionale Erlebnisse. Wissen die Eltern das auch? „Die heutigen New Leaders wuchsen mit Social Media, Shared Economy und Fridays for Future auf“, sagt von Au, „sie kommunizieren frei von der Leber weg, offen, authentisch und transparent. Zum Schrecken der Eltern auch über Misserfolge.“ Gerade das macht sie glaubhaft und greifbar.

Auch Teamarbeit kennt die sogenannte NextGen schon aus der Schule. Probleme, das weiß sie, löst man heute gemeinsam statt einsam. Anders als den Eltern ist ihr Macht und Einfluss herzlich egal. Von Au erzählt von Thomas Grimme, in sechster Generation Nachfolger des Cloppen­burger Haushaltswarengeschäfts Th. Bley. Grimme merkte einmal an, „mein Vater kennt jeden in Cloppenburg, aber niemanden im Internet.“ Konsequent baute der Junior den hippen Onlineshop bleywaren.de auf. Das kann man sich auch hierzulande abschauen: E-Commerce-Schienen und Start-ups nahe am Kerngeschäft lassen sich später gut mit dem Familienbetrieb verschmelzen. Die Eltern können sich auf diese Weise schon einmal mit dem Führungsstil der Jungen anfreunden, agil, partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Gleichzeitig sehnen sich Mitarbeiter in der Corona-Krise nach Führungsstärke: „Viele NextGens, die sich zu Beginn der Corona-Verbreitung aktiv zum Beispiel in Krisenstäben eingebracht haben, haben jetzt eine Vorbildfunktion.“

Familyness nutzen

Auch für die Arbeitgebermarke – Stichwort War of Talents – ist jetzt ein guter Zeitpunkt, die NextGen ans Ruder zu lassen. „Hidden war gestern“, kon­statiert von Au. „Verschwiegenheit und Abschottung sind Sargnägel in der Welt nach Corona.“ Weshalb manche Familienunternehmen in Zeiten der Netzwerkökonomie mit ihrem Selbstverständnis kämpfen. „Kooperieren, sich öffnen, das geht an das Grundsätzliche. Kooperieren heißt auch, Wissen teilen. Für viele ist das immer noch ein No-Go. Diese Einstellung wird zum Problem.“ Der PwC-Partner rät, „auch das Erfolgsrezept der Familyness“ auszuspielen. Eine schlaue Doppelzange: Die NextGen spricht die jungen Talente an, steht für Innovation und Offenheit, verspricht Diversität und einen teamorientierten Führungsstil. Die Traditionsmarke wiederum symbolisiert Sicherheit und Stabilität. Genau das, was sich in einer krisengebeutelten Zeit viele wünschen. 

Ein weiteres Signal in Richtung Kunden und Arbeitsmarkt ist die Nachhaltigkeit. Bei Familienunternehmen ist sie fest in der DNA verankert. Man dachte immer schon für die nächsten Generationen, ob es jetzt um Technologien für Kunden geht, die den CO₂-Ausstoß verringern, oder um den eigenen Fußabdruck. Glaubwürdig nachhaltiges Handeln wird mehr und mehr zum Kaufkriterium. Tatsächlich, meint von Au, wird Klimaschutz eine zunehmend tragfähige Basis für zukunftsorientierte Unternehmensstrategien. Denn: „Wer heute intelligent voranschreitet, handelt nicht nur verantwortlich. Er wird morgen zu den ökonomischen Gewinnern zählen.“

Vier Typen von Nachfolgern – 

mit ganz ­verschiedenen Talenten

Transformer (46 Prozent)
Ehrgeizige selbstbewusste Leader, die Change anstoßen und innerhalb der nächsten fünf Jahre ganz oben an der Spitze stehen wollen.

Stewards (26 Prozent)
Hüter und Bewahrer der Tradition, meist älter als 35 Jahre und im Unternehmen bereits in einer Führungsrolle. Geringes Interesse an Innovation. 

Intrapreneure (20 Prozent)
Bestätigungssuchend und vorsichtig. Wollen sich erst im Schutz der Familie intern beweisen, bevor sie eigene Ideen präsentieren.

Entrepreneure (8 Prozent)
Führen ja, aber nicht im Familienunternehmen. Deshalb gründen Entrepreneure selbst. Lassen sich am ehesten durch eine Governance-Rolle binden, z. B. im Familienrat

Text: Mara Leicht

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