FerRobotics: Mit Gefühl in die Welt hinaus

Robotik
14.09.2020

 
Mit seiner Expertise in der sensitiven Robotik ist FerRobotics weltweit gefragt. Warum Corona das Automationsunternehmen weniger hart als die Krise 2009 trifft, und wieso die Technologie niemandem den Job wegnimmt – ein Portrait. 
Für Ronald ­Naderer, Geschäftsführer von FerRobotics, war klar: Der österreichische Markt ist zu klein, am Export führt kein Weg vorbei

Die Vision war von Anfang an klar: Es muss möglich sein, Roboter mit Gefühl ausstatten zu können. Was auf den ersten Blick etwas romantisch klingt, ist bei genauerer Betrachtung eine große technologische Herausforderung. „Anfang der 2000er Jahre war die sensitive Robotik ein Trendthema in der Forschung“, erinnert sich Ronald Naderer, der sein Unternehmen FerRobotics als Spin-off der Johannes Kepler Uni in Linz gegründet hat.

Seitdem entwickelt er flexible und intelligente Roboterelemente, die beispielsweise bei der Bearbeitung von komplexen Oberflächen ihre Kraft selbst dosieren können. „Mit dieser Technologie sind wir auch heute noch mit Abstand weltweit führend im Vergleich zu anderen Anbietern“, erklärt Naderer. Was zwischen der Gründung im Jahr 2006 und heute liegt, ist laut dem Geschäftsführer vor allem eines: harte Arbeit. „Es fällt einem nichts in den Schoß. Die größte Herausforderung zu Beginn ist das Überleben.“ Ein Kampf, den FerRobotics mit Bravour gemeistert hat, wie man an einer Exportquote von 97 Prozent im Vorjahr leicht erkennen kann – und Naderer ist auch überzeugt, dass in einigen Ländern erst jetzt „der Turbo so richtig zünden wird“.

Zuerst nach Deutschland

Dass sich FerRobotics auf jeden Fall international orientieren wird, war für den studierten Mechatroniker selbstverständlich: „Der österreichische Markt ist zu klein, am Export führt kein Weg vorbei.“ Wenige Diskussionen gab es auch über die Frage, welches das erste Zielland sein wird – nämlich Deutschland. Gleiche Sprache, ähnliche Kultur, kein Zoll und die gleiche Währung sind Faktoren, die den nördlichen Nachbarn als Exportmarkt attraktiv machen. Als einer der wichtigsten Industriestandorte der Auto- und Flugzeugbranche verfügt das Land darüber hinaus über eine hohe Dichte an möglichen Kunden. „Volkswagen erkannte als erster Automotive-Konzern die Automatisierungsnotwendigkeit in der Oberflächenbearbeitung und machte sich die neue Technologie zunutze. Mittlerweile haben alle namhaften Automobilhersteller nachgezogen und Produkte des Unternehmens im Einsatz“, sagt der Geschäftsführer. 

Nach dem Start in Deutschland war die Zeit reif für weitere Expansionen. Der nächste Schritt erfolgte 2012 mit dem Markteintritt in Asien mit eigenem Vertrieb. Im Jahr darauf gründete FerRobotics eine eigene Tochterfirma in den USA. „Die einzelnen Bundesstaaten in Amerika ticken sehr ähnlich, das Land ist nicht so inhomogen wie Europa“, erklärt Naderer einen der Vorteile. Besonders stolz ist er darauf, sowohl Firmen der amerikanischen wie auch japanischen Auto­industrie zu seinen Kunden zählen zu können, denn „diese arbeiten sonst kaum mit Europäern zusammen“.

Monotone Arbeit automatisieren

Wie genau sieht nun der technologische Vorsprung aus, der von Unternehmen aus mittlerweile drei Kontinenten geschätzt wird? Das Kernstück ist die patentierte Active Compliant Technology (ACT). Diese ermöglicht Robotern, sich selbst komplexen Oberflächen anzupassen und dabei automatisch ihre Kraft zu dosieren. So können auch spontan auftretende Gegenkräfte, beispielsweise bei bewegten Objekten, ausgeglichen werden. Typische Einsatzgebiete dieser sensitiven Robotik sind das Schleifen, Polieren und Entgraten von Flugzeugteilen oder Fahrzeugen. „Wir können damit manuelle Arbeit durch Automation ersetzen“, sagt Naderer. Dass damit auch Arbeitsplätze verloren gehen, weiß der Gründer zu entkräften: „Dabei handelt es sich um monotone und gesundheitsschädliche Tätigkeiten, da man Staub, Vibrationen und Lärm ausgesetzt ist. Aufgrund der Schwere der Arbeit sind Arbeitskräfte dafür selbst in Asien schwer zu finden. Durch unsere Technologie werden die Mitarbeiter frei für bessere Tätigkeiten.“

Stichwort Arbeitskräfte. Der Fachkräftemangel trifft auch FerRobotics, dessen Mitarbeiterzahl 2015 noch 15 Personen betrug und bis heute auf 50 Angestellte angewachsen ist. So hat es beispielsweise einmal mehr als ein Jahr gedauert, um einen Service-Inbetriebnahmetechniker zu finden. Etwas leichter geht es hingegen beim Forschungspersonal. Ein Anknüpfungspunkt sind dabei laut Naderer Bachelor- und Master­arbeiten: „Hier sind wir im Kontakt mit der Uni, einige Studierende steigen dann bei uns mit ein.“

Mit vollen Lagern durch die Krise

Wer wie das Linzer Unternehmen in 28 Ländern vertreten ist, spürt natürlich auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in besonderem Maß. „Die Wirtschaftskrise 2009 war für uns schwieriger, weil wir noch nicht so etabliert am Markt waren. Jetzt sind wir solide aufgestellt und können die Krise auch gut durchtauchen“, relativiert der Unternehmensgründer. Und das, obwohl die Auto- und Flugzeugindustrie – die wichtigsten Branchen für FerRobotics – besonders stark von der aktuellen Krise betroffen sind. „Wir haben schon vor dem Lockdown in Österreich gesehen, dass die Lage schwierig wird. Daher haben wir schnell reagiert und unsere Lager vor allem mit kritischen Teilen gefüllt. Somit sind wir voll lieferfähig“, betont der Geschäftsführer.

Doch nicht nur deswegen blickt Naderer sehr optimistisch in die Zukunft. Auf dem US-Markt erzielte FerRobotics im Vorjahr bereits Wachstumsraten im hohen zweistelligen Bereich. „Besonders in Luft- und Raumfahrt wurden richtungsweisende Aufträge erzielt“, so Naderer, der mit seiner Technologie die Lücken in der Automatisierung schließen will. Und hier noch weitere, große Potenziale ortet, denn: „Beinahe jede Branche setzt auf Automatisierung, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Automatisiert geschliffen, poliert und entgratet werden inzwischen alle möglichen Flächen und Materialien: ob Kokosfasern, Keramik oder Metall, die Anwendungen kennen kaum Grenzen.“ 

Text: Markus Mittermüller