Auf der Welle reiten

09.10.2019

Ein Grazer Unternehmen ersetzt Schlüssel durch Handys. Warum Airbnb auf die Erfindung des Europamarktführers Nuki setzt und wie der Smart-Home-Trend den Gründern in die Hände spielt.

Wer an seinem Urlaubsort ankommt, möchte nach der Reise meistens als Erstes seine Unterkunft beziehen. Immer öfter geschieht dies über den digitalen Zimmervermittler Airbnb. Ein Unsicherheitsfaktor ist bei dieser Art der Buchung allerdings, wie man zum Schlüssel des Apartments kommt. Nicht immer ist der Gastgeber verlässlich – oder die Ankunft verspätet sich aus unvorhersehbaren Gründen. Manchmal werden die Schlüssel auch einfach unter der Türmatte versteckt. Sowohl für den Vermieter als auch für den Gast eine unbefriedigende Lösung. Zumindest bis zum April des Jahres 2018. Denn seit diesem Zeitpunkt kooperiert der Online-Gigant aus San Francisco mit einem Grazer Unternehmen. Die Rede ist von der Nuki Home Solutions GmbH, dem Europamarktführer in Sachen elektronische Türschlösser. Das Prinzip ist simpel: Das sogenannte Nuki Smart Lock wird an der Innenseite auf ein bestehendes Türschloss montiert und ist innerhalb weniger Minuten startbereit. Ab sofort lässt sich die Tür mit dem Smartphone aufsperren, der Schlüssel wird obsolet.

VOM START WEG INTERNATIONAL

Dass die US-Wohnungsplattform auf das Grazer Unternehmen aufmerksam wurde, ist kein Zufall. Immerhin ist Nuki seit dem Beginn länderübergreifend unterwegs. „Wir haben vom Start weg international gedacht. Heuer sind wir in Spanien und Italien gestartet, im Herbst planen wir den Verkaufsstart in Australien und Neuseeland“, sagt Geschäftsführer Martin Pansy, der gemeinsam mit seinem Bruder Jürgen im Jahr 2013 die Frage gestellt hat: Wie bekommt man seinen Schlüssel aufs Smartphone und kann damit bestehende Türen öffnen? Dass die Brüder Pansy diese Frage in Bezug auf die Software lösen können, überrascht nicht wirklich. Denn in der Software-Welt sind die beiden keine Unbekannten. Bereits 1998 gründeten sie das damals größgrößte Social Network Österreichs, nämlich sms.at. Darüber hinaus fördert Martin Pansy mit seinem Company-Builder „Up to Eleven“ auch junge Gründer in der Digitalbranche.

Dennoch war es nicht leicht, die Vision eines smarten Türschlosses umzusetzen – fehlte doch beispielsweise das Hardware- Spezialwissen über Türschlösser und Schließzylinder. „Das ist nicht möglich!“ oder „Türschlösser lassen sich nicht online verkaufen!“ waren Aussagen, welche die beiden Gründer zur Anfangszeit nicht nur ein Mal hörten. Absolut begeistert von der Idee waren hingegen die ersten potenziellen Kunden. Nach einigem Ausprobieren und verschiedenen Prototypen, die von kleineren Gruppen vorab getestet wurden, wurde das Produkt im Rahmen einer Kampagne auf der Crowdfunding- Plattform Kickstarter einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert. „Das Feedback war überwältigend. Schon am ersten Tag hatten wir 180.000 Euro von den Unterstützern zusammen“, so Pansy. Nach 45 Tagen lukriert das Projekt rund 385.000 Euro. Damit war das notwendige Kapital für die Fertigung der ersten Produktlinie sichergestellt. Ein Turbo, von dem das Unternehmen nicht nur finanziell, sondern vor allem auch mental zehrt. „Wir sind damit auf eine Welle aufgesprungen, die wir bis heute nicht verlassen haben“, meint der Gründer.

„Die Kickstarter-Kampagne war finanziell nicht mehr als zwei, drei Tropfen auf den heißen Stein.“ Martin Pansy, Geschäftsführer Nuki

LEICHTE INVESTORENSUCHE

Weiteres Kapital war in der Folge dennoch nötig. Nach der erfolgreichen Crowdfunding- Kampagne musste auch die erste Produktionsmenge vorfinanziert werden. Daher entschloss sich das Unternehmen, auch eine erste externe Finanzierungsrunde über zwei Millionen Euro abzuschließen. „Die Kickstarter-Kampagne war finanziell gesehen nicht mehr als zwei bis drei Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Pansy. Da Nuki aber von Beginn an Verkäufe und Umsätze vorweisen konnte, war es kein Problem, neue Investoren zu finden. Mit Ende dieses Jahres werden rund 100.000 smarte Schlösser verkauft worden sein. Und das vor allem auch aufgrund einer klugen Eintrittsstrategie in internationale Märkte. Ab März 2017 waren die Nuki-Produkte auf Amazon verfügbar. Einen Monat später startete das Unternehmen in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, kurz darauf auch in Frankreich. „Unser Produkt ist ein Luxusartikel. Das Einkommen in den entsprechenden Ländern muss also hoch sein“, erklärt der Geschäftsführer ein Auswahlkriterium der Märkte.

Trotz der Partnerschaft mit Amazon setzt Nuki jeweils auf den eigenen Online-Kanal mit Shop. „Damit sind wir strategisch unabhängiger, und der Markteintritt geht auch rascher, weil wir damit mehr Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Pansy. Erst danach fokussiert sich das Unternehmen auf den jeweiligen stationären Handel. Um diese Märkte optimal bedienen zu können, wird das Nuki-Team laufend erweitert. Besonders gefragt sind Mitarbeiter mit Sprach- und FachkenntnisFotos: nuki.io CLEANING SERVICES SECURITY SERVICES SUPPORT SERVICES TECHNICAL SERVICES FOOD SERVICES INTEGRATED FACILITY SERVICES STAATLICH AUSGEZEICHNETES UNTERNEHMEN ® ® best recruiter 15 |16 aut sen, speziell in den Bereichen Marketing, Sales, Logistik oder auch Support. Seit dem Verkaufsstart im November 2016 hat sich das Unternehmen jährlich verdoppelt – bei Umsatz und Mitarbeitern. Eine besondere Aufgabe kommt dabei dem Customer-Experience-Team zu. Dieses wertet die Kundenrückmeldungen aus den unterschiedlichen Online-Kanälen aus. Das Feedback, das man in Facebook- Kommentaren, den Amazon-Bewertungen oder den eigenen Chats bekommt, dient zur Verbesserung der Nuki-Produkte. „Wir leben überhaupt sehr stark von den Weiterempfehlungen bestehender Kunden“, erklärt Pansy. Die IFA-Messe im September in Berlin hat Nuki genutzt, um eine Produktneuheit zu promoten: den Nuki Opener. Dieser macht aus einer bestehenden Gegensprechanlage einen smarten Türöffner, der zur Selbstinstallation in der Wohnung konzipiert wurde. Dass das Unternehmen damit Erfolg haben wird, liegt laut Pansy auch daran, dass andere Smart-Home-Lösungen wie die Sprachassistenten Siri und Alexa im Trend liegen: „Diese pushen die Idee von Smart Homes, und wir profitieren davon, weil Nuki diese Angebote komplettiert.“

 

Autor/in

MARKUS MITTERMÜLLER

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