Wie KMU Ausschreibungen gewinnen

Vergaberecht
29.11.2016

 
Um Aufträge der öffentlichen Hand zu bekommen, müssen sich KMU bei den Ausschreibungen durchsetzen. Dabei lauern diverse Stolpersteine. Wie man sie vermeidet, erklärt Rechtsanwältin Anna Walbert-Satek von der Wirtschaftskanzlei BPV Hügel Rechtsanwälte.
"KMU haben es bei prestigeträchtigen und großvolumigen Ausschreibungen schwer, zum Zug zu kommen", Anna Walbert-Satek.
"KMU haben es bei prestigeträchtigen und großvolumigen Ausschreibungen schwer, zum Zug zu kommen", Anna Walbert-Satek.

Wenn KMU öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge an Land ziehen wollen, müssen sie an den vorgeschriebenen Ausschreibungen teilnehmen. Oft ein riesen Aufwand. Wie transparent und fair sind die Vergabeprozesse in der Praxis?

Die EU-rechtlichen Vorgaben und die vergaberechtlichem Bestimmungen sehen natürlich die strenge Beachtung des Transparenzgebots und des Diskriminierungsverbots vor. In der Praxis findet man aber immer wieder Fälle, wo diese Gebote etwas "großzügiger" ausgelegt werden. Das ist nicht immer gleich ein Vergaberechtsverstoß. Werden aber bestimmte Grenzen überschritten und wird das rechtzeitig aufgegriffen, führt eine Anfechtung jedoch häufig zu einem Erfolg.

Ab welcher Summe müssen öffentliche Aufträge überhaupt ausgeschrieben werden?

Das hängt ab vom Auftraggeber, von der Art des Auftrags und dem gewählten Vergabeverfahren. Formlose Direktvergaben dürfen zum Beispiel nur bis zu einem geschätzten Auftragswert von unter 100.000 Euro durchgeführt werden. Hier hat ein Auftraggeber weitestgehend freie Hand. Ab einem geschätzten Auftragswert von 209.000 Euro bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bzw bei 5,225 Millionen bei Bauverträgen und Baukonzessionsverträgen ist ein Vergabeverfahren zumeist nach den stark formalisierten Regeln für den Oberschwellenbereich durchzuführen. Für wertmäßig dazwischen liegende Aufträge gelten die weniger strengen Bestimmungen des Unterschwellenbereichs.

Wo lauern Fallen für Unternehmen?

Vergabeverfahren laufen häufig in mehreren Abschnitten ab. Wenn nun ein Fehler passiert und er wird nicht sofort aufgegriffen, ist es oft zu spät, um in einem späteren Abschnitt etwas dagegen zu unternehmen. Auch rechtswidrige Bestimmungen können so bestandsfest und damit unanfechtbar werden. Wenn zum Beispiel diskriminierende Ausschreibungsbestimmungen vorgesehen sind, müssen diese eigentlich sofort beeinsprucht werden, weil sie sonst unangreifbar werden. Oft muss man einem Unternehmen nach dem ersten gescheiterten Versuch, einen Auftrag zu erhalten, dann raten, beim nächsten Mal von Anfang an Beratung bei jemandem zu suchen, der die kleinen und großen Tricks und Fallen im Vergaberecht schon kennt.

Wenn die Ausschreibungen so gestaltet sind, dass von Haus aus nur Großunternehmen teilnehmen können, müsste das sachlich argumentiert werden. Frommer Wunsch oder gelebte Praxis?

Nach dem Gesetz sollte es mehr gelebt werden, in der Praxis ist es aber eher noch ein frommer Wunsch. Kleinere und mittlere Unternehmen haben es gerade bei prestigeträchtigen und großvolumigen Ausschreibungen tatsächlich schwer, zum Zug zu kommen, weil sich ein Auftraggeber eine gewisse Leistungsfähigkeit von seinem Vertragspartner erwartet - und auch erwarten darf. Eine Anfechtung dagegen wird ohnehin durch zum Teil hohe Gerichtsgebühren und sehr kurze Fristen erschwert. Oft gäbe es aber gute Argumente, um eine Anfechtung zu wagen. Hier würde ich doch zu mehr Mut raten!

Manche Ausschreibungen erwecken den Eindruck, auf bestimmte Anbieter zugeschnitten zu sein. Lohnt es sich bei Verdacht, dagegen rechtlich vorzugehen?

Dieser Eindruck entsteht immer wieder. Oftmals verbindet Mitbewerber aber eine Historie der gegenseitig empfundenen Ungerechtigkeiten bei der Auftragsvergabe. Hier lohnt sich ein Crosscheck der Lage durch jemand Unbefangenen, sei das zum Beispiel ein externer Konsulent oder ein Rechtsanwalt.

Worauf müssen KMU achten, wenn sie Bietergemeinschaften bilden?

Gerade bei der Bildung von Bietergemeinschaften gibt es einige formale Fallen, in die man leicht hineintappt. Das hat dann oft das Ausscheiden eines Angebots zur Folge und alle Mühe war umsonst. Häufige Fehlerquellen gibt es zum Beispiel dort, wo bei allen an einer Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen bestimmte Berechtigungen zwingend vorliegen müssen oder wenn von allen Unternehmen Unterschriften zu erbringen sind. Einem Ausscheiden kann man da oft nur durch ein akribisch genaues Einhalten der Ausschreibungsbestimmungen entgegenwirken.

Gibt es typische Fehler, die Unternehmen bei Ausschreibungen vermeiden können?

Es gibt ein paar gravierende Fehler: Beispielsweise das ungenaue Lesen und nicht vollständige Einhalten der Ausschreibungsunterlagen. Oder aber: Die Beilage von Begleitschreiben und eigene AGB, die den Ausschreibungsbestimmungen widersprechen - das ist tödlich. Solche Fehler führen oft unwiderruflich zum Ausscheiden eines Bieters. Und drittens: Das zu späte Konsultieren von fachkundiger und oder rechtsfreundlicher Beratung.

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