Wie Führungskräfte zu Influencern werden

Management
02.09.2020

 
Führungskräfte müssen künftig erfolgreiche Beeinflusser ihres Umfelds und Netzwerks sein. Diese These vertritt die Managementberaterin Barbara Liebermeister in ihrem neuen Buch „Die Führungskraft als Influencer“. Ein Gespräch über Sichtbarkeit, Inszenierung und aktives Zuhören.

Sie behaupten in Ihrem neuen Buch, Führungskräfte müssten sich künftig primär als Beeinflusser ihres Umfelds und persönlichen Netzwerks verstehen. Warum?

Unter anderem, weil im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung die Beziehungsnetzwerke in den Unternehmen immer komplexer werden. Deshalb gilt es heute beim Führen mehr Interessen zu berücksichtigen. Außerdem müssen die Führungskräfte in ihr Denken und Handeln zunehmend Personen integrieren, die ihnen hierarchisch nicht unterstellt sind.

Welche zum Beispiel?

Zum Beispiel die Führungskräfte der Bereiche, mit denen ihr Bereich bei der Leistungserbringung kooperiert, und die strategisch relevanten Dienstleister.

Die Führungsaufgabe wird also komplexer?

Ja, auch weil die Belegschaften der Unternehmen heterogener werden: „digital natives“ müssen mit „digital immigrants“, Europäer mit Asiaten, festangestellte Mitarbeiter mit Freelancern usw. kooperieren. Und all diese Personen soll die arme Führungskraft führen und inspirieren – in einem Umfeld, das von permanenter Veränderung geprägt ist.

Wie ist in einem solchen Kontext erfolgreiche Führung möglich?

Die Führungskräfte müssen sich als Beziehungsmanager verstehen, deren Kernaufgabe es ist, die Beziehungen im sozialen System Unternehmen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter effektiv zusammenarbeiten können; außerdem als emotionale Leader, deren Aufgabe es ist, ihre Mitarbeiter bzw. Netzwerkpartner zu inspirieren.

Welche Fähigkeiten brauchen Führungskräfte hierfür?

Unter anderem feine Antennen für die Stimmungen, Interessenlagen, Wechselwirkungen usw. in ihrem Umfeld.

Ist deshalb in Ihrem Buch ein Kapitel dem Thema „aktives Zuhören“ gewidmet?

Ja, denn Kommunikation ist und bleibt das Schmiermittel der Beziehungen und die wichtigste Informationsquelle. Dabei gilt es jedoch auch, die informellen Botschaften wahrzunehmen, die Personen beispielsweise durch ihre Körpersprache artikulieren. Selbst hinter solchen Kleinigkeiten, wie dass eine Kontaktperson eine Mail schreibt statt zum Telefonhörer zu greifen, kann eine wichtige Botschaft stecken.

Welche Fähigkeiten bzw. Eigenschaften brauchen Führungskräfte noch?

Sie sollten zum Beispiel ihr Denken und Handeln regelmäßig daraufhin überprüfen, inwieweit sie damit die gewünschte Wirkung erzielen.

Influencer sein, bedeutet also mehr als in den Social Media präsent und aktiv zu sein?

Weit mehr, denn in den Unternehmen spielt zwar die digitale Kommunikation eine immer größere Rolle, doch die klassischen Social Media wie Facebook, Instagram & Co. spielen zumindest im Führungsprozess eine eher marginale Rolle. Trotzdem kann man von den sogenannten Influencern in den Social Media vieles lernen, wenn darum geht: Wie erreiche ich, dass andere Menschen mir und meinen Ideen folgen?

Zum Beispiel?

Influencer sorgen dafür, dass sie sichtbar sind – zum Beispiel, indem sie regelmäßig ihre Social Media-Kanäle füttern und ihr virtuelles Netzwerk pflegen. Ähnliches gilt für alle Personen, die Influencer sind oder sein möchten. So saßen zum Beispiel in der corona-bedingten Lockdown-Phase unsere Spitzenpolitiker spät abends noch oft in Talkshows, um ihr Denken und Handeln der Bevölkerung zu vermitteln und zu erreichen, dass diese ihre Entscheidungen mitträgt. Das heißt, eine Führungskraft, die sich nur hinter ihrem Schreibtisch verbirgt, wird nie ein Influencer, denn eine Voraussetzung hierfür ist: Man muss die Kommunikation mit den Netzwerkpartnern gezielt suchen. Zudem haben fast alle erfolgreichen Influencer eine klare Botschaft und stehen erkennbar für gewisse Werte. Dies sollte auch bei Führungskräften der Fall sein.

Haben Sie weitere Beispiele?

Ja, erfolgreiche Influencer überlassen ihr Auftreten nicht dem Zufall. Sie inszenieren sich, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Diesbezüglich haben viele Führungskräfte noch Entwicklungspotenzial. Während der Lockdown-Phase in der Corona-Zeit nahm ich an vielen Online-Meetings von Unternehmen teil. Dabei registrierte ich immer wieder:

  • Die Führungskräfte loggen sich oft verspätet ein,
  • sie tragen, wenn sie im Homeoffice arbeiten, meist eine legere Freizeitkleidung,
  • sie hängen nicht selten schlaff auf ihrem Stuhl und
  • im Hintergrund sieht man zum Beispiel ein Strandbild mit Palmen.

Dabei wollten die Führungskräfte ihren Mitarbeitern in den Meetings eigentlich stets die Botschaft vermitteln: „Wir arbeiten nun zwar im Homeoffice, doch ansonsten gilt: Business as usual.“ Einer Führungskraft, die sich als Influencer versteht, passiert ein solches Missgeschick nicht, denn sie reflektiert vor ihrem Auftritt: Welche Wirkung will ich erzielen bzw. welche Botschaft vermitteln, und wie sollte ich mich folglich präsentieren?

Aus Ihrer Warte müssen Führungskräfte sich künftig also auch als Influencer verstehen?

Ja, denn als „lonely heroes“ können sie in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt ihre Aufgabe nicht mehr effektiv wahrnehmen.

Zur Person: Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt. Anfang August erschien im Gabal-Verlag das neuste Buch der Managementberaterin und Vortragsrednerin „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“.