Klare Worte zum Thema

Wirtschaftsbildung

Klare Worte
14.02.2022

Matthias Reisinger ist geschäftsführender Vorstand der Stiftung für Wirtschaftsbildung. In dieser Funktion setzt er sich dafür ein, dass jungen Menschen Wirtschaft lebensnah vermittelt wird. Ein Bohren extrem dicker Bretter.
Matthias Reisinger ist geschäftsführender Vorstand der Stiftung für Wirtschaftsbildung

Wirtschaftsbildung genießt in unserem Bildungssystem nur einen geringen Stellenwert. Dabei sollte gerade in der Schule Raum sein, um alle Aspekte von Wirtschaft kritisch zu hinterfragen. Dafür braucht es allerdings ein gutes Grundverständnis. Und ob dieses vermittelt wird, hängt aktuell noch zu oft von der einzelnen Lehrkraft ab. Dazu kommt, dass im geltenden Lehrplan und in vielen Schulbüchern das Thema nur eine untergeordnete Rolle spielt.   

Wie praxisnah die Lehrinhalte sind.

Wenn sich junge Menschen für Wirtschaft interessieren sollen, müssen die außer­schulischen Realitäten ins Klassenzimmer. Schüler sollten lernen, wie sie mit Geld umgehen, was in einem Dienstvertrag steht, welche Steuern es gibt und was es mit unternehmerischem Denken und Handeln auf sich hat. In der Vermittlung solcher Kompetenzen steckt ein enormes Potenzial. Doch dafür müssen wir weg von abstrakten Modellen, damit sich die Schülerinnen und Schüler nicht mehr ständig fragen, wofür sie das lernen sollen.  

Warum Wirtschaft im Abseits steht.

Die Diskussion über Wirtschaft in der Bildung ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Genau wie im gesellschaftlichen Diskurs polarisiert das Thema auch im Schulsystem und wird oft sehr kritisch und pauschal negativ konnotiert. Das zeigt sich auch in vielen Schulbüchern deutlich. Natürlich sollen die Kinder Wirtschaft kritisch hinterfragen. Dafür wäre aber wichtig, dass zuerst die Fakten ohne Ideologisierung vermittelt werden. Die Kinder sollen sich Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven nähern können. Aus derjenigen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Konsumenten, der Bürger, aber auch der Natur.

Wie sich mangelnde Wirtschaftsbildung auswirkt.

Wenn Wirtschaft nur als Randthema gehandelt wird, geht uns als Gesellschaft enormes Potenzial verloren. Vor allem leiden aber die Menschen selbst unter dem Informationsmangel. Schon vor der Covid-Krise waren 600.000 Österreicher überschuldet oder zahlungsunfähig. Der falsche Umgang mit Geld ist nach Arbeitslosigkeit der zweithäufigste Grund dafür. Vor allem viele junge Menschen sind hochverschuldet. Uns geht aber auch unternehmerisches Potenzial verloren, wenn sich junge Menschen nicht für Wirtschaft begeistern.  

Welche gesellschaftliche Funktion Bildung hat.

Wenn Schüler die Schule verlassen, sehen sie sich oft nicht als Teil der Wirtschaft, für sie ist die Wirtschaft ein unveränderbares System. Das ist ein wichtiger demokratiepolitischer Aspekt. Denn sie sind Teil dieses gesamten Systems. In unterschiedlichen Rollen, in denen sie durchaus mitgestalten könnten und sollten. Je mehr Menschen informiert am Prozess teilnehmen können, umso besser für alle. Aber wenn man die Konsequenzen nicht abschätzen kann, überlässt man es einfach anderen.

An welchen Schrauben gedreht werden muss.

Zum Glück tut sich langsam etwas. Für die Unterstufe wurden bereits neue Lehrpläne erarbeitet. Nun bekommt das Thema mehr Platz als früher. Wichtig ist, dass es nicht ewig dauern darf, bis die Inhalte im Klassenzimmer ankommen. Darum machen wir gerade ein Pilotprojekt mit 35 Schulen, um zu zeigen, wie ein spannender, wirkungsvoller und multiperspektivischer Wirtschaftsbildungsunterricht aussehen kann. Dafür erstellen wir Unterlagen, bieten Fortbildungen für Lehrkräfte an und stellen Budget für Materialien und Ausflüge bereit. Wir arbeiten dafür mit jenen Schulen und Lehrkräften zusammen, die den Bedarf einer lebensnahen Wirtschaftsbildung erkannt haben.

Was Unternehmen beitragen können.

Betriebe können zum Beispiel in Form von Aktionstagen Kinder an die Praxis heranführen. Sie können aber auch Workshops in Klassenzimmern oder im Betrieb veranstalten. Es ist sehr wichtig, dass die Schülerinnen viel Praxis-Erfahrung bekommen. Wir wollen die Betriebe gezielt mit den Schulen vernetzen. Dieser Austausch ist immer sehr fruchtbar und für Unternehmen, Lehrer und Schüler eine ganz tolle Erfahrung.

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