Interview mit Werberat

"Werbung darf Grenzen überschreiten"

Marketing
24.05.2023

Der Werberat ist Sprachrohr zwischen Konsument*innen und Werbeindustrie. Er sammelt Beschwerden zu Werbesujets, die eine Jury bewertet und die betreffenden Unternehmen zur Sensibilisierung oder zum Stopp auffordern kann. Wir sprachen mit dem Präsidenten, ­Michael Straberger.
Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberats
Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberats

Wie hat sich Werbung über die Jahre und Jahrzehnte ­verändert?

Am eklatantesten zeigt sich die Veränderung bei Rollen-Stereotypen. Etwas wie die Frauengold-Werbung aus den ­50er-/60er-Jahren ist aus heutiger Sicht eine Katastrophe. Auch Darstellungen wie der Coke-Light-Mann sind zum größten Teil aus der Werbung verbannt. Wenn Unternehmen trotzdem solche Sujets einsetzen, ziehen sie sie meist bei der ersten Beschwerde zurück, weil sonst ihre Marke Schaden nehmen kann.

Unternehmen sind also vorsichtiger geworden?

Vor allem Konzerne nivellieren die Gefahr, zu sehr aufzufallen, von Anfang an herunter. Doch es gibt auch aufmerksamkeitsstarke Beispiele, die zeigen, dass Werbung provozieren und belästigen kann. Beim Werberat schlägt immer wieder ein österreichischer Möbelhandelskonzern auf, der provokant, aber auch humorvoll auftritt. Wenn wir ihn zur Sensibilisierung auffordern, tauscht er die Werbung in der Sekunde durch eine Variante aus, die er schon vorbereitet hat. Ich finde es legitim, mit Werbung Grenzen zu berühren und manchmal zu überschreiten, sofern man Verantwortung übernimmt.

Welche Fehler können Unternehmen bzw. Agenturen beim Versuch passieren, um jeden Preis aufzufallen?

Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und die Selbstregulierung haben dazu geführt, dass „Auffallen um jeden Preis“ kaum noch passiert. Probleme gibt es oft bei selbst gestrickter Werbung von KMU. Ich erinnere an einen Kärntner Friseur, der mit einem Plakat in der Auslage den Zutritt für Frauen und Hunde verboten hat, oder an einen Kasnudel-Hersteller, der mit einem Auto fährt, auf dem eine fast barbusige Frau und ein blöder Anmachspruch abgebildet sind. Das kann Aversionen auslösen und heute gibt es Menschen, die dort nichts mehr kaufen. Selbst wenn die persönliche Wertehaltung nicht der gesellschaftlichen entspricht, sollten also auch KMU darüber nachdenken, wie sie Menschen mit ihren Botschaften berühren.