Wie das Einhorn bio wurde

CSR; Nachhaltigkeit
27.03.2023

Fohrenburger aus dem Ländle hat Budweiser in der Luftburg im Wiener Prater ersetzt. Weil Bio wichtiger ist als alte Traditionen.
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75 Tonnen Stelze pro Jahr, 1.200 Hektoliter Bier, die an über tausend Sitzplätzen pro Jahr ausgeschenkt werden. Die Luftburg im Wiener Prater ist ein Restaurantbetrieb anderer Dimension. Seit 2021 das größte Bio-Restaurant der Welt. Mehr geht nicht. Die Europäische Union hat im Vorjahr erstmals den „EU Organic Award“ ausgeschrieben, um in mehreren Kategorien die besten Biobetriebe des Kontinents ausfindig zu machen. Die Luftburg ist bei diesem Ranking auf Anhieb unter die Top drei gekommen. „Das ist eine echt schöne Bestätigung“, schmunzelt Paul Kolarik, der das Lokal vor zwei Jahren von Mutter Elisabeth übernommen und die Zeit des Lockdowns für das ehrgeizige Projekt der kompromisslosen Umstellung genutzt hat. Vom Zucker bis zum Bier sollte alles bio werden.
Kolarik. Da denkt man automatisch an Budweiser-Bier. Das war auch traditionsbedingt so. „Natürlich haben wir zuerst mit Budweiser gesprochen“, sagt Paul Kolarik, „und haben gefragt, wie es denn mit einem Bio-Bier aussieht. Aber wir haben nicht das erhoffte Feedback bekommen.“ Erstaunlich bei dieser enormen Absatzmenge. „Wir haben gemerkt, eine Bio-Linie ist bei Budweiser ein weit entferntes Thema“, erinnert sich Paul.

Osten trifft Westen
Ganz nah hingegen war das bei der Fohrenburger-Brauerei aus dem Ländle. Das Bier mit dem Einhorn im Logo war im Osten Österreichs eher eine Randerscheinung. Als Wolfgang Sila die Brauerei vor zehn Jahren als Geschäftsführer übernommen hat, wollte er den Betrieb in Richtung Nachhaltigkeit drehen. Diesen Weg geht auch die Brauunion, zu der Fohrenburger mittlerweile gehört. Als ruchbar geworden ist, dass die Luftburg am anderen Ende von Österreich ein Bio-Bier sucht, kam ein Vertreter des Einhorns mit einem Sechser-Träger Bio-Bier vorbei. „Wir haben es verkostet und es hat uns sehr gut geschmeckt“, erinnert sich Paul, „auch die Aufmachung war super“, und Mutter Elisabeth als Pferdeliebhaberin war sowieso ein Einhornfan, wie Paul scherzhaft anmerkt. „Allerdings war es ein Bio-Zwickl und wir haben ein Helles gesucht.“ Fohrenburger-Chef Sila reagierte cool: „Na, dann machen wir eben ein Helles.“ Drei Monate später schickte er das helle Bio-Bier zur Verkostung. Der Deal war perfekt.

Paul Kolarik und Wolfgang Sila wollen Bier  in Bio-Qualität.
Paul Kolarik und Wolfgang Sila wollten beide das Gleiche: Bier in Bio-Qualität.

 „Wir waren die Ersten, die in Vorarlberg Braugerste in Bio-Qualität angebaut haben“, sagt Sila. Doch dazu musste er erst willige Bauern finden und zugleich die Saat für die Bauern organisieren und die Umstellung finanziell erleichtern. Bio-Braugerste in Vorarlberg? „Wir wurden für verrückt gehalten“, so Sila, „darum haben wir den Bauern das komplette Risiko abgenommen.“ Es war ein Pilotprojekt mit ungewissem Ausgang. Es ist gut gegangen und dank des Luftburg-Deals eine Erfolgsstory. Heute melden sich bereits aktiv Bauern, um Fohrenburger zu beliefern. Hopfen gibt es aber nach wie vor keinen im Ländle; der wird regional geholt. Das heißt also – aus der Bodenseeregion. Diese Rohstoffknappheit macht es schwierig, die komplette Brauerei zügig auf Bio umzustellen. Aber CO2-neutral will Sila möglichst bald werden. Die Brauerei ist schon so weit. Sie braut ausschließlich mit erneuerbaren Energien. Die große Herausforderung ist nun die Logistik. Sila will bald E-LKW zur Belieferung umliegender Abnehmer testweise auf die Straße schicken. Wichtiger noch ist ihm derzeit, die Touren zu optimieren. Viele lokale Lieferungen können bei guter Planung alle zwei Wochen, statt wie bisher wöchentlich, durchgeführt werden. Sila hat zudem Standorte – etwa für ein Auslieferungslager – in der Umgebung aufgelassen und alles in Bludenz zentralisiert. Auch wenn dafür massiv ausgebaut werden musste. Es werden dafür dauerhaft Kilometer gespart.

Abläufe verbessern, Umwelt schonen
Da treffen sich wieder die Absichten von Sila und Kolarik, der schneller als die Stadt Wien klimaneutral werden will. „Wir haben in der Luftburg viel am Frontend gemacht, damit der Gast etwas spürt. Jetzt geht es um das Backend.“ Zum Beispiel um ein Abluftsystem, das nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Auch die Abwasch muss erneuert werden. Die LKW-Routen von Fohrenburger und die Abwasch in der Luftburg – sie bringen nicht mehr Umsatz, aber verbessern Abläufe. „Ich lebe das privat, also will ich das im Betrieb“, sagt Paul Kolarik, „ich kann doch nicht sagen, die Gäste bekommen was anderes, als mir persönlich wichtig ist.“ Auch Wolfgang Sila ist ein Bio-Wirbelwind in Vorarlberg; er berät unter anderem „Planet Pure“, das bekannte Öko-Waschmittel aus Hörbranz.

Ich kann doch nicht sagen, die Gäste bekommen was anderes, als mir persönlich wichtig ist.

Paul Kolarik

Und spürt der Gast etwas? „Wir haben Leute, die hinausgehen und nicht einmal realisiert haben, dass sie in einem Bio-Lokal waren“, sagt Kolarik, „es ist im Prinzip auch egal, denn wir wollen niemanden bekehren. Niemand muss bei uns sein Wesen ändern und darf weiterhin kommen und sein Bier trinken und seine Stelze essen. Es gibt zumindest niemanden, der wegen unserer Bio-Ausrichtung nicht mehr kommt.“ Ob der Gast es nun unmittelbar spürt oder nicht – die beiden Bio-Betriebe spüren es jedenfalls. Die Luftburg wird plötzlich verstärkt für Firmenfeiern und Green Events angefragt, auch aus der Europäischen Union. Da gibt es große Ausstellungen und Events in der Wiener Messe und die Veranstalter suchen dann gezielt ein großes Bio-Lokal zum Ausklang.  
Und Fohrenburger fällt plötzlich großen Händlern auf, wie Wolfgang Sila bemerkt: „Wir werden endlich als Bio-Brauerei wahrgenommen und große Händler aus dem Osten nehmen uns in ihr Programm auf und vertreiben uns in Wien. Da hat uns die Luftburg schon den Rücken ­gestärkt.