Wachsen wie ein Baum

CSR; Nachhaltigkeit
27.03.2023

Erwin Thoma ist seit mehr als 30 Jahren ein Pionier des Holzbaus. Seine patentierten Massivholzwände kommen ohne Chemie und Metalle aus, sind extrem widerstandsfähig, sie dämmen perfekt – und werden in Zeiten steigender Energiepreise stark nachgefragt.
Erwin

Seine Leidenschaft für Wälder, Bäume und Holz hat Erwin Thoma vor mehr als 30 Jahren zum unternehmerischen Pionier werden lassen. Er hat sich schon damals auf Lösungen spezialisiert, die heute mehr denn je gebraucht werden. Erwin Thoma und seine Frau Karin gründeten 1990 das Holzbau-Unternehmen Thoma GmbH, das dank einer innovativen Art der Holzverarbeitung nur mit dem Nötigsten auskommt: mit 100 Prozent Holz, ohne Chemie und Metalle. Thoma war damals noch keine 30. Jetzt ist er 61, doch sein Antrieb ist derselbe geblieben: „Es war von Anfang an mein Ziel, Häuser zu bauen, die gesund sind.“ Und das ist umfassend gemeint: „Holz, richtig verarbeitet, bietet gleichzeitig Gesundheit, Energieunabhängigkeit und Nachhaltigkeit.“
Als junge Familie zogen die Thomas in ein modernes Haus, wo die beiden Söhne Allergien gegen die Leime in den verklebten Holzwerkstoffen entwickelten. Erwin Thomas Großvater, ein Zimmermann, schlug vor, die Übeltäter – vor allem Fußböden und Möbel im Kinderzimmer – zu entfernen. Und siehe da: „Das Problem war erledigt: Die Buben waren allergiefrei. Das hat mich schwer beeindruckt.“ Der Großvater war ein wichtiger Katalysator für Thomas Lebensweg: „Ich war begeistert von den puristischen Häusern, die mein Großvater gebaut hat.“ Folglich bat ihn Thoma, ihm beizubringen, wie man diese baut: „Er hat gesagt: Man lernt nur, was man tut.“ Thoma arbeitete zu der Zeit als Förster – 1985 hatte er als jüngster Revierförster Österreichs ein Bergrevier im Tiroler Karwendelgebirge übernommen. Also kündigte er, um Opas Holz-Wissen anzuzapfen. Er schrieb darüber sogar das Buch „Dich sah ich wachsen: Was der Großvater noch über Bäume wusste“.

Thoma Haus

Altes Wissen als Basis
Doch das alte Wissen über Bäume, Holz und Bauen bildete nur die Basis: „Wir haben schnell gesehen, dass das Wissen vom Großvater relevant ist, wir es aber mit moderner Technik verbinden müssen. Wenn wir wie der Opa nur mit der Hand gearbeitet hätten, wäre das nicht bezahlbar gewesen.“ Familie Thoma führte den Holzbau in die Zukunft – mit Wissenschaft und moderner Technologie wie Robotern und CNC-Maschinen. 1998 erfolgte ein Meilenstein: Erwin Thoma gründete ein privates Forschungs- und Entwicklungszentrum für Naturholzverarbeitung. Noch im selben Jahr meldete er sein erstes Patent an: die leimfreie, verdübelte Vollholzbauweise Holz100. Damit sind selbst 40 Zentimeter dicke Vollholzwände möglich, die allein durch einen mechanischen Verbund zusammenhalten.
Heute, ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Patent, dem viele weitere folgten, stehen mehr als 2.500 Thoma-Bauten – darunter Wohnhäuser, Kindergärten, Büros, Hotels und eine Kirche – in 33 Ländern. Besonderes Vorzeigeprojekt ist das elfstöckige Stadtverwaltungsgebäude im holländischen Venlo. Der Großteil der Thoma-Häuser steht in Europa. Gebaut wurde aber etwa auch in Kanada und Japan – so sind Thoma-Bauten selbst für die höchsten japanischen Erdbeben-Sicherheitsklassen zertifiziert. Außerdem weist Holz100 sechsfachen Brandschutz auf und hält den Weltrekord bei der Wärmedämmung. Es kann so gebaut werden, dass entweder gar keine oder extrem geringe Heiz- und Kühlkosten anfallen.

Holzernte bei abnehmendem Mond
Außerdem gibt Thoma für seine Häuser eine 50-jährige Garantie, dass keine Kondenswasserschäden entstehen – ganz ohne Holzschutzmittel. Wie das geht? Neben der Auswahl richtig gewachsener Bäume und der perfekten Lagerung, Trocknung und Verarbeitung ist auch der Zeitpunkt der Ernte entscheidend. Geschlägert wird das Holz nur bei abnehmendem Mond – eine Weisheit, die Thoma schon vom Opa gelernt hat. Zunächst wurde das Mondholz sehr skeptisch aufgenommen. Doch Anfang der 2000er-Jahre hat die ETH Zürich das Phänomen in einem mehrjährigen Forschungsprojekt untersucht und bestätigt, dass Mondholz dichter und widerstandsfähiger als herkömmlich geerntetes Holz ist. Der Grund: Bei abnehmendem Mond geerntetes Holz hat mehr Wasser gebunden, sodass es sich bei der Trocknung stärker zusammenzieht und dadurch dichter, druckfester und abwehrender gegen Pilze, Insekten oder Flammen wird.
Das Vorurteil, dass Häuser aus Holz leicht morsch oder von Schädlingen befallen werden können, verliert stetig an Kraft. Thoma: „Dieses Denken gab es bis vor zehn Jahren ganz stark. Inzwischen hat auch die breite Öffentlichkeit verstanden, dass mit Holz bauen wunderbar funktioniert. Holzbau hat eine unglaubliche Renaissance erlebt und ist aus der Nische in den breiten Markt gekommen.“ Bis dahin war es eine lange Reise: „Wir haben den Weg von klassischen Pionieren hinter uns: Am Anfang wurden wir bestenfalls belächelt, dann als Störfaktor wahrgenommen und bekämpft und heute sind wir Benchmark-Führer in der Branche.“

Die Fabrik Wald
Dass Thoma Holzbau auch perfekt fürs Klima ist, muss man fast nicht erwähnen. In Erwin Wagenhofers Dokumentarfilm „But Beautiful“ vergleicht Erwin Thoma den Wald mit einer Fabrik: Obwohl die Wälder der Erde jedes Jahr Milliarden Kubikmeter Holz produzieren und damit die „mit Abstand größte Fabrik der Erde sind“, habe noch nie jemand gehört, „dass diese Fabrik eine Belastung darstellt, Böden verwüstet, die Luft verpestet – im Gegenteil: Diese Fabrik reinigt das Wasser. Diese Fabrik erzeugt die neue, beste Luft, verbraucht keine Energie aus einem Atomkraftwerk, verbrennt kein Erdöl. Sie läuft nur mit Sonnenenergie.“
Heute fertigen 140 Mitarbeiter die Bauteile in den Werken von Thoma an, die übrigens auch nur mit Sonnenenergie, in dem Fall aus Solarpaneelen, laufen. Hinzu kommen 150 Partner wie Baumeister oder Zimmereibetriebe – Tendenz steigend. 15 Personen arbeiten im Forschungszen­trum in Goldegg, wo auch der Firmensitz ist und Familie Thoma lebt. Das Familienunternehmen macht rund 40 Millionen Umsatz pro Jahr. Die Nachfrage ist – nicht überraschend in Zeiten stark steigender Energiepreise – hoch, wobei man konservativ wirtschaftet: „Wir wachsen gemäß unseren Leitlinien wie ein Baum, Jahresring um Jahresring. Wir machen keine Zukäufe oder Übernahmen und freuen uns über organisches Wachstum, das wir selbst finanzieren können.“ Größe sei nie ein Ziel gewesen: „Ich habe nie in Quantitäten gedacht. Das Unternehmen war immer ein Vehikel, um meine Vision zu verwirklichen, gesunde Häuser zu bauen.“

Es war von Anfang an mein Ziel,
Häuser zu bauen, die gesund sind.

Erwin Thoma

Thoma Holzbau

Thoma möchte sich „hingeben, damit wir weiter ein Unternehmen bleiben, das für alle künftigen Generationen und alle Wesen auf der Erde gut ist.“ Derzeit tut er das gemeinsam mit zwei seiner drei Kinder: Tochter Elisabeth kümmert sich um Kommunikation und Marketing. Sohn Florian ist technischer Geschäftsführer und wird die Firma einmal ganz übernehmen. Doch das könnte noch dauern, denn Erwin Thoma sagt: „Wenn mich der liebe Gott gesund bleiben lässt, freu ich mich, dass ich das noch lange mit meinem Sohn zusammen machen kann.“ Thoma ist übrigens schon selbst Großvater. Doch seinen Enkeln will er, auch wenn sie größer sind, nicht ungefragt sein Holzwissen aufdrängen. Erstens gibt er es ohnehin über Vorträge, Youtube-Videos und – bisher neun – Bücher weiter, und zweitens weiß er „aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, dass man nicht befohlene Wege, sondern seine Herzenswege geht“.