Interview

Killt die Konjunktur die Klimawende?

CSR; Nachhaltigkeit
11.12.2023

Eine aktuelle Umfrage von „Die Wirtschaft“ und der Unternehmensberatung Simon-Kucher befasst sich mit der Frage, wie sich die eingetrübte Konjunktur auf Investitionen in nachhaltige Maßnahmen auswirkt. Dabei zeigten sich klare Unterschiede zwischen KMU und Hidden Champions.
OTHMAR SCHWARZ und PAUL FRIESS

Zu den Personen

OTHMAR SCHWARZ (im Foto links) ist Partner bei Simon-­Kucher & Partners. Er ist Experte für Strategie, Vertriebs- und Preismanagementthemen und verantwortlich für das österreichische Industriegeschäft.
PAUL FRIESS (im Foto rechts) ist Manager bei Simon-Kucher & Partners. Sein Fokus liegt auf Strategie-, Vertriebs- und Preisoptimierungsprojekten in B2B-Industrien.
Die globale Strategieberatung Simon-Kucher & Partners ist mit über 2.000 Mitarbeitern in 45 Büros weltweit vertreten. Sie ist führend im Bereich Pricing und Wertsteigerung und legt den Fokus auf Better Growth.

Hier der Link zu der Umfrage

Die Wirtschaft: Die übergeordnete Frage der aktuellen Umfrage von Simon-Kucher und „Die Wirtschaft“ lautet: Killt die Konjunktur die Klimawende? Welche Grundgedanken stehen dahinter?
Othmar Schwarz, Partner bei Simon-Kucher in Wien: Wir haben wie schon für frühere gemeinsame Umfragen einerseits KMU und andererseits Hidden Champions befragt und wollten wissen, wie sie ihre aktuelle Situation einschätzen und worin sie sich unterscheiden. In der aktuellen Umfrage haben wir sie zu ihren Investitionen in die Nachhaltigkeit befragt. Die Grundfrage lautete, ob Unternehmen in einer schlechten Konjunkturphase weniger in Corporate Social Responsibility (CSR) und ESG-Maßnahmen investieren als in einer besseren Wirtschaftslage. Unsere Hypothese war: Wenn ich um die Butter am Brot kämpfe, treten Investitionen in die Nachhaltigkeit möglicherweise ein bisschen in den Hintergrund.

Bevor wir zu den Ergebnissen kommen: Wieso vergleichen Sie KMU und Hidden Champions?
Paul Friess, Manager bei Simon-Kucher in Wien: Hidden Champions haben eine globalere Ausrichtung, aber auch einen langfristigeren Horizont, weil viele von ihnen eigentümergeführt sind. Deshalb versuchen wir immer, den Unterschied zwischen Hidden Champions und den restlichen kleinen und mittelständischen Unternehmen herauszuhören.

Ein Umfrage-Resultat ist, dass 36 Prozent der KMU die Investitionen in nachhaltige Maßnahmen verstärkt haben, aber 59 Prozent der Hidden Champions. Haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?
Othmar Schwarz: Für mich war es grundsätzlich positiv überraschend, dass die Investments in CSR, also in nachhaltige Maßnahmen, beim Großteil der Befragten nicht gesunken sind. Kein einziger der befragten Hidden Champions und nur 9 Prozent der KMU gaben an, dass sie CSR-Maßnahmen reduziert haben. Bei den Hidden Champions haben 41 Prozent die Maßnahmen gleich belassen, bei den KMU 55 Prozent. Dass nur in seltenen Fällen die Investitionen in CSR-Maßnahmen reduziert wurden, fand ich überraschend, weil einige Industrien und Branchen doch ziemlich gebeutelt sind. Im Bausektor gibt es teilweise 30 Prozent Umsatz- oder Volumenrückgang. Die Investitionen in Nachhaltigkeit dennoch nicht zu reduzieren, zeigt, dass es sich dabei um ein Thema handelt, das Unternehmen nicht einfach an- und abdrehen, sondern langfristig verfolgen.

Inwiefern kann man davon ausgehen, dass die Aussagen der Unternehmen der Realität entsprechen? Da das Thema Nachhaltigkeit ein Imagefaktor ist, würde es kein gutes Bild machen, wenn man zugeben würde, dass man Investitionen in Nachhaltigkeit kürzt.
Paul Friess: An unserer Umfrage haben die Unternehmen anonym teilgenommen, sodass wir davon ausgehen, dass sie offener sind als wenn sie persönlich befragt werden.

Wie erklären Sie sich, dass die Unternehmen trotz wirtschaftlich herausfordernden Zeiten weiter in Nachhaltigkeit investieren?
Othmar Schwarz: Ein Grund ist sicher, dass man ab einer gewissen Unternehmensgröße durch diverse Offenlegungs- und Transparenzpflichten Investitionen in CSR-Maßnahmen gar nicht mehr auskommt. Die Unternehmen, die beispielsweise nicht in CO2-reduzierten Stahl oder Basismaterial etc. investieren, werden über CO2-Zertifikate oder Strafgelder¬ mehr Kosten zu tragen haben. Die Frage ist weniger, ob man es macht, sondern eher, wann. Zudem wünschen sich viele Unternehmen auch mehr Investitionen von staatlicher Seite, um die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten stärker zu fördern.

Die Kunden dürften den Umfrageergebnissen zufolge hingegen nicht so ein großer Treiber von Nachhaltigkeit sein.
Paul Friess: Tendenziell sehen sowohl Hidden Champions als auch KMU bei ihren Kunden ein etwas geringeres Augenmerk auf Nachhaltigkeit als bei sich selbst. Wir haben die Unternehmen auch gefragt, welche Hürden sie bei der Operationalisierung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie sehen. Je rund zwei Drittel der KMU und der Hidden Champions haben darauf geantwortet, dass der Markt noch nicht reif ist und für Kunden Nachhaltigkeit noch einen zu geringen Stellenwert hat.

Lässt sich daraus schließen, dass die politischen Maßnahmen der letzten Jahre ein stärkerer Motor für Nachhaltigkeit waren als die Kundenwünsche?
Paul Friess: Wir haben die Unternehmen explizit gefragt, wie sie den Druck aus der Politik wahrnehmen. Und diesen sehen nicht nur die Hidden Champions, sondern auch die KMU eher als Chance. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings ein gemischteres Bild. Es gibt auch Unternehmen, die es kritisch sehen, mit einem sehr ambitionierten Ziel zeitnah in Richtung komplette Klimaneutralität zu gehen, weil wir uns dadurch als Exportnation in der globalen Wettbewerbsfähigkeit in riskante Sphären begeben. Da es in den USA und Schwellenländern oft nicht so strenge Auflagen wie in Europa gibt, entsteht ein unfaires Spielfeld.
Othmar Schwarz: Das ist speziell für international tätige Unternehmen ein großes Problem. Nachhaltigkeit muss global angepackt werden. Selbstverständlich muss sich jeder erstmal selbst bei der Nase nehmen. Aber es stellt sich die Frage, wie stark es unsere heimische Exportwirtschaft schädigen wird, wenn wir hier vorpreschen und teilweise hohe Kostensteigerungen haben werden, die vielleicht am europäischen Markt durch Investitionen, Subventionen etc. mit interner oder europäischer Nachfrage zumindest zum Teil kompensiert werden, aber auf globaler Ebene nicht. Hier wird man vielleicht über ein differenzierteres Vorgehen nachdenken müssen, um unsere Unternehmen am globalen Markt nicht so sehr zu behindern.

81 Prozent der befragten Hidden Champions können die Investitionen in Nachhaltigkeit zumindest teilweise weitergeben. Dagegen können 40 Prozent der KMU die Investitionen gar nicht und 47 Prozent teilweise weitergeben. Woran liegt das?
Othmar Schwarz: Hidden Champions sehen neue Entwicklungen am Markt meist als Chance. Sie stellen sich schneller und besser auf Veränderungen ein. So erreichen sie einen Wettbewerbsvorteil und können entweder mit generell höheren Preisen oder einem Alternativprodukt die Investitionen zumindest teilweise zurückholen. Zudem verfügen sie oft über größere Ressourcen und eine bessere Skalierbarkeit, was es ihnen ermöglicht, in umfangreichere Nachhaltigkeis-initiativen zu investieren. KMU haben dagegen möglicherweise begrenztere finanzielle und personelle Ressourcen. Außerdem bearbeiten Hidden Champions oft sehr erfolgreich Nischenmärkte, in denen sie Wettbewerbsvorteile genießen oder generell einem geringeren Wettbewerb ausgesetzt sind.