Peter Giffinger
Forschung, Challenge, Reduktion
Saint Gobain ist Weltmarktführer in den Bereichen nachhaltige Werkstoffe sowie Bauprodukte. Wie ist der Fokus auf den Umweltaspekt entstanden?
Die Materialien und Lösungen von Saint-Gobain sind in unserem Alltag überall zu finden: In Wänden, Böden, Decken, Farben, Fassaden, Dämmprodukten etc. Aus diesem Grund tragen wir eine große Verantwortung, uns für nachhaltiges Bauen, Ressourceneffizienz und den Kampf gegen den Klimawandel aktiv einzusetzen. In der Umsetzung sieht das grob gesagt so aus, dass Nachhaltigkeit quer durch alle Unternehmensbereiche verstanden und gelebt und als Grundprinzip unseres Handels verankert ist. Darüber hinaus haben wir uns dem UN Global Compact und den Sustainable Development Goals verpflichtet und haben uns das Ziel gesetzt, bis 2050 Co2 neutral zu sein.
Welche Rolle hat diese Ausrichtung auf dem Weg zur Marktführerschaft gespielt?
Natürlich eine sehr große. Ich persönlich war schon vor 20 Jahren überzeugt, dass Nachhaltigkeit in Zukunft großen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit haben wird. Daher haben wir schon frühzeitig die ersten Weichenstellungen vorgenommen. In unserem Gipskartonwerk in Bad Aussee wird zum Beispiel der Rohstoff Gips per Seilbahn in das Werk transportiert und nicht etwa mit LKWs - um nur ein Beispiel von sehr vielen zu nennen. Weitgehend abgeschlossen sind heute zum Beispiel die Umstellung auf Grünstrom in unseren Produktionsstätten.
Saint Gobain beschäftigt 167.000 Mitarbeiter an Standorten in 70 Ländern. Wie gestaltet man so ein Thema im gesamten Konzern lebendig?
Bei Saint-Gobain beschäftigen sich die Forschungs- und Entwicklungszentren permanent damit, die Produkte und Systeme nachhaltiger zu gestalten. Generell ist Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei uns mit sehr konkreten und messbaren Zielen verbunden. Um auch die MitarbeiterInnen auf die Reise mitzunehmen, setzen wir zudem auf spielerische Komponenten, wie zum Beispiel Mitarbeiter-Challenges.
CO2-Einsparung ist auch für unsere Kunden wichtig.
Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Ihre Kunden?
Das Thema CO2-Einsparung ist natürlich auch für unsere Kunden wichtig. Allerdings wünscht sich die gesamte Branche mehr Anreize und Förderungen, damit die Gebäudesanierung voranschreiten und der Einsatz der fossilen Brennstoffe reduziert werden kann.
Sie sind neben Ihrer Tätigkeit bei Saint Gobain auch Präsident von respACT, einer großen Unternehmensplattform für CSR. Wie befruchten sich diese beiden Tätigkeiten?
Für mich ist es sehr spannend und erweitert den Horizont, diese Themen im Rahmen von respACT auch branchenübergreifend zu diskutieren und anzustoßen. Mitgliedsunternehmen nehmen in ihrem Segment oft eine Voreiterrolle ein, das kann motivierend und für das eigene Unternehmen ein Ansporn sein. Es kommen massive Änderungen im Bereich von Regularien wie Taxonomie, Lieferketten und C02-Ziele, Green Finance, nicht finanzielle Berichterstattung, und vieles mehr auf und zu, da bietet sich respACT als die Dialogplattform an.
Der Bausektor ist global einer der größten CO2-Emittenten. Wie erleben Sie die Vorgaben zu Reduktion und Reporting der Politik? Gehen Sie zu weit, oder nicht weit genug?
Die Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, werden ohne eine Anhebung der Sanierungsrate am Gebäudesektor von derzeit knapp einem auf mindestens drei Prozent nicht erreichbar sein. Da bedarf es dringend einer Neuausrichtung der Förderrichtlinien. ESG-Standards werden einen Paradigmenwechsel im Bereich der Nachhaltigkeit auslösen. Trotzdem sollte darauf geachtet werden, dass nicht zu viel Bürokratie aufgebaut wird.
Welche konkreten Ziele hat sich Saint Gobain in puncto Reduktion gesetzt? Welche Rolle kommt der Recyclebarkeit der Werkstoffe dabei zu?
Saint-Gobain hat sich verpflichtet, bis 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Bei Rigips werden zum Beispiel schon lange die Produktionsabfälle recycelt. Zudem wird der Verschnitt im Industriekundenbereich in unser Werk zurückgeführt. Das funktioniert über Gitterboxsysteme, in denen wir die Ware anliefern und in die der Verschnitt hineinkommt. Diese werden gemeinsam mit den Leerpaletten bei der Anlieferung von Ware retour genommen. Bei Isover wurde letztes Jahr ein ähnliches System für Steinwolle installiert. Vielfach noch zu wenig bekannt ist, dass zum Beispeil der CO2-Impact vieler unserer Produkte und Systeme, der bei der Produktion entsteht, schon innerhalb von nur drei Monaten im Einbau wieder kompensiert wird. Dies lässt die enormen Möglichkeiten, die etwa bei der Gebäudesanierung durch Dämmung erzielt werden können, erahnen.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie wird sich die Art, wie wir bauen, in den kommenden zehn Jahren verändern?
Meiner Meinung nach wird in Zukunft immer mehr in die Vorfertigung verlegt werden – aus vielerlei Gründen. Einer davon ist der Fachkräftemangel, denn es wird immer schwieriger, ausreichend Menschen zu finden, die bereit sind, auf der Baustelle zu arbeiten. Daher werden sich immer mehr Prozesse von der Baustelle in das Industrieumfeld verlagern.
Wie geht Saint Gobain mit dem Thema Rohstoffmangel um? Wann erwarten Sie eine Erleichterung?
Unser Primärrohstoff Gips ist in Österreich davon nicht betroffen, den können wir unmittelbar neben den Werken unter nachhaltigen Bedingungen gewinnen. Wir sehen aber, dass sich viele Unternehmen aufgrund der Störung der Lieferketten mehr Materialien einlagern, was einen Anstieg der Nachfrage ausgelöst hat, ebenso wie die Kostensteigerungen die besonders bei Energie, Holz und bei Stahl zu verzeichnen waren. Das erwarten wir in diesem Ausmaß für das nächste Jahr nicht mehr.
Zur Person
Peter Giffinger ist CEO Austria von Saint-Gobain für die Marken Isover, Rigips, Weber Terranova, Glassolutions und Präsident der Unternehmensplattform respACT – austrian business council für sustainable development.