Energiegemeinschaften

Energie-Autonom

Nachhaltigkeit
23.03.2022

Seit zehn Jahren forscht das österreichische Hochtechnologieunternehmen Novapecc an Energiegewinnung und -speicherung auf Wasserstoffbasis. Jetzt sollen in Salzburg erste Energiegemeinschaften entstehen.
Energieautarke Gemeinden

„Jeder gesellschaftlichen Transformation geht eine Transformation der Energiebereitstellung voraus“, sagt Maria-Christina Brunauer vom Leitungsteam der Novapecc GmbH, „die Art, wie wir leben und arbeiten, resultiert aus dem zugrunde liegenden Energiesystem.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Georg Brunauer engagiert sich die Ökonomin für die Energiewende. Das Unternehmen wurde vor zehn Jahren als Spin-off der TU Wien gegründet, wo Georg Brunauer seine Studien zur Wasserstoffthematik durchgeführt hat. Lange bevor der Zeitgeist das Thema erfasst hat, forschte er an einer Methode zur chemischen Speicherung von Solarenergie mittels Wasserstoff.
„Wir sind gerade dabei, im Rahmen eines Landesforschungsprojektes Energiegemeinden im Salzburger Land ins Leben zu rufen“, sagt Georg Brunauer, der seit drei Jahren auch die Professur für Energieverfahrenstechnik an der FH Salzburg hält. Bischofshofen, Mittersill, Wagrain, Radstadt und Altenmarkt sind die Modellgemeinden. In einem Energienutzungsplan wird zuerst der Energiestatus einer Gemeinde erhoben. Jedes potenzielle Dach für eine Photovoltaikanlage und der Zustand jedes Gebäudes wird begutachtet. „Viele Bürgermeister streben neue Energielösungen an“, sagt Brunauer, „wir geben ihnen konkrete Handlungsempfehlungen für Lösungen, wo die Wertschöpfung in der Region verbleibt.“ Wie weit ist die Gemeinde von den Energiezielen entfernt? Wie viel Energie konsumiert sie überhaupt und wie viel davon kann lokal generiert werden? Und wie viel kann gespeichert werden? Alles, was an Überschuss da ist und gespeichert werden kann, erhöht die Energie-Autonomie der Gemeinde. Strom durch Wasser, Wind und Sonne selbst zu produzieren und für späteren Bedarf speichern zu können, schafft neue Rahmenbedingungen. Ein Genossenschaftsmodell soll dabei die Regionalität wahren. „Genossenschaften waren schon vor mehr als 100 Jahren der Schlüssel für einen großen gesellschaftlichen Wandel", so Maria-Christina Brunauer, die sich in Ihrer Dissertation mit Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschaftssystem auseinandergesetzt hat, „sie können es auch heute wieder werden".

Maria-Christina Brunauer - Initiative Zukunft
Maria-Christina Brunauer, Novapecc

In der Gemeinschaft liegt die Kraft
Auf die Umsetzung neuer Energielösungen ist Novapecc vorbereitet. Wenn eine Energiegemeinschaft aus Prosumern (Konsumenten, die zugleich Produzenten sind) saisonale Strom-Schwankungen ausgleichen will, kann Novapecc auf Basis einer modularen Wasserstoffspeicherung eine technische Gesamtlösung anbieten. Diese Wasserstoffsysteme sind derzeit noch sehr teuer, denn es gibt noch keine in Massenproduktion gefertigten Komponenten auf dem Markt. Daher gilt es, Synergien zu finden. Wichtig ist dabei der gezielte Zusammenschluss auf regionaler Ebene: Bürger, Gemeinden und Unternehmen können sich seit heuer zu Energiegemeinschaften zusammenfinden und über Grundstücksgrenzen hinweg Strom gemeinschaftlich produzieren, speichern, verkaufen und verbrauchen. Das Risiko für den Aufbau des Systems und die notwendigen Wartungen der Anlage werden geteilt, teure eigene „Energie-Inseln“ werden vermieden.

Genossenschaften können für gesellschaftlichen Wandel sorgen

Maria-Christina Brunauer, Novapecc

„Es braucht den Willen, lokale Energieverbände zu gründen“, sagt Georg Brunauer, „mit einem sich gut ergänzenden Mix aus landwirtschaftlichen Betrieben, Gewerbebetrieben, Haushalten und kommunalen Einrichtungen.“ Ein Betrieb braucht vielleicht viel Strom, hat aber keine passenden Dachflächen. In der Nähe gibt es dafür Windräder, Freiflächen, Möglichkeit für Stromproduktion. Und es gibt in der Gemeinschaft fixe Abnehmer, die einen vereinbarten Energiepreis bezahlen und sich im Stromverbrauch auch zeitlich gut ergänzen. Wichtig ist, dass Energie in der Gemeinschaft nutzbringend verteilt wird und dass sie lokal gespeichert werden kann. Erst die Kombination aus regenerativer Energiequelle und Speichermöglichkeit garantiert die angestrebte Autonomie und Regionalität.

Auf den Speicher kommt es an
„Große Mengen an Energie kann man optimal in Form von Wasserstoff speichern“, so der Technikprofessor. Die durch eine PV-Anlage erzeugte Sonnenenergie wird verwendet, um Wasser zu zerlegen. Der dabei entstehende Wasserstoff dient als Speichermedium. Der frei gewordene Sauerstoff sowie die Abwärme aus der Anlage werden ebenfalls im Sinne des Kreislaufgedankens in den Wertschöpfungsprozess mit einbezogen. Energie ist eine der wichtigsten Ressourcen unserer Gesellschaft. Brunauer nennt sie „das Platin der Zukunft“. Um im Sinne lebensfähiger Ökosysteme zukunftsfähig zu werden, müsse das Energiesystem dezentralisiert und umweltverträglich werden. Sein Ziel ist daher die Energieproduktion nach dem Vorbild der Natur. In seiner Grundlagenforschung widmet sich Brunauer der Entwicklung einer revolutionären photo-elektrochemischen Zelle, mit welcher durch Nutzung des gesamten solaren Energiespektrums Wasser direkt in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt werden kann. Bisher ist das nur auf mehrstufigem Wege möglich. „Aber da sind wir noch im Grundlagenstadium“, so Georg Brunauer, „da braucht es Durchhaltevermögen.“
„Der Umstieg auf Kohle, Erdgas und Erdöl im Zuge der industriellen Revolution hat das Leben der Menschen von damals von Grund auf geändert und zu einer großen Transformation geführt“, erinnert die Ökonomin Maria-Christina Brunauer, „wenn wir jetzt in eine Welt grüner Energie einsteigen, wird das auch so sein. Das Wesen der Transforma­tion ist nicht, dass einfach bestehende Technologien durch andere ersetzt werden, sondern dass sich das gesamte Denken und Handeln einer Gesellschaft ändert.“ Die Verwirklichung neuer, regional verankerter Energiesysteme kann so eine Veränderung bewirken.