Zinswende wird zum Marathon

Finanzierung
21.02.2023

 
Die Luft wird für manche Unternehmen dünner. Besonders für kapitalschwache Unternehmen könnten es im Zins-Marathon eng werden.
Gudrun Meierschitz, Mitglied des Vorstandes der Acredia Versicherung
Gudrun Meierschitz, Mitglied des Vorstandes der Acredia Versicherung

Die Europäische Zentralbank (EZB) drückt bei den Zinsanhebungen aufs Tempo. Seit Juli 2022 hat sie die Leitzinsen bereits fünf Mal in Folge angehoben. Anfang Februar folgte der bisher letzte Zinsschritt um weitere 0,5 Prozentpunkte, nun liegt der Leitzins auf 3 Prozent. Die Zielgerade im Wettlauf gegen die Inflation ist aber noch nicht erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngst Analyse der größten österreichischen Kreditversicherung Acredia in Zusammenarbeit mit Allianz Trade.

„Wer auf einen raschen Sprint bei der Zinswende gehofft hatte, wird enttäuscht werden. Derzeit schaut es eher nach einem Marathon aus“ sagt Gudrun Meierschitz, Vorständin bei Acredia.

Niedrigzinsphase: Unternehmen und Regierungen Gewinner

Die Auswirkungen der Zinswende sind in der Wirtschaft noch kaum spürbar. Das liegt einerseits daran, dass die Zinssteigerungen bisher noch kaum die Bestandszinsen beeinflussen. 2022 stiegen beispielsweise im Privatkundengeschäft die Habenzinsen im Euroraum um nur 4 Basispunkte im Vergleich zum Vorjahr, die Sollzinsen gingen im gleichen Zeitraum sogar leicht hinunter (-3 Basispunkte).

Andrerseits profitierte die Wirtschaft von einem verbesserten Netto-Zinseinkommen aus der Niedrigzinsphase. Die Zinslast europäischer Unternehmen halbierte sich zwischen 2008 und 2022 und hatte kumulierte Zinseinsparungen in Höhe von 1.424 Milliarden Euro zur Folge. Auch die europäischen Regierungen sparten – trotz kräftig steigender Schulden – rund 400 Milliarden Euro an Zinsen. Damit verschafften sich Betriebe und Regierungen eine gute Ausgangsposition für die jetzige Zinswende.

Hingegen konnten Banken und Haushalte nicht von den niedrigen Zinsen profitieren, im Gegenteil: ihre Netto-Zinseinkommen verschlechterten sich.

Auch Österreich mit positivem Netto-Zinseinkommen

Im Ländervergleich der Veränderungen des Netto-Zinseinkommens schneiden Deutschland, Spanien und Italien am besten ab. Auch Österreich weist ein Plus auf, wenn auch nur ein geringes. Vor allem heimische Unternehmen haben mehr Zinsen verdient als bezahlt. Während der Niedrigzinsphase konnten sie ein Netto-Zinseinkommen von insgesamt 35,1 Milliarden Euro erwirtschaften. Österreichs Regierung steigt mit einem Plus von 7,9 Milliarden Euro aus. Verloren haben die Banken (-2,8 Milliarden Euro) und die Haushalte (-32,5 Milliarden Euro).

Inzwischen nimmt die Zinswende weiter Tempo auf – mit Folgen für besonders schwach finanzierte Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad. „Mit den steigenden Zinsen werden Schwachstellen in der Finanzierung offensichtlich“, sagt Meierschitz. „Manch kapitalschwachem Unternehmen könnte bald die Luft ausgehen. Die Wirtschaft braucht für diesen Marathon einen langen Atem, denn beim Zinsanstieg ist noch keine Zielgerade in Sicht.“