Verschwendetes Potential: Millionen Smartphones ungenutzt
Wie die neueste Untersuchung von Fraunhofer Austria im Auftrag von refurbed zeigt, sitzt Europa derzeit auf 642 Millionen Altgeräten (nur Smartphones), die einem Marktwert von 6,42 Milliarden Euro entsprechen und einen Materialwert von 1,57 Milliarden Euro haben.

refurbed hat sich angesehen, wie viele dieser Altgeräte sich für das Refurbishment eignen, da sie durch professionelle Generalüberholung problemlos für ein zweites Leben geeignet wären. Das Ergebnis: Rund ein Drittel davon – also 211 Millionen Geräte – brächten europäischen Konsument*innen bares Geld fürs Geldbörsel. In Österreich sind es immerhin 4,4 Millionen Handys, die pro Rückverkauf bis zu 200 EUR und mehr bringen könnten.
Aus der Schublade in die Geldbörse
Bereits zum dritten Mal in Folge hat das nachhaltige Scale-up refurbed bei Fraunhofer Austria eine Studie in Auftrag gegeben, die dieses Jahr das wirtschaftliche und ökologische Potenzial von Refurbishment ins Visier genommen hat. „Wir wollten beziffern, wie groß das ungenutzte Potenzial in Europa derzeit ist. Außerdem wollten wir eine Idee bekommen, wie lange sich der Wiederverkauf eines Smartphones für Konsument*innen rechnet, weil es bis zu 200 EUR bringt und ab wann ein Produkt nur noch wegen seines Materialwertes interessant ist – der natürlich um das Hundertfache geringer ist als der Marktwert“, so refurbed Co-Founder Peter Windischhofer über die neue Untersuchung. „Von den 13,7 Millionen Handys, die derzeit in Österreichs Schubladen liegen, könnten 4,4 Millionen zurückgekauft, refurbished und damit in einen zweiten Lebenszyklus überführt werden“, so Windischhofer. Und das sind allein die Zahlen derer Handys, die sich zwischen 2011 und 2023 angesammelt haben. Die Altgeräte aus 2024 sind (aus Gründen der Berechnungsseriosität) hier noch gar nicht eingerechnet.
Tonnen an zweitem Leben

Wie groß genau der Einfluss unseres Umgangs mit gebrauchten Elektronikgeräten auf unsere Umwelt ist, wird in der Studie erstmals von Fraunhofer Austria beziffert: So wie wir jetzt leben, haben wir in Europa bisher fast 100.000 Tonnen E-Waste angesammelt. Bis 2030 wären es laut Berechnung bereits 140.000 Tonnen. „Wenn wir ab sofort unsere Geräte refurbished kaufen und verkaufen würden, könnten wir 20.000 Tonnen an Produkten ein zweites Leben schenken, statt sie unnötigerweise zu E-Waste zu erklären“, so Windischhofer. Und weiter: „Wenn wir zusätzlich auch noch unsere Nutzungsdauer von 2,8 Jahren auf 5,6 Jahre anheben würden, könnten wir allein mit unseren Smartphones das Wachstum des E-Waste-Stroms stark eindämmen. Das entspricht einer Einsparung von rund 25 Prozent, die im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand der Konsument*innen liegt!“
Drei Zukunftsszenarien
Auf Europas wirtschaftliche Autonomie würde sich ein verändertes Kaufverhalten positiv auswirken: Um zu zeigen, welchen Impact ein veränderter Umgang mit Millionen alter Smartphones hätte, berechnete Fraunhofer Austria verschiedene Verhaltens-Szenarien. Betrachtet wurden dabei jene Geräte, die sich für ein Refurbishment eignen (bis 4 Jahre):
Szenario „Status Quo“
Auswirkung: Wenn wir weitermachen wie bisher, sitzen wir 2030 in Europa auf ca. 140.000 Tonnen E-Waste.
Szenario „Altbestand refurbishen“
Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt. Auswirkung: Das Refurbishment des Altbestandes würde dazu führen, dass für 2 Jahre keine neuen Smartphones für die EU produziert werden müssen. Die Menge an Altgeräten in den Haushalten könnte um ca. 25 Prozent reduziert werden.
Szenario „Längere Nutzungsdauer UND Altbestand refurbishen“
Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt, zusätzlich verlängern wir unsere Nutzungsdauer von 2,8 Jahre auf 5,6 Jahre.
Auswirkung: Das veränderte Nutzungsverhalten („doppelte Nutzungsdauer“) plus das Refurbishment des Altbestands würde zu einer Autarkie der EU gegenüber Smartphone-Lieferanten von 3 Jahren führen.
„Wenn wir alle unsere Smartphones länger nutzen und refurbished kaufen und rückkaufen würden, könnten wir in Europa drei Jahre lang unseren Bedarf decken, ohne Rohstoffe für Smartphones aus China, Russland & Co. zu brauchen. Das ist so, als ob Sie die nächsten drei Jahre keine Lebensmittel mehr kaufen müssten, weil Sie alles zu Hause haben“, resümiert Windischhofer. Durch konsequentes Refurbishment und Verlängerung der Nutzungsdauer könnten in den nächsten 3 Jahren allein in der EU außerdem ca. 24 Millionen Tonnen CO2 eingespart und der (virtuelle) Wasserverbrauch um 8,5 Milliarden Kubikmeter reduziert werden, so die Ergebnisse der Studie.
Kreislauf statt Elektroschrott
In der diesjährigen Studie lag der Fokus auf den benötigten Ressourcen für Smartphones. Drei neue Kennzahlen wurden in das bestehende Rechenmodell integriert und am 19.2. erfolgreich gemäß den Anforderungen der ISO 14040/44 erneut von der renommierten Zertifizierungsgesellschaft GUTcert verifiziert. „Uns ist wichtig, dass diese Ergebnisse unabhängig überprüft werden können und damit eine objektive Relevanz haben“, so Windischhofer über das Prozedere. Der Hauptstudienautor der Fraunhofer Austria Research war auch in diesem Jahr Paul Rudorf, der gemeinsam mit seinen Kollegen Stephan Martineau und Sascha Thöny die umfassende Analyse zum Potenzial ungenutzter Smartphones in europäischen Haushalten durchführte. Sein Fazit: „Das Refurbishment von Smartphones bietet enormes Potenzial für die europäische Kreislaufwirtschaft. Smartphones, die als Elektroschrott enden würden, werden in den Kreislauf zurückgeführt. Das reduziert E-Waste und verringert den Bedarf von kritischen Rohstoffen. Außerdem trägt Refurbishment dazu bei, die Umweltbelastung durch Rohstoffabbau und Produktion zu minimieren und eine erschwingliche Alternative für Konsument*innen zu schaffen. Refurbishment spielt somit eine Schlüsselrolle, um die Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie zu fördern“, fasst der Projektverantwortliche die Ergebnisse der Studie zusammen.
Ab wann ein Smartphone refurbished werden kann
„Ähnlich wie wir es bei Gebrauchtwagen kennen, gibt es einen starken Wertverfall, sobald das Gerät das erste Mal verwendet wird. Dieser hat jedoch nichts mit der Produktqualität an sich zu tun und ist von Marke zu Marke verschieden“, weiß Windischhofer. „Und natürlich hat der Zustand des Geräts und seine individuelle Ausstattung einen großen Einfluss auf den Rückkaufpreis.“ Dennoch zeigt die Erfahrung des nachhaltigen Online-Marktplatzes, dass sich einige Regeln für Konsument*innen ableiten lassen:
1.) Als generelle Faustregel gilt, dass Smartphones mindestens vier Jahre nach der Anschaffung für das Refurbishment geeignet sind. Nach ziemlich genau drei Jahren sinkt der Rückkaufwert auf unter 20 Prozent vom Neupreis
2.) Ein zerkratztes Display oder eine schwach gewordene Batterie sind – auch wenn das eigenartig klingt – die optimale Voraussetzung für einen Rückkauf, da diese Komponenten von Professionist*innen generell gut erneuert werden können.
3.) Äußere „Schönheitsfehler“ sind generell nie ein Hindernisgrund, auch wenn sie preissenkend wirken, da optische Beeinträchtigungen von vielen refurbed-Kund*innen sogar freiwillig gewählt werden, um wie neu funktionierende Geräte zu einem Spitzenpreis erwerben zu können.
4.) Gut zu wissen: Die Rückgabe des Altgerätes über refurbed gibt den Konsument*innen übrigens die Garantie, dass eine zertifizierte Datenlöschung stattfindet, bevor das Gerät in den Wiederverkauf gelangt. „Das ist einer der vielen Qualitätsansprüche, die wir an unsere Refurbisher*innen stellen und auch regelmäßig überprüfen“, so Windischhofer.
5.) Wer wissen will, was sein individuelles Gerät wert ist, kann dies in wenigen Minuten online abfragen, zum Beispiel hier.
Ergebnisse im Detail
Die E-Waste Problematik in Zahlen
• Die Menge an E-Waste nimmt weltweit rasant zu und stellt einen der am schnellsten wachsenden Abfallströme dar.
• Im Jahr 2022 wurden global 62 Millionen Tonnen elektronischer Abfall erzeugt – das entspricht 7,8 Kilogramm pro Kopf – mit einer prognostizierten Steigerung auf 82 Millionen Tonnen bis 2030.
• Europa als Kontinent weist mit rund 13 Millionen Tonnen die höchste Pro-Kopf-Menge weltweit auf (17,6 kg).

Der Smartphone-Bestand in europäischen Haushalten
• Während zu Beginn des Smartphone-Zeitalters (2011) nur rund 18 Prozent der EU-Bevölkerung ein Gerät besaßen, sind es heute (2023) 82 Prozent.
• Die durchschnittliche Nutzungsdauer über diesen Zeitraum beträgt nur 2,8 Jahre.
• Im Jahr 2023 wurden allein in der EU 113 Millionen neue Geräte verkauft. Derzeit befinden sich rund 320 Millionen Geräte in der EU in Verwendung.
• Der Altbestand wird mit 642 Millionen Geräten beziffert, von denen sich rund 211 Millionen Geräte für ein professionelles Refurbishment eignen.
• Eine Umfrage der EU zeigt, dass rund die Hälfte der Endkonsument*innen (49,1 Prozent) ihre Altgeräte derzeit im Haushalt liegenlassen („Schubladen-Handys“).
• Deutschland führt die Liste an Altgeräten, die für Refurbishment geeignet wären, an:

Das ökonomische Potenzial von Refurbishment für die*den Einzelne*n
• Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Smartphones liegt aktuell bei 2,8 Jahren, wobei die Geräte weitaus länger genutzt werden könnten. Softwareseitig ist die Unterstützung eines Geräts durch den Hersteller oft 6 Jahre und mehr gegeben .
• Während ein gebrauchtes Smartphone nach 2 Jahren noch einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 200 Euro erzielt, liegt der metallische Wert bei nur 2,40 Euro pro Gerät.
• Derzeit befinden sich ca. 8,00 Euro in Form von alten Smartphones in jedem Haushalt.
• Was für den Einzelnen nicht viel klingt, ergibt jedoch bei 642 Millionen Altgeräten in Summe einen Materialwert von 1,57 Milliarden Euro, der sich ungenutzt in der EU befindet.
• Wenn man davon ausgeht, dass für Geräte mit einem Alter von 2,8 bis 4 Jahren im Zuge von Rückkaufprogrammen immerhin noch 100 Euro im Durchschnitt gezahlt werden, handelt es sich um einen ungenutzten Marktwert von rund 6,42 Milliarden Euro.
Einfluss von Refurbishment & Nutzungsdauer auf den europ. Rohstoffbedarf

Der hohe Bestand mit einem veränderten Verhalten der Endverbraucher*innen birgt ein großes Potenzial bezogen auf die aktuellen Abhängigkeiten gegenüber Rohstoff liefernden Ländern. Um dies zu verdeutlichen, wurden von der Fraunhofer Austria Research unterschiedliche Szenarien entwickelt, welche dies veranschaulichen:
• „Business As Usual“: Keine Veränderung gegenüber der aktuellen Situation. Nutzungsdauer von Smartphones beträgt 2,8 Jahre und das Gerät wird zum Großteil (49 Prozent) unbenötigt im Haushalt gehortet.
• „Refurbishment Altbestand“: Sämtliche ungenutzten und für ein Refurbishment geeigneten Geräte, welche sich in den Haushalten befinden, werden dem Bedarf entsprechend aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Gerät.
• „Längere Nutzungsdauer und Refurbishment Altbestand“: Endverbraucher*innen führen ihre nicht mehr benötigten Geräte dem Refurbishment zu und der Altbestand wird dem Bedarf entsprechen aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Gerät.
Das veränderte Nutzungsverhalten („doppelte Nutzungsdauer“) plus das Refurbishment des Altbestands würde dementsprechend zu einer Autarkie der EU gegenüber Smartphone-Lieferant*innen von 3 Jahren führen.

Der Einfluss von Refurbishment auf die Entwicklung des europäischen E-Wastes
• So wie wir derzeit leben, haben wir in Europa bisher ca. 95.000 Tonnen E-Waste angesammelt. Bis 2030 wären es laut Berechnung bereits 140.000 Tonnen.
• Das durch Refurbishment UND eine verdoppelte Nutzungsdauer der Smartphones könnte das Wachstum des E-Waste-Stroms beinahe gestoppt werden. Das Einsparungspotenzial bis 2030 liegt dabei bei rund 25 Prozent.

Einsparungspotenzial von kritischen (Roh-)Materialien, CO2 & Wasser durch Refurbishment
• Durch professionelles Refurbishment lassen sich außerdem durchschnittlich 69 Prozent der benötigten Critical Raw Materials eines Smartphones und sogar
• 97 Prozent der Critical Materials (z.B. Zinn, Tantal, Wolfram und Gold) einsparen.
• Ein konsequentes Refurbishment des Altbestandes und eine Verdopplung der Nutzungsdauer kann in den nächsten 3 Jahren allein in der EU rund 24 Millionen Tonnen CO2 Äquivalent einsparen und den virtuellen Wasserverbrauch um 8,5 Milliarden Kubikmeter reduzieren.

Aus der vorliegenden Untersuchung geht deutlich hervor, dass das Refurbishment und folglich die erweiterte Nutzung von elektronischen Geräten eine äußerst positive Wirkung auf unsere Umwelt haben. In einer Kreislaufwirtschaft spielt Refurbishment somit eine Schlüsselrolle, um Ressourcen zu schonen und die Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie zu fördern.