So viel kostet Lockdown Nr.5

Covid-19
24.11.2021

 
Das Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz hat die kumulierten Umsatzverluste des stationären Non-Food-Handels und die Effekte durch den vorweihnachtlichen Lockdown 2021 analysiert. Das Fazit: Der Schaden ist angerichtet!
Lockdown

#1 November: „Ungeimpften“-Lockdown: € 0,2 Mrd. | Lockdown für „Alle“: € 0,9 Mrd. Umsatzentgang

Mit Montag 15. November ist Lockdown #5 für „Ungeimpfte“ (kein 2G-Nachweis) in Österreich in Kraft getreten und eine Woche später ab Montag, 22. November auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt worden. Dadurch steigen die täglichen Umsatzverluste im stationären Non-Food-Einzelhandel von rd. € 30 Mio. auf rd. € 115 Mio. (brutto) an. Bis Ende November werden sich die Umsatzverluste in den betroffenen Branchen auf rd. € 1,1 Mrd. summieren.

#2 Dezember: Lockdown für „Alle“ bis 12. Dezember: € 1,3 Mrd.

Im Dezember wird sich die mittlerweile dramatische Situation weiter zuspitzen, da der stationäre Einzelhandel im Jahresverlauf in diesem Monat üblicherweise die höchsten Umsätze erzielt (nicht zuletzt durch das Weihnachtsgeschäft). Daher werden auch die Umsatzverluste im Durchschnitt pro Tag auf rd. € 130 Mio. bis € 140 Mio. ansteigen. Bis zum geplanten Ende von Lockdown #5 am 12. Dezember kommen zu den Umsatzverlusten von November (rd. € 1,1 Mrd.) nochmals rd. € 1,3 Mrd. (brutto) hinzu.

#3 Dezember: Lockdown-Verlängerung Oberösterreich/Salzburg bis 17. Dez.: € 0,2 Mrd.

Zu berücksichtigen ist weiters, dass in Oberösterreich die Ladengeschäfte (mit Ausnahme der Grundversorgung) bis 17. Dezember geschlossen bleiben. Unter der Annahme, dass dies auch für Salzburg zutreffen wird, summieren sich in diesen beiden Bundesländern die Umsatzverluste in der „verlängerten Lockdown-Einkaufswoche“ auf knapp € 200 Mio.

#4 Dezember: „Ungeimpften“-Lockdown bis 31. Dez.: € 0,5 Mrd.

Zudem werden voraussichtlich Ausgangsbeschränkungen für „Ungeimpfte“ (auch für den Einkauf im stationären Non-Food-Einzelhandel) nach Ende des „kompletten“ Lockdowns bestehen bleiben. Österreichweit ist dann mit weiteren Umsatzverlusten in Höhe von rd. € 35 Mio. pro Tag zu rechnen. Unter der Annahme, dass der Lockdown für „Ungeimpfte“ bis Ende Dezember verlängert wird und unter Berücksichtigung einer steigenden Impfrate bis dahin, wird der „Ungeimpften“-Lockdown für weitere knapp € 500 Mio. Umsatzentgang sorgen.

#5 November/Dezember: Lockdown-Ausfallssumme: € 3,1 Mrd.

In Summe kann der stationäre Non-Food-Einzelhandel in Lockdown #5 durch die 2GRegelung bzw. die generelle Geschäftsschließung Brutto-Umsätze in Höhe von rd. € 3,1 Mrd. nicht erzielen. Das entspricht 50 % der gesamten, saisonal üblichen November und Dezember-Umsätze. Inwieweit die betroffenen Einzelhandelsbranchen zumindest einen kleinen Teil der Umsatzverluste durch Nachziehkäufe wieder einholen können, bleibt abzuwarten. Keine Berücksichtigung in den Prognosen kann ein weiterer Lockdown für die gesamte Bevölkerung nach Weihnachten (wie im Vorjahr) finden.

#6 November/Dezember: Lockdown-Verluste: 50 % | Oberösterreich: 60 %

Besonders betroffen sind jedenfalls die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg. Durch die geplante Lockdown-Verlängerung für die gesamte Bevölkerung bis voraussichtlich
17. Dezember können die betroffenen Branchen nicht 50 % (wie im Bundesdurchschnitt) sondern knapp 60 % ihrer November/Dezember-Umsätze nicht erwirtschaften.

Lockdown-Effekte in der Vorweihnachtszeit: Ausfall umsatzstarker Tage im Offline- und damit einhergehende Verschiebungen in den Online-Handel

Durch die Geschäftsschließungen in Lockdown #5 können die betroffenen Branchen im Durchschnitt 50 % ihrer November/Dezember-Umsätze nicht erwirtschaften. Die hohen
Umsatzverluste von rd. € 3,1 Mrd. österreichweit beruhen auf unterschiedlichen Effekten, denn die Situation ist heuer eine „ganz andere“ als im Vorjahr.

#1 Schlechtes Timing des vorweihnachtlichen Lockdowns – 3 Einkaufssamstage und Marienfeiertag fehlen

Im Vergleich zum Vorjahr verschiebt sich heuer der Lockdown näher hin zu Weihnachten. Während 2020 der Lockdown bereits am 6. Dezember geendet hat, wird dieser heuer bis 12. Dezember andauern. Das bedeutet, dass heuer nicht nur am 1. / 2. / 3. Einkaufssamstag, sondern auch am umsatzstarken Marienfeiertag am 8. Dezember die Geschäfte im Non-Food-Handel geschlossen bleiben – und das in der umsatzstärksten Zeit des Jahres. In Oberösterreich und in Salzburg „wackelt“ auch noch der 4. Einkaufssamstag. Dadurch verschärft sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr noch zusehends. Für den ladengebundenen Einzelhandel wäre ein Lockdown zu einem früheren Zeitpunkt (etwa wie im Vorjahr oder noch früher) mit hohen, aber letztlich geringeren Verlusten einhergegangen. Zudem wäre Konsument*innen mehr Zeit bis Heilig Abend für Nachziehkäufe geblieben.

#2 „Künstliche“ Verknappung der Offline-Beschaffungsmöglichkeiten – kaum Zeit für Nachziehkäufe

Nachziehkäufe sind vor allem bei Weihnachtsgeschenken zu erwarten. Für darüber-hinausgehende Anschaffungen wird vermutlich zwischen Lockdown-Ende und Weihnachten kaum Zeit bleiben. Nachziehkäufe werden auch die Umsatzverluste von Lockdown #5 nicht annähernd kompensieren können. Diese werden nur das Minus geringfügig dämpfen. Eine zeitliche Ausgabenverschiebung könnte hier vor allem durch Geldgeschenke wie auch Gutscheine erreicht werden. Im Dezember 2020 hat der stationäre Non-Food-Handel zum Beispiel im Modebereich mit einem Umsatzrückgang von -30 % (im Vergleich zu 2019) abgeschlossen – und dass bei 5 geschlossenen Einkaufstagen vor und 4 Tagen nach Weihnachten. Heuer haben die Non-Food-Ladengeschäfte an 10 bzw. 15 Einkaufstagen (in Oberösterreich) vor Heilig Abend und eventuell noch bis zu 16 Tage für „Ungeimpfte“ bis Ende des Monats geschlossen. Zudem fallen heuer der 1., 2. und 3. Einkaufssamstag sowie der umsatzstarke Marienfeiertag am 8. Dezember aus. Die Dämpfungseffekte durch Nachziehkäufe werden alleine schon kalendarisch bedingt heuer geringer als im Vorjahr ausfallen.

#3 Verschiebung zu anderen Einkaufskanälen – der Online-Shift zu Amazon & Co

Die vorangegangenen Lockdowns haben die massiven Verschiebungen der einzel-handelsrelevanten Konsumausgaben ins Internet aufgezeigt. Der heimische Online-Handel konnte 2020 während der Lockdowns Umsatzzuwächse von nominell +27 % (April 2020) bis +37 % (Dezember 2020 gegenüber dem Vorjahr) erzielen. Ähnlich hohe Steigerungsraten sind auch für Lockdown #5 zu erwarten. Die Aktionstage rund um „Black-Friday“ (26. November) und „Cyber-Monday“ (29. November) werden sich wie im Vorjahr ebenfalls wieder ins Internet verlagern.
Die steigenden Online-Ausgaben können jedoch kaum die fehlenden Umsätze der Ladengeschäfte „kompensieren“. Denn mehr als 8 von 10 Euro der gesamten einzel-handelsrelevanten Konsumausgaben (inkl. Lebensmittel) werden im stationären Einzel-handel ausgegeben. Verschärfend für den heimischen Handel kommt hinzu, dass die Online-Shopper*innen in Österreich deutlich mehr als die Hälfte ihrer Internet-Ausgaben (62 %) bei internationalen, ausländischen Anbietern wie Amazon, Zalando & Co tätigen.

#4 „Click & Collect“ nur „Tropfen auf dem heißen Stein“

„Click and Collect“ hat in der Covid-19-Krise zwar stark zugelegt – 21 % der Österreicher*innen bestellen mittlerweile zumindest manchmal via Internet und holen die Ware dann im Ladengeschäft ab (was auch im Lockdown #5 wieder möglich ist) – die dadurch zu erzielenden Umsätze im stationären Non-Food-Einzelhandel sind jedoch nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ verglichen mit den Umsatzverlusten. C&C übernimmt jedoch eine wichtige Kommunikations- und Kundenbindungsfunktion, da durch die Nutzung Kontakt mit Kund*innen gehalten wird und Händler ihren Platz im Bewusstsein (Stichwort: „Relevant Set“) der Konsument*innen behalten.

#5 Lieferlogistik am Limit

Die steigenden Online-Bestellungen werden auch die Paketdienste im Lockdown #5 vor Herausforderungen stellen. Bereits im Vor-Corona-Jahr 2019 sind die Umsätze im heimischen Online-Handel in der Vorweihnachtszeit November/Dezember um mehr als 20 % höher als in einem „Durchschnittsmonat“ ausgefallen. Im Vorjahr hat der Anstieg (auf Grund der Geschäftsschließungen im November/Dezember) fast 50 % im Vergleich zu einem „normalen Monat“ betragen. Auch für heuer wird ein entsprechend erhöhtes Paketaufkommen auf den Online-Handel bzw. die Lieferdienste zukommen. Denn „Ungeimpften“ ist es möglicherweise bis Weihnachten nicht erlaubt im stationären Non-Food-Einzelhandel einzukaufen.

Den stationären Handel durch die Online-Alternative vollständig zu ersetzen, ist infra-strukturell und kapazitätsmäßig nicht möglich. Die übliche Nachfrage, die der stationäre Handel befriedigt, über den Online-Handel in der Vorweihnachtszeit abzuwickeln, wäre wie die Hochwasser-führende Donau in Wien über den Donaukanal abzuleiten. Abseits der Distributionsfunktion fehlt dem Online-Handel auch die so wichtige soziale Funktion und die Fähigkeit Erlebnis sowie Inspiration durch das Ansprechen aller Sinne anzuregen. Dies ist vor allem beim Kauf von Weihnachtsgeschenken von zentraler Bedeutung – man denke nur an Weihnachtsmärkte und sonstige weihnachtliche atmosphärische Reize.

#6 Shopping-Tsunami in der Woche vor Heilig Abend – ein zweischneidiges Schwert

Der Beginn des Lockdowns bzw. die Ankündigung desselbigen hat auch vor Lockdown #5 einen wahren Shopping-Tsunami ausgelöst, unterbrochen in einzelnen Landeshauptstädten von Demonstrationen. Für den stationären Einzelhandel sind „geballte“ Vorziehkäufe (wie z.B. Weihnachtsgeschenkeinkäufe) durchaus zu begrüßen, aus epidemiologischer Sicht wohl eher weniger. Der Andrang in den Einkaufsstraßen und -zentren am letzten Samstag gibt auch einen Vorgeschmack, was passiert, wenn Lockdown #5 wieder endet. Noch in guter Erinnerung sind die Schlangen vor Baumärkten und Möbelhändlern nach Lockdown #1. Besonders der verlängerte Lockdown in Oberösterreich (geplant) bis Freitag 17. Dezember könnte regelrechte Anstürme am letzten Einkaufssamstag vor Weihnachten auslösen.

Methodik:
Die Berechnungen und Hochrechnungen des IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing der JKU Johannes Kepler Universität Linz zu den Umsatzverlusten im stationären Einzelhandel während des Lockdowns #5 basieren auf Daten von Statistik Austria und weiteren Sekundärdatenquellen (Gesundheitsministerium, etc.). Die Ergebnisse sind als Abschätzung zu verstehen und beruhen teilweise auf Annahmen, da nicht alle Regelungen bis dato konkretisiert wurden. Berücksichtigung finden in den Berechnungen/ Hochrechnungen sowohl der Anteil der erwachsenen Bevölkerung, die unter die 2G-Regelung fällt (bzw. nicht fällt) (laut Gesundheitsministerium) als auch die durchschnittlichen Ausgaben (laut Statistik Austria) im Non-Food-Einzelhandel jeweils nach Alterskategorien differenziert. Diese Differenzierung in der Hochrechnung ist deshalb von Belang, da z.B. die Impfraten unter jüngeren Alterskohorten (noch) unterdurchschnittlich ist, gleichzeitig aber die einzelhandelsrelevanten Ausgaben in dieser Gruppe geringer als in älteren Konsumentengruppen ausfallen. Darüber hinaus fließen die saisonüblichen Handelsumsätze in den betroffenen Branchen (Basis: Statistik Austria) in die Berechnungen mit ein. Für die Differenzierung nach Bundesländern wird zusätzlich auf die einzelhandelsrelevanten Konsumausgaben sowie auf die aktuell unterschiedliche Impfraten abgestellt. Für den Zeitraum in bzw. nach Lockdown #5 ist mit einem steigenden Anteil an Konsument*innen mit gültigem Impfzertifikat zu rechnen, dies wurde in den Berechnungen näherungsweise antizipiert.