Porträt

Hotel-Geheimnisse aus zehn Jahren

Hotel
06.10.2023

Das Hotel Zeitgeist beim Wiener Hauptbahnhof feiert heuer zehnjähriges Jubiläum. Mit vielen Design- und Kunst-Details hebt es sich von der Kettenhotellerie ab und schreibt Inklusion, Barrierefreiheit und ­Nachhaltigkeit groß.
Hotel Zeitgeist Außenansicht

Ein Hotel ist ein Hotel ist ein Hotel? Das mag auf Ketten zutreffen, die in allen größeren Städten der Welt Standorte haben. Bei ihnen hat die Wiedererkennung einen hohen Stellenwert. Die Kehrseite ist, dass sie oft wenig Überraschung bereithalten. Für Gäste, denen das zu fad ist, gibt es zum Glück auch die anderen Hotels, die für sich stehen, in denen die Liebe zum Detail spürbar ist und die Seele der Betreiber steckt.
Das findet, wer im Hotel Zeitgeist beim Wiener Hauptbahnhof eincheckt. Das Hotel feiert seinen zehnten Geburtstag: Es eröffnete kurz nach Inbetriebnahme des Hauptbahnhofs, der nach dem Abbruch des Südbahnhofs errichtet wurde. Somit ist das Hotel Teil des riesigen Sonnwendviertels, das rund um den neuen Bahnhof entstanden ist – inklusive Park, vieler neuer Wohnbauten, Restaurants – und zahlreichen Hotels. Da macht es Sinn, sich hervorzuheben, und das tut das Zeitgeist unter anderem mit vielen Details – den vom Marketing so genannten „Zeitgeist-Secrets“, die anlässlich des Jubiläums auch in einem Booklet vorgestellt werden.

Storytelling mit Schrift

Das fängt beim Eingangsbereich an, wo am Gehsteig eine Art Zebrastreifen aufgedruckt ist – in Wirklichkeit ein Barcode, den man – ohne das geprüft zu haben – einscannen kann. Das dahinter verborgene „Z“ passt ins Storytelling des Hotels, wo Schrift eine wichtige Rolle spielt und sich im ganzen Haus wiederfindet – etwa auf einer riesigen Wand hinter der Rezeption oder auf den Spiegeln in den Zimmern. Das Besondere: Würde man die Spiegel in der richtigen Reihenfolge auflegen, könnte man einen Essay lesen, den der Schriftsteller Hanno Millesi für das Hotel verfasst hat – zum Thema Zeitgeist. Man muss aber nicht als Reinigungskraft im Hotel anfangen, um sich den Text zu erschließen: Er ist auch auf der Hotel-Website nachzulesen. Auch ein eigenes Schriftbild wurde entworfen. Und ein stilisiertes Z, das wie eine eckige, etwas schiefe Sanduhr aussieht, ist nicht nur das Hotel-Logo, sondern findet sich in einigen Möbel- und Designobjekten im Hotel wieder.
Design hat generell einen hohen Stellenwert. So sind etwa die Schreibtischstühle in den Zimmern von Vitra. Vieles ist von Künstlerinnen und Künstlern entworfen, wie zum Beispiel die Schmiedeeisen-Objekte von Bartholomäus Kinner, darunter ein Flyer-Ständer und eine bewegliche Vitrine im Lobbybereich. Selbst der Flipchart-Ständer für das Seminarzentrum ist ein Design-Hingucker, der nicht aus dem schnöden Büromöbelhandel kommt. Das Seminarzentrum gehört seit 2020 zum Zeitgeist: Das Hotel übernahm ein ehemaliges Fitnessstudio nebenan und bietet dort Seminarräume für sechs bis 140 Personen an. Insgesamt hat das Hotel die beachtliche Anzahl von 254 Zimmern. Ein Stammkunde ist die benachbarte Bundesfinanzakademie, die regelmäßig Zimmer für ihre Teilnehmenden bucht.

Ziel: Grüne Zertifizierung

Auch Nachhaltigkeit ist ein großes Thema. So gibt es vier Ladestationen für E-Autos in der Garage und seit 2022 eine Photovoltaik-Anlage, mit der man schon im ersten Halbjahr zwölf Tonnen CO2 eingespart hat. Dafür fließt durch die Steckdosen in den Zimmern auch Strom, wenn die Gäste nicht da sind – so laden Handys und Laptops auch, während man etwa beim Frühstück sitzt. Bei diesem wird auf Bio und Regionalität gesetzt, was seinen Preis hat: Für 27 Euro Aufpreis können Hotelgäste beim Frühstücksbuffet zulangen. Interessant sind die Green Rates: Gäste, die auf die tägliche Zimmerreinigung verzichten, bekommen einen Rabatt auf den Zimmerpreis von 15 Prozent und einen Gutschein für das hauseigene Restaurant Pergola, das nicht nur Hotelgästen offensteht. Rund ein Drittel der Gäste nutzt derzeit die Green Rates. Um zu zeigen, dass man es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, arbeitet man an einer Zertifizierung durch das Österreichische Umweltzeichen. Sogar die Restaurant-Menüs sind auf Recycling-Papier gedruckt und es gibt einen Kugelschreiber und eine Sonnenbrille aus Weizenschrotfasern, die Gäste erwerben können.
Manche „Secrets“ sind etwas skurril, etwa das von innen beleuchtete Zelt hinter der Rezeption oder das Design an Bar und Rezeption: Einmal handelt es sich um eine riesig vergrößerte und digital verfremdete Cabanossi und einmal um eine ebensolche Fischhaut. Reizend ist dagegen der „Haushund“ Mila vom Hotelbetreiber Gerald Kolm, der – also der Hund – in einer Grafik im Garten verewigt ist. Tiere sind übrigens, angeblich ohne Einschränkungen, willkommen. Am häufigsten werden Hunde mitgebracht, manchmal auch Katzen und selten sollen Gäste auch von anderen Haustieren begleitet werden. Grundsätzlich bringen aber gar nicht so viele Gäste ihre tierischen Gefährten mit.

Fest und Führungswechsel

Zum zehnjährigen Jubiläum gab es neben einem Fest für aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lieferanten, Handwerker und Wegbegleiter auch einen Führungswechsel: Peter Redle übernahm als General Manager die Agenden von Andreas Purtscher, der das Hotel die ersten zehn Jahre leitete. Redle kommt aus der Ketten-Hotellerie und schätzt im Zeitgeist die kurzen Entscheidungswege. Zuvor war er General Manager im Pentahotel Wien, das zu einer kleineren Kette gehört. Aber Redle hat auch Erfahrung in Großketten, wo „die Mühlen langsamer mahlen“. Dass im Zeitgeist Inklusion großgeschrieben wird – von Anfang an gab es etwa mehrere barrierefreie Zimmer – ist in Redles Sinn. So heißt man die LGBTQ+-Community willkommen, was sich auch im Marketing zeigt: Im Instagram-Logo ist das Zeitgeist-Logo etwa mit Regenbogenfarben hinterlegt.

General Manager Peter Redle im Porträt
General Manager Peter Redle möchte dafür Sorge tragen, dass die Löhne steigen: „Das geht aber nur, wenn wir unsere Preise anpassen.“

Wie viele Hotel- und Gastrobetriebe sucht auch das Zeitgeist laut Redle „Fachkräfte oder begeisterungsfähige Quereinsteiger“. Hier setzte mit Corona eine gewisse Fluktuation ein. Mit Benefits wie sechs Wochen Urlaub, einer Jahreskarte für die Wiener Linien und Gratis-Mittagessen will man beim neuen Personal punkten. Das ist aber laut Redle nicht alles: „Ich möchte in den nächsten zehn Jahren dafür Sorge tragen, dass die Löhne steigen. Das geht aber nur, wenn wir unsere Preise anpassen.“ Für das Employer-Branding seien Gehälter weniger wichtig als die Arbeitsatmosphäre: „Klar, man muss ein Auskommen finden. Aber man muss vor allem gerne zur Arbeit gehen.“ Und dafür will Redle wie schon sein Vorgänger Sorge tragen.